Neue Weltordnung
Stärkeres China setzt Europäer unter Druck
China baut an einer neuen Weltordnung. „Wir wollen einen neuen Typ internationaler Beziehungen schaffen“, sagte Außenminister Wang Yi am Donnerstag am Rande der Jahrestagung des Volkskongresses. Peking setzt dabei zunehmend die Länder Europas, darunter auch Österreich, unter Druck. Wer vom Milliardenprojekt „Neue Seidenstraße“ - dem Kernstück der chinesischen Strategie - profitieren will, muss erst eine Absichtserklärung unterzeichnen, die laut Diplomaten als „Verneigung“ vor einer von China bestimmten Weltordnung gewertet wird. China selbst weist Befürchtungen vor seiner wachsenden Macht in der Welt zurück. Wer nicht mit zweierlei Maß messe, sehe in China „keine Bedrohung, sondern reichlich Möglichkeiten“, betonte Außenminister Wang Yi.
Die Zeiten für Chinas globale Bestrebungen könnten nicht besser sein. Mit dem Rückzug der Supermacht USA durch seine „Amerika zuerst“-Politik überlässt US-Präsident Donald Trump den Chinesen in vielen Ecken der Erde das Feld. Und während Trump den Etat seines Außenministeriums um 30 Prozent zusammenstreicht, stockt China um 15 Prozent kräftig auf.
Im Mittelpunkt des Aufbaus einer Weltordnung in Chinas Sinne steht die „Neue Seidenstraße“. Es geht um milliardenschwere Investitionen in Wirtschafts- und Handelskorridore zwischen China und Europa, Afrika, bis nach Lateinamerika, aber auch innerhalb Asiens. Das ehrgeizige geostrategische Vorhaben von Staats- und Parteichef Xi Jinping - der sich derzeit zum Alleinherrscher Chinas macht - wird wie eine ideologische Kampagne vorangetrieben. Die Pläne sind attraktiv, weil China mit Milliarden für Infrastruktur winkt.
Die Europäer haben mit dem Vorhaben aber so ihre Probleme. Es fehlt ihnen an internationalen Standards, der nötigen Transparenz, Umweltschutzgarantien, gleichen Wettbewerbsbedingungen und öffentlichen Ausschreibungen. Europäische Unternehmen wären zwar interessiert, doch machen zu 90 Prozent chinesische Unternehmen das Geschäft. Gewarnt wird auch, dass kleinere Staaten leicht in eine Schuldenfalle und hohe Abhängigkeit von China geraten.
„G7-Land wäre ganz besondere Trophäe“
Wer mitmachen will, muss erst einmal eine scheinbar harmlose „Absichtserklärung“ unterschreiben. Mehr als 80 Staaten listet Peking schon stolz auf, darunter viele osteuropäische Länder, die auf Investitionen hoffen. Jetzt nimmt China auch größere Staaten ins Visier. „Die Chinesen wollen unbedingt, dass auch ein westeuropäisches Land unterschreibt“, berichtet ein europäischer Diplomat. „Ein Mitglied der G7-Gruppe der sieben führenden Industrienationen wäre eine ganz besondere Trophäe.“
Gegenwärtig werden besonders das schwächelnde G7-Mitglied Italien sowie die Niederlande und Österreich unter Druck gesetzt. Österreich soll, so viel ist bekannt, Teil der „Neuen Seidenstraße“ werden und durch den Ausbau des Güterverkehrs nach Asien zum Knotenpunkt zwischen Asien und Europa heranwachsen. Walter Ruck, Präsident der Wirtschaftskammer Wien, und ÖBB-Chef Andreas Matthä machen sich für das „wichtige strategische Projekt“ stark. Im Oktober 2017 unterzeichnete die Wirtschaftskammer Wien gemeinsam mit den ÖBB ein Abkommen mit Peking zur gegenseitigen Investitionsförderung dieses Vorhabens.
Zurück zur Absichtserklärung: „Die Vereinbarung hat starken symbolischen Charakter“, sagt der Diplomat. Sie bedeute „eine gewisse Verneigung“ vor einer von China bestimmten Weltordnung. Im Jänner lehnte es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in Peking rundweg ab, das Papier zu unterschreiben. Offen äußerte er Bedenken über die „Seidenstraße“. Peking war verärgert und verweigerte ihm einen erwarteten Deal für den Flugzeughersteller Airbus.
Selbst Theresa May, die Ende Jänner China besuchte, wollte nicht mitmachen. Dabei braucht die britische Premierministerin für die Zeit nach dem Brexit unbedingt ein bilaterales Handelsabkommen mit China. „Nicht einmal die Briten sind bereit, den Text so zu unterschreiben“, sagt der EU-Diplomat. Immerhin ließ May ein Türchen offen, will noch einmal darüber reden. Mit wenig Aussichten. „Die Chinesen lassen bis jetzt über die Inhalte nicht mit sich verhandeln“, so der Diplomat.
Forderung nach „Respekt vor den Kerninteressen“
Wie ein Rahmenabkommen umfasst das Dokument die ganze Bandbreite der bilateralen Beziehungen. Es enthält typische chinesische Sprache und so manchen Fallstrick. So fordert die Vereinbarung „Respekt vor den Kerninteressen“, wie aus einem Entwurf hervorgeht, den die Deutsche Presse-Agentur gesehen hat. Damit meint China seine Machtansprüche auf Inseln und weite Teile des Ost- und Südchinesischen Meers. Das internationale Schiedsgericht in Den Haag hatte die Gebietsansprüche Chinas 2016 allerdings als unrechtmäßig abgewiesen.
Zu den „Kerninteressen“ gehört auch Taiwan. Peking betrachtet die demokratische Insel nur als abtrünnige Provinz und droht mit einer Rückeroberung. Staaten, die das Abkommen unterschreiben, verpflichten sich weiters, China in den Vereinten Nationen zu unterstützen. „Gegenseitig ergänzen“ heißt es etwa in dem Abkommen mit Neuseeland, dem einzigen, das bisher öffentlich gemacht wurde.
Knackpunkt Menschenrechte
In dem Papier, das China von westeuropäischen Ländern unterzeichnet haben will, heißt es noch deutlicher „Synergien formen und sich gegenseitig unterstützen“. Da stellt sich die Frage, wie sich ein Land dann noch im UN-Menschenrechtsrat bei Kritik an China verhalten kann. In der Erklärung wird auch „praktische Kooperation“ eingefordert - ein weiteres chinesisches Codewort, das für Peking bedeutet, Menschenrechte auszuklammern.
„Der Text ist in Stein gemeißelt“, sagt der Diplomat, während Außenminister Wang Yi vor laufenden Kameras versichert, alle Länder hätten gleiche Mitsprache bei Chinas Initiative: „Kein Land dominiert den Prozess.“
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