Offene Nachschubrouten
Assads stillschweigende Unterstützung der Kurden
Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Diese Devise spielt in Syrien seit nunmehr fast sieben Jahren eine wichtige Rolle für die andauernd wechselnden Allianzen zwischen den unterschiedlichsten Konfliktparteien und ihren Stellvertretern. In den vergangenen Wochen sind wieder neue Fronten entstanden. Mit der türkischen Offensive in der nordsyrischen Region Afrin droht sogar eine militärische Konfrontation mit dem NATO-Partner USA, welcher wiederum die Kurdenmiliz YPG unterstützt. Dass nun Syriens Präsident Bashar al-Assad die kurdischen Kämpfer indirekt unterstüzt, indem seine Truppen wichtige Nachschubwege der Kurden offen halten, bringt wiederum Washington in Bedrängnis - vor allem dann, wenn Assads bisher stillschweigende Unterstützung der Kurden aktiver werden sollte.
Sowohl die Kurden als auch die syrische Führung wollen verhindern, dass die Türkei ihren Einflussbereich ausdehnt. Assad schickt aber trotz des Hilferufs der bedrängten Kurden keine Truppen, um ihnen zu helfen. Lediglich Drohungen in Richtung Ankara wegen der "illegalen Aggression auf unserem Territorium" waren bisher zu vernehmen. Die momentane Strategie Assads ist eine stillschweigende Kooperation. Damaskus duldet, dass die Kurden Kämpfer und Nachschub nach Afrin durch Gebiete holen können, die von Regierungstruppen kontrolliert werden. So ließen die Soldaten Hunderte Kämpfer aus dem überwiegend von Kurden bewohnten Stadtviertel Scheich Maksud in Aleppo nach Afrin passieren. Assad kann so viel gewinnen, ohne selbst etwas einzusetzen.
Getreide und Öl als Druckmittel der Kurden
"Es gibt verschiedene Wege, Verstärkung nach Afrin zu bekommen, aber die wichtigste Route führt durch Gebiete der Regierungstruppen", sagt Kino Gabriel, ein Sprecher der von den Kurden dominierten Syrischen Demokratischen Streitkräfte (SDF). Darüber gebe es zwischen beiden Seiten eine Verständigung. Ein Kommandant der Gegenseite bestätigt dies: "Das syrische Regime hilft den Kurden mit humanitärer Unterstützung und Logistik - etwa indem es wegschaut und kurdischen Nachschub für die Front durchlässt." In Kurden-Kreisen heißt es, man habe aber auch ein Druckmittel, denn die Regierung sei auf sie angewiesen, um Getreide und Öl aus Regionen im Nordosten des Landes zu erhalten, die unter kurdischer Kontrolle stehen.
Bis auf einen rund 100 Kilometer breiten Korridor kontrolliert die YPG das Grenzgebiet zur Türkei, die die Kurdenmiliz als Ableger der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK bekämpft. Die meiste Zeit des fast siebenjährigen Krieges kam es zu keiner direkten Konfrontation zwischen der syrischen Armee und der YPG. Allerdings griffen jüngst regierungstreue Milizen die SDF in der östlichen Provinz Deir ez-Zor an. Dies wiederum hatte einen massive Reaktion der US-geführten Anti-IS-Koalition zur Folge. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Zwischenfälle auf die kurdisch-syrische "Allianz" auswirken werden, zumal ja Assad im Vorjahr in mehreren Interviews angekündigt hatte, "die Kontrolle über jeden Winkel des Territoriums zurückzuerlangen". Diesem Plan stehen die Autonomiebestrebungen der Kurden naturgemäß im Weg.
Peschmerga, PKK und YPG: Wer hilft wem, wer kämpft gegen wen?
Die Befürchtung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass kurdische Peschmerga-Kämpfer, also reguläre Truppen der Autonomieregierung im Nordirak, von dort aus die YPG unterstützen - weshalb der türkische Präsident auch schon mehrmals gedroht hat, seine Offensive weiter Richtung Osten bis an die syrisch-irakische Grenze auszudehnen -, halten Experten für wenig realistisch. In diesem Zusammenhang wird auf die tiefe Feindschaft zwischen der Kurdenregierung im nordirakischen Erbil und der PKK, die wiederum die YPG unterstützt, verwiesen.
"Die Chance, dass die Kurdenregierung der PKK offiziell Waffen zukommen lässt, ist gleich null", sagt Francis O'Connor von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. "Es gibt keine Beziehung zwischen den Peschmerga und der PKK. Sie haben in den 90er-Jahren ein paarmal gegeneinander gekämpft, und obwohl es seither kaum noch zu offenen Feindseligkeiten gekommen ist, sind sie weiter erbitterte Gegner." Dabei hätten die Peschmerga wichtige Waffen wie die deutsche Milan-Panzerabwehrrakete. Diese wäre gerade gegen den Kampfpanzer Leopard 2 hilfreich, den die Türkei bei ihrer Offensive nutzt.
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