Unbegrenzte Amtszeit
Chinas Staatschef macht sich zum Alleinherrscher
Mit der bedeutendsten Änderung der chinesischen Führungsstruktur seit über 30 Jahren hat jetzt die Sitzung der Führung der Kommunistischen Partei geendet: Stimmt der Volkskongress zu, wird es nun unbegrenzte Amtszeiten des Staatschefs geben und seine Lehren kommen in die Verfassung. Präsident Xi Jinping würde sich somit über das Jahr 2023 hinaus an der Macht halten.
Mit der Änderung seiner Verfassung will China den Weg für eine längere Amtszeit des Präsidenten Xi Jinping frei machen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Sonntag berichtete, schlug das Zentralkomitee der Partei (ZK) vor, eine Formulierung aus der Verfassung zu streichen, wonach der Präsident und sein Vize "nicht länger als zwei Amtszeiten", also maximal zehn Jahre, im Amt bleiben dürfen. Wird der Vorschlag vom Volkskongress gebilligt, könnte Xi Jinping auch nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit in fünf Jahren Präsident bleiben. Der Volkskongress beginnt bereits am 5. März in Peking.
Mächtigster chinesischer Führer seit Mao Tsetung
Beobachter gehen schon länger davon aus, dass Xi Jinping die Fäden in China noch lange in der Hand behalten will. Seit dem Staatsgründer und "großen Steuermann" Mao Tsetung hatte kein chinesischer Führer eine vergleichbar starke politische und ideologische Stellung wie er.
Seine Machtfülle unterstrich der Präsident zuletzt auf dem wichtigen Parteikongress im Oktober, wo die Delegierten "Xi Jinpings Gedankengut für die neue Ära des Sozialismus chinesischer Prägung" in die Statuten der Partei aufnahmen, womit laut chinesischer Experten Kritik am Präsidenten nun praktisch unmöglich sei.
Auch Personalentscheidungen auf dem Parteikongress deuteten bereits an, dass Xi Jinping länger im Amt bleiben will. Unter den fünf neuen Mitgliedern im mächtigen Ständigen Ausschuss des Politbüros war kein potenzieller Nachfolger zu finden, den Xi Jinping aufbauen könnte. Die Männer seiner Wahl scheinen alle zu alt, um ihn nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit zu beerben.
Leitgedanken Xi Jinpings sollen in die Landesverfassung
Das Zentralkomitee schlug am Sonntag zudem vor, die zuvor bereits in die Parteistatuten aufgenommenen Leitgedanken Xi Jinpings auch in die Landesverfassung aufzunehmen. Xi Jinping machte derweil deutlich, wie wichtig die Verfassung für China sei. "Keine Organisation oder Person hat das Recht, die Verfassung oder das Gesetz zu überschreiten. Jedes Verhalten, das gegen die Verfassung oder das Gesetz verstößt, muss bestraft werden", sagte Xi Jinping laut Xinhua am Sonntag vor dem Gremium.
In seinen ersten fünf Jahren im Amt als Staats- und Parteichef hat Xi Jinping das Land seit 2013 verändert. Pragmatismus und Wirtschaftsreformen spielen laut Beobachter nicht mehr so eine große Rolle, dafür Linientreue, Staatswirtschaft und die Vorherrschaft der Kommunistischen Partei. Sein Kampf gegen Korruption richtet sich nicht nur gegen bestechliche Funktionäre, sondern dient auch dazu, politische Gegner auszuschalten. Chinesische Beobachter warnen vor einem gefährlichen autokratischen Regierungsstil. Der 64-Jährige hat das bisherige "kollektive Führungsmodell" mit verschiedenen Fraktionen und Interessengruppen beseitigt und besetzt immer mehr wichtige Positionen mit seinen Gefolgsleuten.
Rückkehr zum Konfuzianismus – Gastkommentar von Gerd Kaminski
Eine alleinige Hebung von Xi Jinpings Gedanken auf Verfassungsniveau würde an die Kulturrevolution erinnern, als man Mao konstitutionell zum "Genie" erklären wollte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Schon bisher waren die Gedanken von früheren Parteivorsitzenden in der Präambel der chinesischen Verfassung enthalten.
Zweifellos wird seine Position dadurch weiter gestärkt. Noch im größeren Maße dadurch, dass der Staatspräsident und sein Stellvertreter mehr als zwei Perioden im Amt bleiben können. Diese Konzentration auf die Spitze ist neu.
Sie ist aber im Spiegel der chinesischen Geschichte nicht außergewöhnlich. Sun Yatsen, der Vater der chinesischen Republik, fühlte sich nach eigenen Worten als Nachfolger des autoritätsgläubigen Konfuzius. Zu dem westlichen Freiheitsideal meinte er: "Auf keinen Fall dürfen wir dem Individuum mehr Freiheit geben. Lasst uns stattdessen die Freiheit der Nation sichern."
Als "Großer Steuermann" wurde Mao während der Kulturrevolution bezeichnet. Diese Titulierung hat Xi Jinping bis jetzt abgelehnt, lässt sich aber gerne als "Vater Xi" und seine Frau als "Mutter" bezeichnen. Damit greift er auf konfuzianisches patriarchalisches Autoritätsdenken zurück.
Kein Politiker der Chinas vor ihm hat im gleichen Maße den Konfuzianismus, die traditionellen chinesischen Werte und einen von den Demütigungen Chinas im 19. und 20. Jahrhundert genährten Nationalismus den westlichen Werten gegenübergestellt. Die "Demokratiesalons" des China der Achtzigerjahre, in welchen westliche Demokratie zum Vorbild genommen wurde, sind nicht mehr in Mode.
Die "Thinktanks" von heute, welche Xi's Machtaufstieg vorbereiteten, in dem sie meinten, die Blockierungen im Politpräsidium müssten durch die Entscheidungen eines starken Mannes saniert werden, bestehen zum größten Teil aus Leuten, die im Westen Gastprofessuren haben und unsere Demokratie gut kennen. Dennoch bekennen sie sich statt zur westlichen Demokratie, zum traditionellen chinesischen System.
Die Chinesen denken wettbewerbsorientiert und prestigeorientiert. Man meint, Xi habe China "Gesicht" gegeben. Dementsprechend sind Reaktionen der Bürger meist positiv, oder gar enthusiastisch.
In den Netzwerken von WeChat reichen die Reaktionen von "rasch!", über "10000 Jahre!", "Putin bewundert Xi!", bis zum Beitrag des Mitglieds einer chinesischen Bildungsinstitution in Wien: "Unser Land hat Hoffnung!". Ein hoher chinesischer Würdenträger hat einmal zum Autor gesagt: "Große Hoffnungen gibt es nicht oft, aber kleine gibt es immer."
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