Nach einem Jahr Haft
Yücel überglücklich: „Ich bin unter Freunden“
Der nach etwas mehr als einem Jahr aus türkischer Haft entlassene Journalist Deniz Yücel genießt sein Leben in Freiheit. Am Samstag gab der türkischstämmige Deutsche auf Twitter bekannt, dass er "nicht in Deutschland", aber "unter Freunden" sei. Dazu postete er ein Foto von sich und neun anderen Personen. Yücel bezeichnete die Türkei indes als "Willkürstaat" und erklärte, dass er immer noch nicht wisse, warum er "vor einem Jahr als Geisel genommen" und nun wieder freigelassen wurde.
Der 44-Jährige landete nach seiner Freilassung in Istanbul am späten Freitagabend in Berlin. Einen Tag später hatte er Deutschland seinem Tweet zufolge schon wieder verlassen. Wo er sich aufhält, ist aktuell nicht bekannt.
Das dürfte ihm und seinem Umfeld auch nur allzu recht sein. "Welt"-Chefredakteur Ulf Poschardt rief nach zahlreichen Anfragen anderer Journalisten dazu auf, Yücel seine Ruhe zu lassen. Er twitterte: "Deniz geht es gut, er genießt sein Leben in Freiheit, wir lassen ihn in Ruhe. Einverstanden?"
"Weiß nicht, warum ich als Geisel genommen wurde"
Yücel selbst äußerte sich über die Zeit im Gefängnis: "Ich weiß immer noch nicht, warum ich vor einem Jahr verhaftet wurde, genauer, warum ich vor einem Jahr als Geisel genommen wurde. Und ich weiß auch nicht, warum ich heute freigelassen wurde." Und setzt hinzu, eigentlich wisse er das doch ganz genau: "So wie meine Verhaftung nichts mit Recht und Gesetz (...) zu tun hat, hat auch meine Freilassung nichts mit all' dem zu tun." Sein Fazit: "Natürlich freue ich mich. Aber es bleibt etwas Bitteres zurück."
Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei waren schon nach dem Putschversuch in der Türkei 2016 in eine schwere Krise gestürzt. Ankara verhängte den Ausnahmezustand, rief "Säuberungen" aus und inhaftierte seitdem mehr als 50 000 Menschen. Der größte Streitpunkt mit Berlin war aber zuletzt die Verhaftung Yücels im Februar 2017.
Hochzeit im Gefängnis
Am Freitag wurde der Journalist plötzlich aus der Haft entlassen, seine Ehefrau Dilek Mayatürk Yücel schloss ihn noch am Gefängnistor in ihre Arme. Die beiden hatten im April 2017 im Gefängnis in Silivri westlich von Istanbul geheiratet.
Die türkische Staatsanwaltschaft wirft Yücel weiter Terrorunterstützung und Volksverhetzung vor und fordert zwischen vier und 18 Jahren Haft. Der Journalist und die deutsche Bundesregierung wiesen die Vorwürfe als absurd zurück.
Sonderpreis für Yücel und seine Unterstützer
Yücel und sein Unterstützerkreis #FreeDeniz erhalten am Montagabend bei der Auszeichnung "Journalist des Jahres" einen Sonderpreis. Die Auszeichnung wird in Berlin verliehen. Die Jury hatte ihre Entscheidung bereits im Dezember bekannt gegeben. Zur Begründung für die Auszeichnung an Yücel und den Freundes- und Unterstützerkreis #FreeDeniz teilte die Jury der Branchenzeitschrift "medium magazin" mit, sie wolle damit den beharrlichen Kampf für das Recht auf freie Meinungsäußerung und für die vollständige Freilassung der in der Türkei zu Unrecht inhaftierten Kollegen und Kolleginnen würdigen.
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