Nach dem Skandal rund um den Niederösterreich-Spitzenkandidaten der FPÖ, Udo Landbauer, und ein Liederbuch seiner früheren Burschenschaft Germania ist es am Donnerstag am Rande des Holocaust-Gedenkens in Wien zu einer Protestaktion gekommen. Die grünen Bundesräte David Stögmüller und Ewa Dziedzic hielten - in Anspielung auf die Causa - Plakate hoch. "Wenn Sie jetzt ganz unverhohlen wieder Nazi-Lieder johlen - Sage Nein!", war dort zu lesen. Bei der Veranstaltung waren Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sowie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) anwesend.
Stögmüller und Dziedzic hissten die Plakate mit der Song-Zeile des Liedermachers Konstantin Wecker nach Ende der Veranstaltung. Kritisiert wurde damit die Mitgliedschaft Landbauers in der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt, bei der jüngst ein 1997 neu aufgelegtes Liederbuch für Empörung und auch behördliche Ermittlungen sorgte. Neben rassistischen Liedern und Wehrmachts-Nostalgie enthält es einen Liedtext, in dem sich die Burschenschaft über den Holocaust und die Ermordung von Millionen Juden lustig macht ("Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million").
Strache verneinte die Frage, ob sein Erscheinen bei der Gedenkveranstaltung eine Reaktion auf die Causa Landbauer sein könnte. "All die Jahre - ich bin seit 13 Jahren, auch bevor ich in die Regierung eingetreten bin, im Parlament tätig - habe ich jedes Jahr die entsprechenden Gedenkveranstaltungen besucht. Warum soll ich das jetzt ändern?"
Bures: "Der aktuellen Diskussion geschuldet"
Gänzlich anders sah das die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ). Zum zahlreichen Erscheinen von Regierungsmitgliedern sagte sie: "Das ist der aktuellen Diskussion geschuldet, um offen zu sein." Die Diskussion um das Liedbuch zeige, dass es noch immer Menschen gebe, die den antifaschistischen Grundkonsens der Zweiten Republik "mit Füßen treten". Ähnlich kritische Worte fand NEOS-Klubchef Matthias Strolz, der es für "unpackbar" hält, dass man über ein derartiges Thema überhaupt diskutieren müsse. Das sei für ihn als Politiker "geradezu beschämend".
Bundeskanzler Kurz bedauerte wie schon zuvor Sobotka nach Ende der Veranstaltung das Fernbleiben der Kultusgemeinde: "Ich sehe das genauso wie der Nationalratspräsident", sagte der ÖVP-Chef. Gleichzeitig verwies er auf seine "sehr gute Zusammenarbeit" mit IKG-Präsident Oskar Deutsch. Zur Veranstaltung sagte Kurz, seine Generation sei wohl die letzte, die in der Schule noch mit Zeitzeugen sprechen konnte. Diese Erfahrung sei "schmerzhaft, aber wichtig" gewesen - und es sei eine besondere Verantwortung, die Erinnerung an die Opfer aufrechtzuerhalten.
Kultusgemeinde boykottierte Veranstaltung wegen FPÖ
Sobotka wollte die Veranstaltung von der Causa Landbauer nicht überschattet sehen, wie er nach Ende des Gedenkens betonte: "Das Gedenken darf durch die Tagespolitik nicht zugedeckt werden." Es sei aber jeder dazu aufgefordert, wachsam zu sein und jeder antisemitischen Tendenz entschieden entgegenzutreten. Sobotka würdigte zu Beginn der Veranstaltung im Palais Epstein mit "großem Respekt und Ehrfucht" die vier Überlebenden des Holocaust, die sich an diesem Abend für die Zeitzeugengespräche Zeit nahmen. Bedauern äußerte auch der Nationalratspräsident über das Fernbleiben der Israelitischen Kultusgemeinde, die im heurigen Gedenkjahr Gedenkveranstaltungen mit FPÖ-Beteiligung boykottiert.
Die vier Zeitzeugen, die sich seit einigen Jahren in Wien regelmäßig in einem Café zum Gedankenaustausch treffen, berichteten in teils berührenden Worten über die erlebten Gräuel während der NS-Herrschaft. Einer der Herren, von dessen Familie nur der Vater und sein Bruder das Konzentrationslager Auschwitz überlebt haben, erklärte, es sei ihm "die Kunst, das zu überleben", zuteil geworden. "Das israelische Volk lebt und hat die Hitlerzeit überlebt. Das ist mein persönlicher Sieg, dass ich die Faschisten, den Kommunismus und jeden -ismus überlebt habe und überleben werde", so Victor Klein in der von der Direktorin des jüdischen Museums, Danielle Spera, moderierten Gesprächsrunde.
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