Sind die Abgaben an den ORF Zwangsgebühren oder sichern sie die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Medienhauses und damit die Demokratie? Diese Fragen wurden beim „Talk im Hangar“ von Servus-TV mit Gästen wie ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) heiß diskutiert. Aktueller Anlass: In der Schweiz dürfen die Bürger am Sonntag über die Abschaffung der Rundfunkgebühren abstimmen.
Der prominenteste Gegner von ORF-Gebühren ist derzeit die FPÖ. Vizekanzler Heinz-Christian Strache fordert immer wieder deren Abschaffung. Die Kanzlerpartei ÖVP hielt sich bislang in der Debatte zurück. Auch der Medienminister setzt diese Linie fort und spricht sich nicht für ein Ende der Gebühren aus: Er ist überzeugt, dass es eine staatliche Finanzierungskomponente braucht, um hochqualitative österreichische Inhalte zu produzieren. Einer Abstimmung steht er grundsätzlich offen gegenüber, jedoch müsse direkte Demokratie schrittweise eingeführt werden – dazu brauche man Vorbereitung. Er sieht den medienpolitischen Diskurs als ersten Beitrag in diese Richtung. Als die großen medienpolitischen Gegner des ORF sieht er Google und Facebook – und nicht Konkurrenz aus dem Ausland.
Angesprochen auf die jüngste Kritik, der ORF würde nicht neutral berichten, mahnte Wrabetz, man dürfe den ORF nicht mit Staatsfernsehen wie in Russland vergleichen. Er sieht den ORF eher in einer Liga mit der britischen BBC, die zu Demokratie beitrage. Blümel meinte, die Debatte rund um die neutrale Berichterstattung „schadet beiden – sowohl dem ORF als auch der Politik“. Er habe solche Behauptungen daher nie aufgestellt - seine Aufgabe sei es, Medienpolitiker zu sein und nicht Medienkritiker. Doch der ursprüngliche Auftrag sollte erweitert werden, sprach sich der Politiker für strukturelle Änderungen aus.
Werner Reichelt vom Blog „ORF-Watch" entgegnete, eine „linke Schlagseite ist ja Normalzustand“ im ORF. Dies sei ein gewachsenes System, wie die jüngsten Ereignisse im ORF Tirol zeigen würden. Er fordert, dass SPÖ und Grüne genauso kritisch behandelt werden.
Wrabetz: „Ausgewogenheit wird von jeder Seite unterschiedlich beurteilt“
Wrabetz verteidigte sein Unternehmen: „Ausgewogenheit wird von jeder Seite unterschiedlich beurteilt.“ Der ORF würde viele Beiträge produzieren - und wenn Fehler passieren, würde man dafür einstehen. „Wir können daraus lernen“, so der Generaldirektor. Ob der ORF zu pädagogisch sei, würde man regelmäßig intern diskutieren. Meldung und Kommentar würden klar getrennt. Man dürfe den ORF außerdem nicht auf Einzelbeiträge reduzieren, forderte Wrabetz.
Er sieht die Konkurrenten des ORF in den großen deutschen Medien, gegen die man sich als österreichische Stimme behaupten müsse. „Dazu braucht es einen starken ORF“, so Wrabetz. Österreichische Identität finde immer weniger Widerhall, meinte Blümel.
Blümel: Vielfältige Medienlandschaft sorgt für Qualität
Es brauche eine vielfältige, pluralistische Medienlandschaft, betonte Blümel – das würde auch für Qualität sorgen. Nicht nur der ORF würde von finanziellen Zuwendungen aus öffentlicher Hand profitieren, ohne diese Förderungen könnten viele privaten Medienbetriebe gar nicht überleben, weil sie sich nicht ausschließlich am freien Markt finanzieren könnten.
Laut Wrabetz nutzen 90 Prozent der Österreicher täglich ein ORF-Produkt. „Wir werden nachgefragt, weil wir Qualität bieten.“ Er rechnete vor, dass seit 2000 die Rundfunkgebühr um 15 Prozent effektiv gesunken sei. Ohne ein öffentliches Finanzierungselement wären aufwendige Produktionen wie Spielfilme ökonomisch nicht sinnvoll zu produzieren – dazu sei der Markt einfach zu klein.
Auch Blümel ist überzeugt, dass es eine staatliche Finanzierungskomponente braucht, um qualitativ hochwertige österreichische Inhalte zu produzieren. Bester Inhalt bringe jedoch nichts, wenn er nicht gesehen werde. Reichweite sei daher ebenfalls von hoher Bedeutung, so Blümel.
Haushaltsabgabe für Blümel „der falsche Weg“
Ob es zu viele Kanäle im ORF gibt, ist für Blümel eine Frage der Finanzierungsmöglichkeiten. Diese Anzahl in einem Gesetz zu regeln, sei seiner Einschätzung nach nicht sinnvoll. Das müssten Medienmanager entscheiden und nicht die Politik. Eine Haushaltsabgabe statt ORF-Gebühren kann er sich nicht vorstellen: „Das ist der falsche Weg.“
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