„Fahren gegen Wand“

Gangbetten-Statistik: So wird getrickst

Österreich
08.02.2018 06:00

Beim Wiener Gangbetten-Gipfel in der Vorwoche wurden Zahlen präsentiert, die denken ließen: alles halb so schlimm. So liegen etwa im Wilhelminenspital nur 0,27 Prozent der Patienten länger als zwölf Stunden auf den Fluren. Doch Personalvertreter Heinrich Schneider zweifelt diese Statistiken an, er ortet eine Trickserei.

Die von Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) und dem Krankenanstaltenverbund (KAV) präsentierte Statistik beschreibt Gangbetten als ein seltenes Randphänomen. Quasi gangbettenfrei wären demnach das Kaiser-Franz-Josef-Spital und Hietzing - nur 0,01 Prozent aller Patienten werden länger als zwölf Stunden auf die Flure verfrachtet. Und da ist schon die Zauberformel versteckt: "länger als zwölf Stunden". "Was darunter stattfindet, wird nicht in dieser Statistik vermerkt", so Heinrich Schneider vom Wilhelminenspital.

Personalvertreter Heinrich Schneider (Bild: Peter Tomschi)
Personalvertreter Heinrich Schneider

Laut seinen Erfahrungen wird alles versucht, um zu verhindern, dass Patienten von dieser Zwölf-Stunden-Statistik erfasst werden. Heißt: Wer etwa elf Stunden und 59 Minuten in einem Gangbett liegt, wird nicht speziell registriert. "Um das zu erreichen, bedarf es enormer Kraftanstrengungen", erklärt Schneider. "Pflegepersonal, Ärzte, Krankenträger, alle sollen vermeiden, dass ein Patient doch noch in diese Statistik fällt." So liegen Patienten oft über Nacht auf dem Gang, erhalten am Vormittag rasch noch ein Zimmer - und tauchen nicht in dieser Erfassung auf.

Auch auf Nachfrage keine Unter-Zwölf-Stunden-Auswertung
Und tatsächlich: Auch auf Anfrage gibt es vom KAV für die "Krone" keine Unter-Zwölf-Stunden-Auswertung. Dort heißt es: "Die Zahl der temporären Überbelagsbetten kann in halbstündiger Genauigkeit ausgewiesen werden. Sollte ein Patient in einem Gangbett liegen, wird er so rasch wie möglich in ein Zimmer verlegt."

SPÖ-Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (ganz re.) gemeinsam mit Direktoren der Wiener Spitäler (Bild: Martin A. Jöchl)
SPÖ-Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger (ganz re.) gemeinsam mit Direktoren der Wiener Spitäler

Der Stadtrechnungshof kritisierte, wie berichtet, die Gangbetten-Situation massiv. Da war auch zu lesen: "Erst durch das gegen Ende des Betrachtungszeitraumes entwickelte Gangbetten-Tool konnten Voraussetzungen für entsprechende Evaluierungen geschaffen werden. Im Zusammenhang mit diesen Neuerungen wurde ein Handlungsbedarf ab einer Aufenthaltsdauer von zwölf Stunden am Gang genannt und 24 Stunden als Grenze der Tolerierbarkeit kommuniziert."

"Wir fahren eindeutig gegen die Wand"
Demnach gab es im April in den städtischen Kliniken 210 Gangbetten in der Zeitspanne von zwölf bis 24 Stunden und 90 Gangbetten in der Spanne von 24 Stunden plus. Schneiders Warnung: "Wir fahren hier eindeutig gegen die Wand."

Michael Pommer, Kronen Zeitung

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