Die Staatsanwältin nennt es "den beinahe perfekten Mord". Der Angeklagte spricht davon, dass er "irgendwie schon schuld ist" am Tod seiner Ehefrau, aber dass es "irgendwie eher so was wie ein Unfall war". Der Sturz von der Dachterrasse, der einer unglücklichen Karriere-Bankerin das Leben gekostet hat, wurde am Montag in Wien vor dem Schwurgericht behandelt. Schlussendlich gab es einen Schuldspruch: Sieben Jahre Haft wegen Totschlags. Die Mordanklage wurde mit dem knappest möglichen Abstimmungsverhältnis (vier zu vier Stimmen) verworfen. Das Urteil sorgte bei den engsten Freunden der Getöteten nach der Verkündung für große Empörung.
Heute, ja heute. Da hätte er "natürlich" vieles anders gemacht. Sich scheiden lassen zum Beispiel von der Frau, die "eigentlich nie" Kinder wollte. Von sämtlichen Partnern hatte die 45-Jährige die Sterilisation verlangt – so ließ auch der 46-jährige Christian E. eine Vasektomie durchführen. Sie wurde trotzdem schwanger.
Probleme mit Älterwerden, Flucht in den Alkohol
Das gemeinsame Kind, ein Mädchen – sein Augenstern. Was ihr, seiner Ehefrau auch wiederum nicht gepasst haben soll. "Eifersüchtig auf das eigene Kind, das war in meiner Vorstellung nicht drin", sagt E. zu Richter Stefan Apostol. Auch ihre Probleme mit dem Älterwerden, die Flucht in den Alkohol – immer nur wegschauen, verdrängen. Einmal, ein einziges Mal in seinem Leben hat "der coole IT-Techniker emotional reagiert, überreagiert", sagt Timo Gerersdorfer, der Anwalt, der auch Schulfreund ist.
Dann nämlich, als ein Streit rund um ihren 45. Geburtstag ausbrach, sie die von ihr initiierte Geburtstagsfeier gesprengt hatte, indem sie einfach nicht ins Restaurant kam. Lieber daheim blieb – und trank. Er zuerst zu Freunden fuhr, die Tochter dort ließ und dann doch in den 4. Bezirk heimkehrte.
"Nur Alkohol macht mein Leben erträglicher"
Sie hatte sich eingeschlossen, er stritt durch die Tür mit ihr. Hörte, dass er ein schlechter Ehemann sei, aber ein toller Vater. Und dass nur Alkohol ihr Leben "erträglicher" mache. Schließlich öffnete sie. Um ihn, so sagt er, mit Schlägen und Tritten zu attackieren. "Ich bin mit den Händen ausgefahren, hab sie am Hals gepackt, von mir weggedrückt. Sie hat das Gleichgewicht verloren."
Etwas, was der zweite Berufsrichter, Christoph Bauer, so nicht glaubt: "Da gibt es noch einen breiten Sims mit Blumenkästen vor dem Abgrund." Doch der Angeklagte bleibt dabei: "Ich hab' sie nur weggedrückt von mir." – "War es klar für Sie, dass sie stirbt, wenn Sie sie loslassen?" – Lange Pause, leises "Ja".
Heute, ja heute. Da würde er Rettung und Polizei rufen, nicht zu den Freunden zurückkehren, diese in die Wohnung schicken und sie den zerschmetterten Körper im Innenhof entdecken lassen. Zunächst ging man von Selbstmord aus, bis die Gerichtsmedizin Alarm schlug: Würgemale am Hals, verbunden mit charakteristisch punktförmigen Einblutungen in den Augen.
4:4 Stimmen
Das Urteil lautet schließlich sieben Jahre Haft, nicht wegen Mordes, sondern wegen Totschlags. Vier Laienrichter waren der Mordanklage gefolgt, vier hatten sie verneint. Bei Stimmengleichheit ist zugunsten des Angeklagten auszugehen. Die Eventualfrage in Richtung Totschlag wurde von den Geschworenen einstimmig bejaht. Bei einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren erschien dem Schwurgericht die verhängte Strafe tat- und schuldangemessen. Die bisherige Unbescholtenheit und das "Tatsachengeständnis", so der Richter, wurden mildernd berücksichtigt.
Empörung nach Urteilsverkündung
Nach der Urteilsverkündung waren im Verhandlungssaal Unmutsäußerungen von engsten Freunden der Getöteten zu vernehmen. "Wahnsinn" oder "Frechheit" hieß es. "Habt's schon gehört, was da los war?", rief ein zuvor vernommener Zeuge sichtlich erzürnt den Geschworenen zu, worauf ihn der Vorsitzende mit den Worten "Raus mit Ihnen" des Saales verwies.
Gabriela Gödel, Kronen Zeitung/krone.at
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