Einigung bis Sonntag?
Deutscher Koalitionsmarathon auf der Zielgeraden
In Deutschland müssen sich nach der Einigung in der Migrationspolitik die potenziellen Koalitionäre von Union und SPD den letzten großen Streitpunkten zuwenden. Vor allem bei der Abschaffung der "Zwei-Klassen-Medizin" und von sachgrundlos befristeten Arbeitsverträgen stehen Lösungen noch aus. Am Samstag treffen sich Vertreter von CDU, CSU und SPD zunächst zu Verhandlungen über die Lösung verbliebener Konfliktpunkte.
Die Parteichefs Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) rechnen mit schwierigen Gesprächen. Ob es - wie vorgenommen - bis Sonntag eine endgültige Einigung gibt, ist offen. Verhandlungskreise erwarten eine Verlängerung. Montag und Dienstag sind als Puffertage festgelegt.
"Entscheidende Tage" für Deutschland
"Es gibt Themen, bei denen wir auseinander liegen", sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am späten Freitagabend. "Die entscheidenden Tage liegen jetzt vor uns." Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) sprach von "sehr guten" Ergebnissen. "Es liegt noch ein sehr schweres Stück Weg vor uns, aber wir machen es mit Optimismus." CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, man werde sich am Samstag Themen vornehmen, die nicht nur den Koalitionären wichtig sind, sondern vor allem den Bürgern. Dazu gehörten etwa Gemeinden und die Wohnungspolitik. Jeder sei bestrebt, es bis Sonntag zu schaffen, er könne aber nicht sagen, ob das klappe, so Scheuer.
Die drei Politiker äußerten sich nach der ersten Sitzung der großen Runde von 91 Unterhändlern. Diese räumten einen der letzten großen Streitpunkte in der Migrations- und Flüchtlingspolitik beiseite. Dabei ging es um die Auslegung eines Maximalwerts für die Zuwanderungszahlen. Laut SPD-Vize Ralf Stegner sei der Dissens beendet, es bleibe bei den Formulierungen aus dem Sondierungspapier.
Verzicht auf "irreführende Öffentlichkeitsarbeit"
Im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe "Migration und Integration" heißt es nun wie im Sondierungspapier, Union und SPD stellten fest, dass die Zuwanderungszahlen "die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden". Die SPD wollte diesen Passus zuletzt ein wenig anders formuliert haben. Die Sozialdemokraten legen Wert darauf, dass das eine beschreibende Formulierung ist und keine "Obergrenze". Eine solche Grenze habe die SPD nicht akzeptiert, sagte Stegner. Das Asylrecht werde nicht begrenzt. Die Unionsführung habe nun zugesagt, auf "irreführende Öffentlichkeitsarbeit" zu verzichten.
Einigen konnten sich die Parteien noch in weiteren Punkten, etwa bei der Unterstützung von Familien. Eingeführt werden sollen unter anderem Gutscheine für Haushaltshilfen. Für Mieter soll es einen besseren Schutz davor geben, über teure Sanierungen aus der Wohnung gedrängt zu werden. Auch der Verbraucherschutz bei digitalen Angeboten soll erweitert werden. Bei Buchungs- und Vergleichsplattformen solle mehr Transparenz geschaffen werden. Algorithmen, nach denen viele Internetdienste funktionieren, sollen überprüfbar gemacht werden - etwa mit Blick auf Benachteiligungen unterschiedlicher Nutzer.
SPD-Basis muss Koalitionsvertrag noch absegnen
Nach milliardenschweren Verständigungen bei Bildung und Pensionen kamen die Unterhändler zudem in der Wirtschafts-, Gesundheits-, Verkehrs- und Innenpolitik voran. Sollten Union und SPD zueinanderfinden, muss noch die SPD-Basis über den Koalitionsvertrag abstimmen.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, rief die Sozialdemokraten zu Kompromissbereitschaft auf. Aufgabe der Gewerkschaften sei es, im Arbeitnehmerinteresse Einfluss zu nehmen, sagte Bsirske den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. Das Sondierungsergebnis habe Schwächen, aber es enthalte auch viele Punkte, die positiv seien und nicht ignoriert werden dürften.
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