Eine neue Technologie lässt uns Menschen in die Natur eingreifen – mit Chancen und Risiken, wie Univ.-Prof. Dr. Heinz Ludwig im Gespräch mit Dr. med. Wolfgang Exel berichtet.
Können wir Menschen uns über Fehlentwicklungen der Natur hinwegsetzen? Die Antwort ist heute ein klares Ja! Liegt ein defektes Gen vor, kann es im Labor aus dem Embryo herausgeschnitten und durch ein gesundes Gen ersetzt werden. Eine wissenschaftliche Entwicklung, die viele Fragen aufwirft. Krebsforscher Univ.-Prof. Dr. Heinz Ludwig antwortet.
Erklären Sie bitte das genannte Prinzip etwas näher.
„Wir sprechen von ersten Anwendungen der sogenannten CRISPR–Technologie beim Menschen. Es nimmt Anleihen bei einem ausgeklügelten bakteriellen Immunsystem, dass diese vor Viren schützt. Die Abwehr merkt sich dabei die DNA-Sequenzen der Erreger und zerschneidet bei einer erneuten Infektion deren DNA wie mit einer Schere. Damit ist keine Erkrankung durch diese Viren mehr möglich. Die DNA ist ein Biomolekül und Träger der Erbinformation bei allen Lebewesen inklusive der Krankheitserreger.“
Wie können sich Laien die Anwendung auf den Menschen vorstellen?
„Die technischen Details sind sehr schwer einfach darzustellen. Kurz gesagt, kann mittels, Gen-Schere‘ mit bisher unerreichter Genauigkeit das Erbgut manipuliert werden. Sogenannte CRISPR–Sequenzen im Erbgut sind ja bereits seit den 1980er-Jahren bekannt. Die Weiterentwicklung eröffnet nun ungeahnte Möglichkeiten!“
Nennen Sie bitte konkrete Beispiele.
„Etwa die Eliminierung von Erbkrankheiten. In manchen Fällen muss hier nur ein einziges Gen korrigiert werden. Schädliche Gene zu reparieren, ist derzeit die naheliegendste Anwendung beim Menschen. Chinesische Wissenschafter arbeiten schon seit 2015 mit Hilfe des sogenannten CRISPR/Cas9-Verfahrens gezielt daran. Auch die Amerikaner forschen in diese Richtung intensiv. In China wird die Technik bereits erfolgreich bei Lungenkrebs angewendet. Aus diesen Reihen werden Nobelpreisträger kommen!“
Es gibt aber auch Kritiker. Sie warnen eindringlich vor gleichsam maßgeschneiderten „Designerbabys“.
„Die meisten Fachleute halten diese Methode der Ausschaltung von angeborenen Krankheiten wie Down-Syndrom, Muskelleiden oder körperlichen Missbildungen für ethisch vertretbar. Aber sicher wäre es denkbar, durch solche Verfahren die Definition eines genetischen Defektes immer weiter zu verschieben, bis alle Genvarianten außer den allergünstigsten als fehlerhaft und damit korrekturbedürftig gelten. Das angesprochene Designerbaby käme dann im Gewand der Heilung daher. So etwas ist freilich unerwünscht. Ob das jemanden abhalten wird, ist zumindest unklar. Auf jeden Fall aber kann niemand etwas dagegen haben, Krankheiten zu heilen!“
Dennoch steht im Zentrum ethischer Bedenken die Abwägung zwischen angestrebtem Nutzen und drohendem Risiko. Es besteht schließlich die Gefahr, dass unerwünschte Stellen des Erbgutes verändert werden.
„Das ist nicht abzustreiten. Möglicherweise sind Ökosysteme bedroht, wenn genetisch veränderte Moskitos in die freie Wildbahn entlassen werden. Längst emotional ist ja die Frage nach der Definition von Gentechnik im Zusammenhang mit, künstlichen Produkten‘ im Supermarkt. Viele Menschen möchten nichts, gentechnisch Verändertes‘ auf ihrem Teller haben. In den USA sind bereits jetzt Modifikationen mit CRISPR Technologie an Pflanzen erlaubt. Sie müssen auch nicht deklariert werden. Nachdem man momentan derartig manipulierte Gene von natürlichen nicht unterscheiden kann, ist Transparenz vorläufig kaum möglich.“
Es wartet also auf die Forscher noch viel Arbeit. Welche Projekte sind derzeit besonders aktuell?
„Die ersten veränderten Organismen für praktische Anwendungen sind bereits in Arbeit. Man wird beispielsweise bessere Tiermodelle für menschliche Krankheiten herstellen können. Ebenso Tiere und Pflanzen mit bestimmten Eigenschaften: Etwa Anopheles-Mücken, die gegen Malaria resistent sind. Eine Arbeitsgruppe ist gerade dabei, das Erbgut von Schweinen von gefährlichen Viren zu befreien – eine wichtige Voraussetzung für den Plan, in Tieren menschliche Spenderorgane zu züchten.“
Ich bitte um ihren Ausblick in eine nicht allzu weit entfernte Zukunft.
„Die Gentechnologie wird die Welt verändern! Sie könnte ein Segen sein, weil sie unzählige Menschen vor unsagbarem Leid befreien kann. So wird es machbar sein, genetische Veranlagungen für bestimmte Krebsformen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und psychische Leiden von vorne herein zu eliminieren. Demgegenüber können allerdings einem einzelnen Menschen auch Persönlichkeitsmerkmale wie Körpergröße, Hautfarbe, Intelligenz und verschiedene Talente auf den Lebensweg mitgegeben werden. Noch weitergedacht, könnte man Menschen, schaffen‘, die für bestimmte Aufgaben besonders geeignet sind. Also für einfache Dienstleistungen genauso wie für höchste intellektuelle Ansprüche. Im Sport gibt es bekanntlich bereits Gendoping.“
Damit sind wir endgültig beim Thema Missbrauch angelangt. Ihre Meinung dazu?
„Moraltheologen sehen diese Entwicklung verständlicherweise äußerst kritisch, weil dadurch in die natürliche Schöpfung eingegriffen wird. Dass solche Technologien auch missbraucht werden können, versteht sich von selbst. Das ist allerdings kein Spezifikum der Gentechnologie, sondern das Schicksal vieler moderner Erfindungen: Man denke an Dynamit, an Feuerwaffen und Atomenergie. Würden wir es schaffen, diese Technik nur für die ursprünglich vorgesehenen Ziele wie Erleichterung des Bergbaus, der Jagd oder einfach Energiegewinnung einzusetzen, wäre das für die ganze Menschheit segensreich. Aber das ist – wie die Vergangenheit dramatisch zeigt – unrealistisch. Für einen ausschließlich verantwortungsvollen Einsatz gibt es leider keine Garantie…“
Gesundheitsredaktion, Kronen Zeitung
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