SPÖ-Politiker-Skandal

„Er war doch immer vorbildlicher Familienvater“

Österreich
03.02.2018 10:00

Sechs Opfer soll ein SPÖ-Gemeinderat, der in seinem Haus in Niederösterreich NS-Relikte bunkerte, missbraucht haben. Unter ihnen seine beiden Enkeltöchter. Im Heimatort des Mitte-50-Jährigen will niemand an seine Schuld glauben: "Er war doch immer ein vorbildlicher Familienvater", heißt es dort.

Ein Dorf, irgendwo in Niederösterreich. Im Ortskern ein Mini-Supermarkt, eine Fleischhauerei, ein Wirtshaus. Straßen in alle Richtungen, Weggabelungen. Weit verstreut, inmitten von Feldern, ein paar Dutzend Einfamilienhäuser. In einem davon hat Ernst H. (Name geändert) seit Jahrzehnten gelebt.

In seinem Heimatort galt er als "besonders nett"
 Er, dieser Mann, der in seinem Heimatort als "besonders nett" gegolten hatte. Er, ein nach außen hin braver Familienvater, angestellt in einem staatlichen Betrieb und SPÖ-Gemeinderat. Und nein, keiner seiner Nachbarn will glauben, was jetzt in den Medien über ihn berichtet wird: dass er sich an Kindern vergangen haben und ein Fan von Adolf Hitler sein soll.

Die Liste der Anschuldigungen gegen den Mitte 50-Jährigen ist allerdings lang: Die Kripo ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts des schweren sexuellen Missbrauchs, der Ausnutzung eines Autoritätsverhältnisses, der Wiederbetätigung und des Besitzes unerlaubter Waffen. Hunderte Dolche, Revolver und Gewehre plus Munition sowie Uniformen und andere Relikte aus der NS-Zeit fanden Fahnder in seinem Keller, nachdem eine Lehrerin Anzeige gegen ihn erstattet hatte.

Am 25. Jänner waren zwei Schülerinnen zu ihr gekommen – sie sprachen damals weinend über abscheuliche Dinge, zu denen sie der Opa bzw. Nennonkel genötigt habe, bei "Spielnachmittagen" in seinem Haus. Vor der Polizei wiederholten die Jugendlichen ihre Schilderungen. In der Folge wurde eine weitere Enkelin des Mannes, die Schwester eines der mutmaßlichen Opfer, einvernommen. Auch sie erzählte bald über ähnliche Vorfälle.

(Bild: stock.adobe.com, krone.at-Grafik (Symbolbild))

Im Laufe der vergangenen Woche gaben dann noch drei mutmaßliche Opfer bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten zu Protokoll, als Minderjährige von dem Gemeinderat missbraucht worden zu sein. Tatzeitraum: ab den 1990er-Jahren.

NS-Utensilien: "Er machte nie Geheimnis aus seinem Hobby"
Der mittlerweile Inhaftierte bestreitet die ihm vorgeworfenen Verbrechen. Er wäre niemals dazu imstande, einem Kind Böses anzutun, beteuert er. Und dass seine angeblichen Opfer "irgendetwas missverstanden haben müssen" oder "negativ beeinflusst wurden". Die Anhäufung von NS-Utensilien in seinem Bungalow begründet er mit seiner "großen Sammelleidenschaft". "Der Ernst", so Freunde des Mitte 50-Jährigen, "machte nie ein Geheimnis aus seinem Hobby." Manchmal, bei Festen bei ihm daheim, habe er seine Gäste zu später Stunde hinabgeführt, in sein Reich, und stolz seine bedenklichen Besitztümer präsentiert, die er auf Flohmärkten und bei Auktionen erstanden hatte.

Was berichten Menschen aus seinem nahen Umfeld sonst über ihn? Fleißig habe er gearbeitet, in seinem Hauptberuf und in seiner politischen Funktion. Geholfen habe er anderen, oft und gerne, beim Hausbau und mit Sammelaktionen, "wenn einer von uns in Not geriet". Überhaupt, "stets hat er gute Laune verbreitet - sogar, nachdem er vor einem Jahr ziemlich krank wurde und fortan gesundheitlich angeschlagen blieb".

"Ich hatte nie Bedenken"
Eine Vorzeige-Ehe habe er immer geführt, seinen beiden Töchtern sei er ein vorbildlicher Vater gewesen, "und seine Enkelkinder liebte er ohnehin abgöttisch". Mitunter ganze Wochenenden waren sie bei ihm und seiner Frau, "sowieso sind bei den H.s jederzeit die Türen offen gewesen", für alle Kinder aus dem Dorf. Selbstgebackene Kekse hätten sie zu essen bekommen, "und Ernst beschäftigte sich viel mit ihnen". "Ich hatte nie Bedenken, wenn meine Kleinen zu ihm gingen", so eine Nachbarin.

(Bild: Juergen Radspieler, LPD Wien)

"Er wollte, dass wir auf seinem Schoß sitzen"
Die Kinder blicken zu Boden, wenn sie nun von ihrer Mutter gefragt werden, ob "drüben jemals komische Sachen passiert sind". "Nur, wenn er mit uns Türme baute. Wir mussten uns dann still auf seinen Schoß setzen, recht lang." Welche "Spiele" fanden in dem Haus noch statt? "Manchmal lagen wir alle zusammen im Bett und taten mit unseren Handys herum." Wurde auch fotografiert? Schweigen.

Die Ehefrau und die jüngere Tochter von Ernst H. sprechen von "Fantasievorwürfen gegen ihn". Anders sehen das die Eltern seiner beiden Enkelinnen: "Unsere Mädchen lügen nicht." Die Familie befindet sich in psychologischer Betreuung. "Das Geschehene ist für uns kaum verkraftbar", sagt der Vater. Bis zu dem Tag, als seine Kinder erstmals über die Übergriffe des Opas berichteten, "haben meine Frau und ich nichts von seinen fürchterlichen Taten geahnt. Denn sonst hätten wir ihn doch niemals auf unsere Töchter aufpassen lassen."

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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