Sie bekämpften den IS

Erdogan walzt mit deutschen Panzern Kurden nieder

Ausland
22.01.2018 13:51

Die türkische Offensive in Nordsyrien gegen die kurdische Miliz YPG geht trotz internationaler Proteste mit unverminderter Härte weiter. Während die Armee von Präsident Recep Tayyip Erdogan immer weiter in die Kurden-Region Afrin vordringt, steigt die Angst vor einer neuen Front im Syrien-Krieg und einem Wiedererstarken der Terrormiliz Islamischer Staat. Die kurdischen Kämpfer, die mit den USA verbündet sind, waren nämlich eine entscheidende Macht im Kampf gegen den IS. Die Türkei sieht die YPG als syrischen Ableger der verbotenen PKK, die sie im eigenen Land bekämpft. Von der starken YPG-Präsenz an der türkischen Grenze fühlt sich die Regierung in Ankara bedroht. Mit der Militäroperation will Erdogan eine 30 Kilometer breite Sicherheitszone schaffen. Bisher schauen die NATO-Partner USA und Deutschland dem Treiben zu. Und: In Berlin werden sogar Überlegungen angestellt, Leopard-Panzer der türkischen Armee, die aus deutscher Produktion stammen, aufzurüsten.

Eigentlich gilt der Olivenzweig als Symbol des Friedens. Doch die türkische "Operation Olivenzweig" in Nordsyrien bedeutet Bomben, Granaten, Tote und Verletzte. Zwar sind die Berichte und Bilder aus der umkämpften Region, die überwiegend in den sozialen Medien zu finden sind, mit äußerster Vorsicht zu genießen, denn beide Seiten versuchen, mit Bildern den Informationskrieg zu gewinnen. Doch was man bereits jetzt sagen kann, ist, dass die Gefechte zwischen der türkischen Armee, die von mehreren arabischen Rebellengruppen unterstützt wird, und der YPG erbittert geführt werden und beide Seiten bereits Tote beklagen müssen.

Türkisches Artilleriefeuer nahe der Grenze (Bild: AFP)
Türkisches Artilleriefeuer nahe der Grenze

Nach dem Beginn der Bodenoffensive haben die attackierten kurdischen Gruppen einen Gegenangriff gestartet. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte kurdische Angaben, wonach dabei zuvor verlorene Posten am Montag aus den Händen der Türken und der mit ihnen verbündeten Rebellen zurückerobert wurden. Die Kämpfer seien an mehreren Fronten im Nordwesten und Osten des kurdisch kontrollierten Gebiets vorgerückt. Dort werde weiter heftig gekämpft. Sechs protürkische Rebellen, die an der "Operation Olivenzweig" beteiligt sind, wurden einem kurdischen Sprecher zufolge getötet. Aufseiten der Kurden sollen in den vergangenen 24 Stunden mindestens 21 Menschen getötet worden sein, so die Beobachtungsstelle. Ihre Angaben sind von unabhängiger Stelle allerdings schwer zu überprüfen.

Kurdische Kämpfer in Nordsyrien (Bild: AFP)
Kurdische Kämpfer in Nordsyrien

Ein Video im YouTube-Kanal der kurdischen Pressestelle zeigt offenbar die Zerstörung eines türkischen Panzers. Es sollen bereits fünf türkische Leopard-Panzer außer Gefecht gesetzt worden sein.

Erdogan: "Haben Rückendeckung Russlands"
Das Vorgehen der Türkei ist auch deswegen riskant, weil in der Region Afrin russische Soldaten stationiert waren. Russland hatte sie nach Beginn der türkischen Offensive verlegt und betont, man beobachte die Entwicklungen mit Sorge. Russland und die Türkei treten bei den Syrien-Gesprächen in der kasachischen Hauptstadt Astana und den geplanten Friedensgesprächen im russischen Sotschi als Schutzmächte der Regierung und der Rebellen auf. Erdogan erklärte am Montag, dass seine Regierung die Rückendeckung Russlands habe. Die russische Regierung ist laut einem Sprecher in Kontakt mit der Türkei und beobachte deren Militäraktion sehr genau. Er verwies darauf, dass Russland die territoriale Integrität Syriens als sehr wichtig betrachte.

Den USA warf Russland am Montag vor, die Kurden in Nordsyrien zum Separatismus zu ermutigen. "Seit Langem versuchen die USA, die Kurden vom Dialog mit der Regierung in Damaskus abzubringen", sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. Der Aufbau einer neuen kurdisch-arabischen Grenzschutztruppe ist aus Sicht Russlands und des Iran der erste Schritt zur Aufteilung Syriens. Lawrow betonte, Russland hoffe darauf, dass die Kurden trotz des Streits mit der Türkei an der für kommende Woche in Sotschi geplanten Konferenz teilnehmen würden. "Die Rolle der Kurden sollte im weiteren politischen Prozess gewährleistet werden", sagte er.

Deutschland warnt vor "unkalkulierbaren Risiken", hält aber an Panzer-Deal fest
Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel warnte am Sonntag vor "unkalkulierbaren Risiken der militärischen Konfrontation". Beide Seiten hätten große Anstrengungen im Kampf gegen den Terror der radikalislamischen IS-Miliz unternommen und dabei große Opfer gebracht. Nach dem Erfolg gegen den IS brauche Syrien weitere Schritte hin zu Stabilität und Frieden. "Das Letzte, was Syrien braucht, sind weitere militärische Konfrontationen. Die Menschen dort leiden schon genug." Die Anstrengungen aller Beteiligten müssten endlich darauf abzielen, auf politischer Ebene Fortschritte zu erzielen, sagte Gabriel.

Sigmar Gabriel (Bild: AFP)
Sigmar Gabriel

Trotz der jüngsten Eskalation in Syrien will die deutsche Regierung aber offenbar seit Monaten auf Eis liegende Rüstungsdeals mit der Türkei wieder aufnehmen. Dabei geht es unter anderem um eine Modernisierung der Leopard-2-Panzer, die in Afrin ebenfalls zum Einsatz kommen. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Spiegel" drängt Gabriel seit einem Treffen mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu vor zwei Wochen darauf, "die Frage einer Genehmigung des Panzer-Upgrades auf die Tagesordnung der nächsten Runde der amtierenden Staatssekretäre über Rüstungsexporte zu setzen und diese dort wohlwollend zu prüfen".

Die deutsche Bundesregierung erteilt seit der Krise mit der Regierung in Ankara nur restriktiv Genehmigungen für Rüstungsexporte in die Türkei. Der größte Streitpunkt in dem Konflikt ist die Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel, der seit mehr als elf Monaten ohne Anklage in der Türkei im Gefängnis sitzt. Gabriel hatte dem "Spiegel" zu Monatsbeginn gesagt, bei der harten Haltung werde es bleiben, "solange der Fall Yücel nicht gelöst ist". Yücel selbst hatte in einem dpa-Interview mit Blick auf etwaige Rüstungsgeschäfte im Tausch gegen seine Freilassung betont: "Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung."

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