Erhebliche Verschiebungen auf dem heimischen Arbeitsmarkt erwarten jetzt Experten durch die unter der türkis-blauen Regierung fixierte Ausweitung der sogenannten Mangelberufsliste. Diese Regelung erlaubt den legalen Zuzug für nichteuropäische Ausländer in Branchen, in denen es derzeit zu wenige Fachkräfte gibt. Nach internen Schätzungen von Experten des Arbeitsmarktservice, der Arbeiterkammer und des Hauptverbandes muss durch die neuen Job-Zulassungen für Ausländer mit etwa 150.000 zusätzlichen Zuwanderern bis Ende der türkis-blauen Legislaturperiode im Jahr 2022 gerechnet werden.
Durch die Vervielfachung der Mangelberufsliste durch die zuletzt beschlossene Regionalisierung für die Bundesländer können jetzt ausländische Arbeitssuchende aus 63 Berufen nach Österreich kommen. Laut Fachleuten aus dem Sozialministerium erstreckt sich die erweiterte Liste für Arbeitskräfte aus dem Ausland in Zukunft unter anderem auch auf Eintrittskassiere, Fensterputzer, Buchhalter und Sicherheitsmitarbeiter. Aber auch Berufe wie Maurer, Einzelhändler, Köche oder Friseure wären betroffen und hätten deshalb Lohndruck und Verdrängungswettbewerb zu fürchten, heißt es.
Befürworter der ausgeweiteten Job-Liste für Ausländer argumentieren, dass es für diese Berufen zu wenige einheimische qualifizierte Bewerber gibt (daher auch der Begriff „Mangelberuf“). Kritiker der Ausweitung der Berufe meinen hingegen, dass es durch die zu erwartenden Zuwandererströme zu einer deutlich angespannteren Lage auf dem österreichischen Arbeitsmarkt kommen könnte. Auch Lohndumping durch den stärkeren Konkurrenzdruck in einigen Branchen wird von Sozialexperten befürchtet.
FPÖ warnte einst vor einer Verdrängung
Bemerkenswert an der nun deutlich erweiterten Berufsliste für Ausländer: In der Oppositionsrolle hatte die FPÖ massiv gegen diese liberalisierten Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt polemisiert. Der heutige Innenminister Herbert Kickl erklärte etwa noch in seiner Funktion als FPÖ-Generalsekretär, SPÖ und ÖVP würden mit solchen Maßnahmen den "Zuzug nach Österreich fördern". Damit würde man "die heimischen Arbeitnehmer einem massiven Verdrängungswettbewerb aussetzen".
Zu den aktuellen Zahlen heißt es von der FPÖ, man wolle damit "den massiven Fachkräftemangel" bekämpfen. Laut FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky werde man in der Regierung aber genauestens darauf achten, dass nur dort, wo kurzfristig Fachkräftemangel herrscht, dieser zeitlich begrenzt durch Nicht-EU-Ausländer gedeckt wird.
Auch NEOS für Erweiterung der Liste
Die NEOS sprachen sich am Sonntag ebenfalls für eine Ausweitung der Liste aus. "Die Betriebe tun sich immer schwerer, die richtigen Arbeitskräfte zu finden. Die lange Dauer der Personalsuche kostet die Wirtschaft viel Geld und Wachstumspotenzial", erklärte NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker in einer Aussendung.
Sozialministerium weist Warnung zurück
Im FPÖ-geführten Sozialministerium weist man die Warnungen im Zusammenhang mit möglichen Änderungen bei der Mangelberufsliste zurück. So seien in den 11 Mangelberufen von 2017 Ende November 2017 292 Fachkräfte aus Drittstaaten mit Rot-Weiß-Rot-Karte beschäftigt gewesen, heißt es. Die Mangelberufsliste dient ausschließlich der Zulassung von Fachkräften aus Drittstaaten über die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte. Fachkräfte aus EU-Mitgliedstaaten haben ohnehin freien Arbeitsmarktzugang. Die Ermittlung der Mangelberufe ist im Ausländerbeschäftigungsgesetz klar vorgegeben. Als Mangelberufe kommen demnach Berufe in Betracht, für die pro gemeldete offene Stelle höchstens 1,5 Arbeitsuchende vorgemerkt sind.
Überlegungen, bei der Erstellung der Fachkräfteverordnung auch regionale Aspekte einzubeziehen, seien zuletzt vor allem deshalb aufgetaucht, weil es beispielsweise beim Beruf Gaststättenkoch in den westlichen Bundesländern Salzburg, Tirol und Vorarlberg deutlich mehr offene Stellen mit vergleichsweise wenig arbeitslos vorgemerkten Arbeitskräften gebe, während in den östlichen Bundesländern kein Mangel an Köchen festgestellt werden kann, so das Ministerium. Im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ ist deshalb vorgesehen, künftig auch den regionalen Bedarf an Fachkräften besser zu berücksichtigen, hieß es aus dem Büro von Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ). Zugleich soll auch die überregionale Vermittlung von Arbeitskräften generell verbessert und die Lehrausbildung attraktiver gemacht werden.
Kronen Zeitung/krone.at
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