Die türkis-blaue Regierung hat am Mittwoch im Ministerrat ihr großes "Sicherheitspaket" auf Schiene gebracht. Die Gesetzesvorhaben sehen unter anderem eine verstärkte Videoüberwachung im öffentlichen Raum und im Straßenverkehr, die Überwachung von Internet-Kommunikation durch staatliche Spionagesoftware, einen Neuanlauf zur Vorratsdatenspeicherung sowie die Registrierung von Prepaid-Handy-Karten vor.
Die meisten Maßnahmen wollte die ÖVP schon in der vergangenen Legislaturperiode umsetzen, was aber am Widerstand des damaligen Koalitionspartners SPÖ scheiterte. Mit der FPÖ gibt es nun einen neuen Anlauf. Das Paket wurde im Ministerrat befristet für fünf Jahre beschlossen und soll nach drei Jahren evaluiert werden.
Regierung hofft auf baldigen Beschluss im Parlament
Wie das Justizministerium am Mittwochabend mitteilte, erfolge keine weitere Begutachtung des Pakets, da es schon unter der vorigen Regierung in Begutachtung geschickt worden war. Man habe die vorliegenden Stellungnahmen sowie Expertenmeinungen einfließen lassen und das Paket entsprechend adaptiert. Es wird nun in den Nationalrat eingebracht und soll nach dem Wunsch der Regierung möglichst noch im ersten Halbjahr 2018 im Parlament beschlossen werden. Der Großteil der Maßnahmen soll mit 1. Juni in Kraft treten. Erst später - wegen notwendiger Vorbereitungsmaßnahmen - soll die Überwachung der verschlüsselten Nachrichten starten, voraussichtlich im Jahr 2020.
WhatsApp-Überwachung per "Bundestrojaner"
Erster Kernpunkt des Maßnahmenbündels ist die Überwachung von Messenger-Diensten wie WhatsApp und Skype durch die "Remote-Installation eines Programms auf einem Computersystem" (Stichwort: "Bundestrojaner"). Das soll zur Anwendung kommen bei mutmaßlichen Straftaten mit einer Strafobergrenze von mehr als zehn Jahren, bei Verdacht auf terroristische Straftaten sowie bei Straftaten mit einer Strafobergrenze von mehr als fünf Jahren, wenn Leib und Leben und/oder die sexuelle Integrität gefährdet sind.
Anlassbezogene Datenspeicherung geplant
Als Ersatz für die von Höchstgerichten in Europa aufgehobene Vorratsdatenspeicherung soll eine anlassbezogene Datenspeicherung in Verdachtsfällen kommen. Konkret ist das sogenannte Quick-freeze bei Vorliegen eines Anfangsverdachts auf bestimmte gerichtlich strafbare Handlungen vorgesehen. Telekommunikationsfirmen können demnach beim Verdacht einer Straftat von den Behörden angewiesen werden, Daten zu speichern - und zwar bis zu zwölf Monate lang. Sollte sich der Anfangsverdacht nicht erhärten, soll die Anordnung zur Datenspeicherung außer Kraft treten und der Verdächtige über den Vorgang informieren werden müssen.
Behördenzugriff auf Audio- und Videoüberwachung
Weiters soll die optische und akustische Überwachung von Personen ausgeweitert werden. Die Behörden sollten Zugriff auf die Video- und Tonüberwachung aller öffentlichen und privaten Einrichtungen, denen ein öffentlicher Versorgungsauftrag zukommt (Verkehrsbetriebe, Flughäfen, Bahnhöfe), bekommen. Für die Aufnahmen soll eine vierwöchige Speicherpflicht gelten. Damit gibt es eine zentrale staatliche Kontrolle aller öffentlichen Plätze und des dortigen Lebens.
Ausgebaut werden sollen "Kennzeichenerkennungssysteme". Damit sollen auf den Straßen bei jedem Auto der Lenker, das Kennzeichen sowie Marke, Typ und Farbe erfasst werden. Freiwillig von Privaten überlassene Bild- und Videodaten sollen für alle sicherheitspolizeilichen Zwecke verwendet werden dürfen.
Handy-Ortung mit IMSI-Catchern
Ebenfalls geregelt wird der Einsatz von IMSI-Catchern. Diese Geräte verhalten sich gegenüber dem Mobiltelefon wie eine Funkzelle (Basisstation). So ist es möglich, Handys ohne Mitwirkung des jeweiligen Netzbetreibers zu lokalisieren. Gesprächsinhalte sollen allerdings nicht abgehört werden, was Kritiker befürchteten. Anonyme Prepaid-Karten sollen der Vergangenheit angehören. Ab 2019 soll jeder Kauf einer SIM-Karte mit der Registrierung der Identität einhergehen.
Briefgeheimnis soll gelockert werden
Vorgesehen ist weiters eine Lockerung des Briefgeheimnisses. Die Beschlagnahmung von Briefen ist zulässig, wenn sie zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen Straftat, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, erforderlich ist. Bisher war die Voraussetzung, dass der Beschuldigte wegen einer vorsätzlichen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Tat in Haft ist oder eine Vorführung oder Festnahme deswegen angeordnet wurde. Argumentiert wird das mit der Bekämpfung des Handels mit im sogenannten Darknet angebotenen Suchtmitteln, der zunehmend über Versand von Briefen stattfinde.
Im Paket ebenfalls vorgesehen ist, dass Polizeieinsätze, die vorsätzlich oder mutwillig falsch ausgelöst wurden, künftig vom Verursacher zu bezahlen sind.
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