Druck auf Osteuropa
Merkel: EU-Gelder an Flüchtlingsaufnahme knüpfen
In der Europäischen Union gehören die Finanzen und die Flüchtlingspolitik zu den heikelsten Streitthemen. Vor dem EU-Gipfel schlägt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel nun zwischen beiden eine Brücke - und dürfte einige Aufregung auslösen. Sie will nämlich die Verteilung von Geldern in der EU an neue Bedingungen knüpfen. Berücksichtigt werden soll das Engagement bei der Aufnahme von Flüchtlingen ebenso wie die Einhaltung europäischer Werte, sagte die CDU-Chefin am Donnerstag im Bundestag mit Blick auf den EU-Sondergipfel am Freitag in Brüssel.
Dort beraten die Staats- und Regierungschefs erstmals über die Finanzen, Aufgaben und Schwerpunkte der EU nach dem Austritt Großbritanniens 2019. Dies gilt aus Auftakt einer äußerst schwierigen Debatte über den mittelfristigen EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027, die sich bis weit ins nächste Jahr ziehen dürfte.
EU-Budget: Druck auf osteuropäische Staaten wächst
Die von Merkel genannten Bedingungen für die künftige Auszahlung aus den milliardenschweren EU-Hilfsfonds könnten vor allem Länder wie Polen oder Ungarn unter Druck setzen, die sich gegen die Umverteilung von Flüchtlingen in der EU wehren. Gegen Polen läuft zudem ein Verfahren wegen Gefährdung von EU-Grundwerten. Merkel sagte, die Verteilungskriterien für EU-Mittel sollten "künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Migranten widerspiegeln".
Merkel: "Asylsystem muss krisenfest und solidarisch sein"
Das europäische Asylsystem müsse "krisenfest und endlich auch solidarisch sein, gerade auch was die faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU angeht". Weniger entwickelte Regionen bräuchten nach wie vor Unterstützung. Doch sei Solidarität keine Einbahnstraße: "Es obliegt allen Mitgliedsstaaten, die Verantwortung für das Ganze nie aus dem Blick zu verlieren. Dazu gehört selbstverständlich auch die Wahrung unserer gemeinsamen europäischen Werte."
Brexit reißt Lücke von bis zu 14 Milliarden Euro ins Budget
Der EU-Austritt Großbritanniens sei auch die Chance, die Finanzen der Gemeinschaft insgesamt auf den Prüfstand zu stellen, sagte Merkel weiter. Der für März 2019 geplante Brexit reißt eine Lücke von bis zu 14 Milliarden Euro ins EU-Budget. Hinzu kommen neue Aufgaben wie Grenzsicherung, die Bekämpfung von Fluchtursachen oder Verteidigung. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag zusätzliche Mittel aus Deutschland in Aussicht gestellt.
AfD: "Merkels Signal ist politische Erpressung"
Sowohl diese Ankündigung als auch Merkels Signal an die östlichen EU-Partner stießen bei der AfD im Bundestag auf scharfen Protest. Fraktionschef Alexander Gauland nannte Merkels Vorstoß zur Flüchtlingsaufnahme "politische Erpressung". Co-Fraktionschefin Alice Weidel monierte, zusätzliches Geld für Brüssel flösse nur an "überbezahlte EU-Bürokraten, von denen es ohnehin viel zu viele gibt". Die übrigen Bundestagsparteien teilen die Grundsatzkritik an der EU nicht, fordern aber zum Teil neue Schwerpunkte.
Juncker: "Müssen uns zuerst über die Prioritäten einigen"
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker fasste die Diskussionen in einer Rede am Donnerstag so zusammen: "Bei der Zukunft des EU-Haushalts gibt es die Länder, die nicht mehr zahlen wollen, und jene, die nicht weniger bekommen wollen. Zuerst müssen wir uns über die Prioritäten einigen, dann können über Zahlen reden."
Durch Brexit wird EU-Parlament auf 705 Abgeordnete verkleinert
Beschlüsse oder Vorfestlegungen für die Finanzplanung werden vom Gipfel noch nicht erwartet. Das gilt auch für das zweite große Gipfelthema, nämlich die Auswahl des nächsten EU-Kommissionspräsidenten nach der Europawahl im Mai 2019. Das Europaparlament beschloss kürzlich, nur einen Kandidaten zu bestätigen, der vorher bei der Europawahl als Spitzenkandidat einer Partei angetreten ist. Der Rat der Mitgliedsländer lehnt aber einen "Automatismus" mehrheitlich ab. Einigkeit besteht wohl zumindest darüber, das Europaparlament nach dem Brexit von heute 751 auf 705 Abgeordnete zu verkleinern. Merkel sagte, für diesen Vorschlag erwarte sie breite Unterstützung der Staats- und Regierungschefs.
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