Wegen Überschreitung der Stickoxid-Werte in gut 70 Städten hat das deutsche Bundesverwaltungsgericht Fahrverbote für ältere Diesel-Pkw erlaubt. Im Herbst wollen Hamburg, Stuttgart und andere Städte Maßnahmen setzen. In Österreich hat die Politik dies vorerst ausgeschlossen, der Druck auf Nachrüstungen steigt aber.
In Österreich sind derzeit 2,77 Millionen Dieselautos unterwegs, 2,44 Millionen davon haben noch nicht die beste Schadstoffnorm Euro 6 und wären daher von Fahreinschränkungen betroffen. Spitzenpolitiker wie Verkehrsminister Norbert Hofer oder Wiens Umweltstadträtin Ulli Sima haben zuletzt verneint, dass solche Maßnahmen eingeführt würden. "Die Luftsituation ist in Wien so gut, dass es keine gesetzliche Grundlage für Umweltzonen gibt. Das war harte Arbeit", so Sima.
Köstinger für "andere Maßnahmen"
Umweltministerin Elisabeth Köstinger: "Bevor Verbote ausgesprochen werden, sollten andere Maßnahmen geprüft werden wie generelle Reduktion des Verkehrs, Ausbau der E-Mobilität, Ausbau der Öffi-Angebote." Auch 100er-Zonen auf Autobahnen zeigen Wirkung, für Lkw gäbe es schon Umweltzonen mit Fahrverboten, etwa auf West- und Inntalautobahn.
In Summe verbesserten sich die Schadstoffwerte schrittweise, dazu trägt die laufende Modernisierung des Fahrzeugbestandes bei. Tatsächlich ist der Diesel-Anteil an den Neuzulassungen bereits gesunken. Bei Benzinmotoren ist der Ausstoß an Stickoxid sowie Feinstaub geringer.
Auswirkungen auf Österreich
Auswirkungen auf Österreich hat das deutsche Urteil dennoch. Einerseits werden Forderungen zum nachträglichen Einbau von Katalysatoren lauter. Ein Filter mit Harnstoff-Einspritzung bringt bis zu 90 Prozent Reduktion der Stickoxide, ergaben Tests von ADAC und ÖAMTC. Das braucht aber Platz im Fahrzeug und kostet zudem geschätzt 1400 Euro bis 3300 Euro pro Auto.
Wer diese Kosten trägt, ist offen, eine Verteilung auf Autokonzerne, Staat und Fahrer scheint möglich. Deutschland diskutiert jedenfalls die verpflichtende Nachrüstung. Kommt sie, so würde Österreich über kurz oder lang wohl nachziehen, vermutet ÖAMTC-Experte Bernhard Wiesinger.
Zweite Auswirkung ist, dass der Wert von gebrauchten Diesel-Pkw in unserem Nachbarland deutlich sinken dürfte, was dann auch auf Österreich überschwappen würde. Angesichts des hohen Bestandes verlören die heimischen Autobesitzer Milliarden Euro.
Deutschland droht EU-Klage
Vorerst liegt der Ball aber in Deutschland. Dort droht ein Fleckerlteppich verschiedener Lösungen. Forderungen nach einer bundeseinheitlichen "blauen Plakette" für saubere Fahrzeuge hat die Regierung bisher abgelehnt. Dabei droht den Nachbarn wegen der Schadstoff-Überschreitungen sogar eine Klage der EU.
Heimische Landeshauptleute skeptisch
Wenig begeistert von einem generellen Fahrverbot für Diesel-Pkw in Österreich zeigen sich die Chefs der Länder. Im Vergleich zu Deutschland sei die Problematik in den Landeshauptstädten nicht gegeben. Anstelle eines Verbots sprechen sich die Landeshauptleute für Anreize wie den Ausbau der Öffis und der Elektro-Mobilität aus.
"Den Diesel von heute auf morgen von den heimischen Straßen zu verbannen halte ich für verantwortungslos und nicht durchführbar", spricht der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhofer (ÖVP) Klartext. In diese Kerbe schlägt Peter Kaiser (SPÖ), Landeshauptmann von Kärnten: "Für unsere beiden großen Städte Klagenfurt und Villach ist ein Dieselfahrverbot nicht wirklich wahrscheinlich." Ein derartiges Fahrverbot für Österreich "nicht vorstellen" kann sich auch der burgenländische Landeschef Hans Niessl (SPÖ).
Mikl-Leitner: "Setzen verstärkt auf E-Mobilität"
Anstelle der radikalen Maßnahme, Diesel-Autos aus den Städten zu verbannen, forcieren die Länderchefs andere Anreize. Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) aus Niederösterreich sagt: "Wir setzen verstärkt auf E-Mobilität." Ihr Salzburger Kollege Wilfried Haslauer - ebenfalls ÖVP - verweist auf die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand: "Das Land Salzburg kauft etwa nur Fahrzeuge mit sehr niedrigem Schadstoffausstoß."
Eine klare Meinung hat auch der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP): "Meine allgemeine Ansicht ist, dass wir durch zusätzliche Anreize, verstärkte Angebote wie Park-&-Ride-Anlagen und die Förderung von alternativen Technologien mehr erreichen als durch Verbote."
Daten und Fakten
- Durch die Abgasnormen (Euro-Norm) werden die Fahrzeuge unterteilt in Schadstoffklassen. Diese dienen unter anderem zur Berechnung der Kfz-Steuer und der Einteilung in Schadstoffgruppen für die Umweltzonen der großen Städte in Österreich.
- Die Grenzwerte unterscheiden sich dabei nach Motortyp (Benzin- oder Dieselmotor) und auch nach Kraftfahrzeugtyp (Pkw, Lkw und Omnibusse, Zweiräder und Mopeds).
- Seit September 2014 gilt die Euro-Norm 6. Laut Verkehrsklub ÖAMTC entsprechen dieser Norm in Österreich bisher 326.701 Diesel-Fahrzeuge.
- Alle Fahrzeuge, die eine geringere Abgasnorm als 6 haben, wären theoretisch von Einschränkungen bei Dieselmotoren betroffen. In Österreich sind das exakt 2.443.769 Fahrzeuge (Stand 2017). Insgesamt beträgt der Dieselbestand bei Pkw in Österreich 2.770.470 Fahrzeuge.
C. Ebeert und C. Zavarsky, Kronen Zeitung
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