Viele Wiener haben viel und lang gearbeitet und können sich nun kaum das Nötigste leisten. Einrichtungen wie die Sozialmärkte helfen, die kleine Haushaltskasse zu schonen. Die "Krone" war vor Ort.
Mit zwei Krücken plagt sich Frau Frida (Name von der Redaktion geändert) in den Sozialmarkt mitten in einer Wohnsiedlung in der Donaustadt. "Frau Frida, schön, dass Sie uns wieder besuchen!" Mit diesen herzlichen Worten wird die 75-Jährige von der Verkäuferin begrüßt. Sie steht bereits mit einem Einkaufswagerl für die Dame parat und stellt ihr die zwei Krücken zur Seite, denn die braucht sie beim Einkaufen nicht. "Das ist unser Ritual, wenn Frau Frida bei uns einkaufen kommt", erklärt die Verkäuferin mit einem Lächeln.
Kunden kaufen oft mit Schamgefühl ein
"Milch, Brot und Wurst landen bei mir immer im Wagerl", zählt die Betagte auf und ergänzt: "also Grundnahrungsmittel". Auf die Frage, mit wie viel Geld sie auskommen muss, reagiert Frau Frida mit Scham: "Ich bekomme nur Ausgleichszulage." Dass sich Kunden schämen, in einem Sozialmarkt einkaufen zu gehen, erlebt Alexander Schiel, Leiter der Märkte, täglich. "Vor allem Pensionisten haben Angst, dass sie von einem Bekannten gesehen werden", spricht Schiel offen aus. Viele haben ihr Leben lang gearbeitet, müssen dann trotzdem am Ende mit wenig Geld über die Runden kommen und sind gezwungen, Aktionen von sozialen Einrichtungen anzunehmen – für viele ein Zeichen des eigenen Scheiterns.
Auch Frau Kellner ist von den niedrigen Preisen des Sozialmarkts abhängig. Jahrzehntelang war sie Taxifahrerin in Wien, doch ihr damaliger Chef hielt es nicht für notwendig, seine Mitarbeiter anzumelden. Nun muss die 79-jährige Frau seine Suppe auslöffeln. "Ich bin so froh, dass es den Sozialmarkt gibt, ohne diese Möglichkeit könnte ich mir sehr vieles nicht mehr leisten", erklärt Frau Kellner im "Krone"-Gespräch.
Alexander Schiel kauft sein Sortiment zu. "Daher stehen bei uns auch fast nur Markenprodukte in großen Mengen, die ich dann stark verbilligt weiterverkaufe", erklärt Schiel im "Krone"-Interview (siehe unten). Aber er ist auch von der sozialen Ader anderer abhängig, denn ohne seine ehrenamtlichen Mitarbeiter könnte er seine drei Märkte gar nicht führen. Viele waren selbst Kunden dort, so wie Gerhard Kaiser, der zweimal in der Woche dort arbeitet.
200.000 Wiener haben weniger als 1104 Euro
Mehr als 45.000 Wiener sind berechtigt, mit der ausgestellten Einkaufskarte in einem der drei Märkte Lebensmittel und Kleidung zu kaufen. Dabei würden aber 200.000 Bewohner die Kriterien erfüllen, da sie weniger als 1104 Euro im Monat zur Verfügung zu haben.
"Auch Studenten sind willkommen"
"Krone": Herr Schiel, vor zehn Jahren haben Sie sich entschlossen, Ihren Beruf bei der Wiener Börse aufzugeben und einen Sozialmarkt zu eröffnet. Woher kam dieser gewagte Schritt?
Alexander Schiel: Meine Mutter hat ihr Leben lang gearbeitet und war dann Mindestpensionistin und musste mit wenig Geld auskommen. Da ist mir dann die Idee vom Sozialmarkt gekommen.
Mittlerweile leiten Sie drei Sozialmärkte in Wien – und die Regale sind reichlich gefüllt. Woher beziehen Sie Ihre Produkte?
Ich bin der einzige Sozialmarkt, der Waren ankauft. Daher stehen bei uns auch fast nur Markenprodukte, die ich dann stark verbilligt weiterverkaufe. Den Gewinn investiere ich dann wieder in neue Produkte.
Erhalten Sie auch Spenden oder finanzielle Unterstützung aus öffentlicher Hand?
Meinen ersten Sozialmarkt finanzierte ich mit meiner Abfertigung, und seit fünf Jahren unterstützt uns die Firma Glock. Dafür werde ich auch immer wieder kritisiert.
Wieso dürfen bei Ihnen auch Studenten einkaufen?
Erstens sparen sie sich so Geld, müssen keinen Nebenjob annehmen, sind schneller im Studium und können bald zum Arbeiten anfangen, und zweitens kaufen sie generell nur wenig ein und haben wenig Geld zur Verfügung.
Gibt es auch unverschämte Kunden, die ihren Einkaufswagen vollpacken?
Klar, auch das kommt vor. Aber unsere Mitarbeiter schauen schon drauf, dass jeder etwas bekommt. Aber was mich mehr stört, ist, wenn Kunden nicht "Bitte" oder "Danke" sagen können.
Daten und Fakten
Kathi Pirker, Kronen Zeitung
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