Vor einem Jahr, am 20. Jänner 2017, klickten für einen damals 17-Jährigen aus Wien die Handschellen. Der Bursche wurde festgenommen, weil er versucht haben soll, über das Internet einen zwölfjährigen Buben zu einem Selbstmordanschlag in Deutschland anzustiften. Ein Blutbad blieb nur deshalb aus, weil es der Zwölfjährige nicht geschafft hatte, den Sprengsatz zu zünden. Die österreichische Staatsanwaltschaft hat nun gegen den mittlerweile 18-Jährigen Wiener, dessen Eltern aus Albanien stammen, eine Terroranklage erhoben. Die Vorwürfe in der 55 Seiten starken Anklageschrift umfassen unter anderem versuchte Bestimmung zum Mord und versuchte Bestimmung zur vorsätzlichen Gefährdung durch Sprengmittel.
Zusätzlich werden dem 18-Jährigen Aufforderung zu bzw. Gutheißen von terroristischen Straftaten, Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angelastet. Die Anklageschrift enthält außerdem Punkte, die bisher öffentlich nicht bekannt waren. So soll der 18-Jährige, nachdem er sich in einem Treueschwur zu den Zielen der IS-Terrormiliz bekannt hatte, ab Sommer 2016 über WhatsApp einen zwölfjährigen, noch strafunmündigen deutschen Buben, mit dem er sich regelmäßig austauschte, dahin gehend beeinflusst haben, dass dieser einen Selbstmordanschlag in Ludwigshafen im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz durchführen wollte. Dieser scheiterte, weil es dem Zwölfjährigen nicht gelang, den selbst gebastelten Sprengsatz zu zünden.
Der - noch nicht rechtskräftigen - Anklage zufolge soll der 18-Jährige, über den bereits Ende 2017 die U-Haft verhängt worden war, dem Deutschen nicht nur eine Anleitung zum Herstellen einer Bombe in Form eines pdf-Files geschickt haben, wobei er sich als "Terroristen-Chefkoch" bezeichnete, sondern dem Strafunmündigen auch vorgegeben haben, den Anschlag auf einem Weihnachtsmarkt und nicht - wie der Bub ursprünglich beabsichtigt hatte - in einer Kirche zu verüben.
Tipp für den Anschlag: "Zieh 'ne fette Jacke an"
Laut Anklage marschierte der Zwölfjährige daraufhin am 26. November 2016 mit einer selbst fabrizierten, in einer Umhängetasche verborgenen Bombe auf einen rund 900 Meter vom Ludwigshafener Rathaus-Center entfernt gelegenen Weihnachtsmarkt. Bis zuletzt soll ihn sein Wiener Gesprächspartner bestärkt haben. "Zieh 'ne fette Jacke an ... Dann geh hinter eine Hütte und zünde an und lauf vor", hieß es etwa in einer WhatsApp-Nachricht an den Buben.
Weil es nicht krachte, deponierte der Zwölfjährige den Sprengsatz hinter einem Gebüsch, wo er am 3. Dezember 2016 von der Polizei gefunden wurde. Die sichergestellte Nagelbombe bestand aus einem mit Klebeband umwickelten Gewürzglas, an dem an der Außenseite 41 Nägel befestigt waren. Im Inneren befanden sich weitere elf Nägel. In einem mittig vorhandenen Loch am Deckel des Gewürzglases war eine Wunderkerze fixiert, die als eine Art Zündschnur fungieren sollte. Die Bombe wurde von einem Gutachter untersucht, wobei ihre Funktionstüchtigkeit mittels eines Nachbaus getestet wurde. Dabei konnte festgestellt werden, "dass es sich um eine funktionsfähige Brandvorrichtung handelte", wie der Anklageschrift zu entnehmen ist.
18-Jähriger bestreitet Anstiftung zum Mord
Der Zwölfjährige, der inzwischen in einem Krisenzentrum lebt, kann aufgrund seines kindlichen Alters strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Der 18-Jährige bestreitet die ihm vorgeworfene Anstiftung zum Mord. Von den konkreten Plänen des Zwölfjährigen habe er nichts gewusst. Auch zu den weiteren zentralen Anklagepunkten bekennt sich der Jugendliche "nicht schuldig", wie Verteidiger Wolfgang Blaschitz betonte: "Wir werden alles bestreiten bis auf die Mitgliedschaft am IS." Sein Mandant sei "sicher nicht der Staatsfeind Nummer eins".
Im Gefängnis zum Islam konvertiert
Der 18-Jährige, dessen Eltern aus Albanien stammen - sie besitzen seit Längerem die österreichische Staatsbürgerschaft und sind eigenen Angaben zufolge Atheisten -, war ohne religiöse Berührungspunkte aufgewachsen. Ausgerechnet während eines Gefängnisaufenthalts - er wurde als 16-Jähriger wegen schweren Raubes zu 29 Monaten teilbedingter Haft verurteilt - fand er in der Justizanstalt Wiener Neustadt zum Islam. Er konvertierte, nannte sich fortan "Sabur Ibn Gharib" und besuchte nach seiner Haftentlassung regelmäßig verschiedene Moscheen, wo er sich in kurzer Zeit radikalisierte.
Besonders der Prediger Mirsad O. alias "Ebu Tejma" - der Dschihadist, der Männer für den IS rekrutierte, wurde im Juli 2016 in Graz erstinstanzlich zu 20 Jahren Haft verurteilt - hatte es dem jungen, beschäftigungslosen Wiener angetan. Schließlich soll in ihm die Absicht gereift sein, gemeinsam mit einer jungen Deutschen, die er am 1. Dezember 2016 im nordrhein-westfälischen Neuss nach islamischem Recht heiratete, einen Selbstmordanschlag durchzuführen.
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