Vorwürfe gegen Toten

Vergewaltigung? Skilegende Toni Sailer belastet

Österreich
17.01.2018 09:29

Nur wenige Monate nachdem die frühere ÖSV-Rennläuferin Nicola Werdenigg mit schweren Vorwürfen eine Debatte um sexuelle Übergriffe im heimischen Skisport losgetreten hatte, wird nun auch die 2009 verstorbene Skilegende Toni Sailer durch einen bislang unveröffentlichten Akt des Justizministeriums belastet. Österreichs Jahrhundertsportler, so lautet der nie ganz aufgeklärte Vorwurf, soll 1974 im damals kommunistischen Polen wegen einer angeblichen Vergewaltigung angeklagt worden sein. Der Fall sorgte bereits damals für Schlagzeilen - Sailer selbst hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen.

Toni Sailer im Jahr 1956 (Bild: AFP)
Toni Sailer im Jahr 1956

Der damals 38-jährige Sailer, zu diesem Zeitpunkt Direktor des Österreichischen Skiverbandes (ÖSV), sei Anfang März kurz vor einem Weltcupslalom im polnischen Zakopane festgenommen worden, nachdem ihn eine 28-jährige Polin, eine Nebenerwerbsprostituierte, angezeigt hatte, berichten die Rechercheplattform "Dossier", der "Standard" und der ORF.

(Bild: Der Standard)

Der Vorfall soll sich demnach in der Nacht auf den 4. März 1974 in einem Hotel zugetragen haben. Zwei für eine italienische Schuhfirma arbeitende Jugoslawen hätten den Ex-Skirennläufer auf ihr Zimmer eingeladen, heißt es. Ein Polizist, der Dienst hatte, als Sailer festgenommen wurde, erklärte gegenüber "Dossier": "Eine Prostituierte beschuldigte ihn, sie vergewaltigt zu haben. Sailer wurde nur kurz angehalten und wieder freigelassen."

Republik zahlte für Sailer Kaution
Wohl weil die österreichische Botschaft in Warschau auf Weisung des damaligen Außenministers Rudolf Kirchschläger sofort aktiv wurde und "mit großem Nachdruck bei der Staatsanwaltschaft in Zakopane und im polnischen Außenministerium interveniert hat", wie es im Akt heißt. Die Republik zahlte 100.000 Schilling Kaution für Sailers Freilassung, der letztendlich nur noch wegen leichter Körperverletzung angeklagt wurde.

Sailer bei seiner Siegesfahrt auf der Lauberhorn-Abfahrt in Wengen 1958 (Bild: APA/Photopress-Archiv)
Sailer bei seiner Siegesfahrt auf der Lauberhorn-Abfahrt in Wengen 1958

Sailer, der die Vorwürfe stets bestritt, musste aber in Polen nie vor Gericht, weil eine leichte Körperverletzung dort - anders als in Österreich - ein Privatanklagedelikt war und die 28-jährige Frau den Ex-Skistar schlussendlich nicht angeklagt hat. Im Juli 1975 beendete das Bezirksgericht in Zakopane das Verfahren "mit Rücksicht auf Mangel an gesellschaftlichem Interesse".

Der Akt zeichnet das Bild eines ungeklärten Kriminalfalls samt Interventionen auf höchster politischer Ebene. Österreichs Regierung, Diplomatie und der Justizapparat der Volksrepublik Polen bemühten sich gemeinsam und, wie es aussieht, erfolgreich. Sailer sei "vor den Folgen der Geschehnisse jener Nacht" in Zakopane bewahrt worden, schreibt "Dossier".

(Bild: AFP)

Österreichs Jahrhundertsportler
Der 1935 als Anton Engelbert Sailer geborene "Schwarze Blitz aus Kitz" war dreifacher Olympiasieger und siebenfacher Weltmeister. Als Schauspieler wirkte er in 25 Filmen mit, zudem veröffentlichte er 18 Schallplatten, darunter die Single "Am Fudschijama blüht kein Edelweiß". Sailers Erfolge ließen ihn auch zu einer Symbolfigur für den Wiederaufbau Österreichs und einem Jugendidol der Nachkriegszeit werden.

Er war in den Jahren 1972 bis 1976 Cheftrainer und Technischer Direktor im Österreichischen Skiverband. Von 1967 bis 1976 war er Präsident des Kitzbüheler Ski Clubs, in späterer Folge Rennleiter der Hahnenkamm-Rennen (von 1985 bis 2006) und auch dem Golfclub Kitzbühel stand er viele Jahre vor. Auf internationaler Ebene war Sailer Vorsitzender des FIS-Alpinkomitees.

Weirather-Kritik an Sailer-Berichten
 
Ex-ÖSV-Abfahrtsass Harti Weirather übte am Mittwoch Kritik an den Berichten über die Vergewaltigungsvorwürfe. "Dass man jetzt die Hahnenkammrennen und diese Bühne hier missbraucht, finde ich nicht okay", sagte der Abfahrtweltmeister von 1982 im Gespräch. Er finde es einfach nicht in Ordnung, dass man "genau zu diesem Termin irgendeine Story ausgräbt - noch dazu über einen Menschen, der nicht mehr lebt", so Weirather, der mit seiner Firma WWP die Hahnenkammrennen vermarktet. Hier werde medial "sicher überzogen", erklärte der Tiroler.

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