Brexit-Finanzloch
Der Kampf ums nächste EU-Budget ist eröffnet
Der Brexit wird in die EU ein Finanzierungsloch von zwölf bis 14 Milliarden Euro reißen. Gleichzeitig kommen auf die EU neue gemeinsame Aufgaben zu, wie zum Beispiel der teure Schutz der Außengrenze. Das nächste siebenjährige EU-Budget, beginnend 2020, wird den neuen Tatsachen Rechnung tragen müssen. Der Kampf um die Neuverteilung der EU-Finanzen hat somit begonnen.
Erste Signale gab es schon im Zusammenhang mit den Besuchen von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei den beiden größten Nettozahlern Deutschland und Frankreich. Hier Kurz mit „Der Brexit darf nicht mehr kosten“, dort Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als die Kutscher Europas mit „Die EU muss handlungsfähig bleiben“.
EU-Nettozahler fordern Diskussion über Einsparungen
Einig sind sich die Nettozahler, dass vor allem einmal über Einsparungen geredet werden müsse und dass der Brexit nicht einfach nur durch Mehrbelastung der Nettozahler ausgeglichen werden darf. Deshalb wollen sich die Nettozahler eng darauf abstimmen, ausufernde Begehrlichkeiten der Nettoempfänger abzuwehren. Es gilt, hartnäckigem Anspruchsdenken Einhalt zu gebieten, die Vergabepraxis zu überdenken, den Subventionsdschungel zu durchforsten, schlicht: die EU zu entrümpeln. Zumal sich immer deutlicher zeigt, wie EU-Förderprogramme die Korruption der politischen und wirtschaftlichen Eliten in Osteuropa befeuern.
Budapest und Warschau plötzlich "EU-freundlicher"
Es fällt ja auf, wie die Machthaber in Budapest und Warschau „EU-freundlicher“ werden, je näher der Termin rückt. So zog Polens Regent Jaroslaw Kaczynski hartnäckige Scharfmacher aus der Regierung ab, und Ungarns Führung will 1300 Flüchtlinge aus ihrer Not gerettet haben – zufällig die Zahl, die als EU-Aufnahmequote festgesetzt war. Zynismus pur. Egal wie sich die EU-Sparbemühungen entwickeln werden – gesunde Skepsis ist angebracht –, die Kampfparole von Kurz „Kleinere EU – kleinere Ausgaben“ wird sich nicht verwirklichen lassen. Sie ist auch nur die harte Ansage für den Verhandlungsprozess, wie wir sie aus allen Lohnverhandlungen kennen.
Finanztransaktionssteuer? Plastiksteuer?
Es ist alte Praxis in der EU, dass zum Schluss – zehn Minuten vor Ablauf der Frist – ein Mischmasch rauskommt. Der könnte diesmal auch zu eigenen Einnahmen der EU führen, die alle 27 Staaten träfen: Finanztransaktionssteuer? Plastiksteuer? Das könnten die Staats- und Regierungschefs sogar als fortschrittliche Lenkungsmaßnahme ihrer Wählerschaft „verkaufen“. Wie auch immer der Kampf ums Geld in der EU endet, die Öffentlichkeit sollte zeitgerecht darauf vorbereitet sein, dass der Brexit sehr wohl etwas kosten wird. Widrigenfalls könnte es wieder einmal zu einer großen Enttäuschung und Bestürzung kommen, mit dem Vorwurf, dass in der EU mit falschen Karten gespielt wird.
Kurt Seinitz, Kronen Zeitung
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