Anschlag auf Ex-Spion
Nervengift: Pub-Gäste sollen Kleidung reinigen
Nach dem Giftanschlag auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter hat die englische Gesundheitsbehörde Gäste eines Pizza-Restaurants und eines Pubs im englischen Salisbury aufgerufen, persönliche Gegenstände zu reinigen. In beiden Lokalen seien Spuren des Nervengifts entdeckt worden, bestätigte die Chefin der Gesundheitsbehörde, Sally Davies, am Sonntag.
Der Aufruf betreffe rund 500 Gäste der beiden Lokale, die im kritischen Zeitraum zwischen dem 4. und 5. März die beiden Örtlichkeiten südwestlich von London aufgesucht hätten. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme, weiterhin sei nicht von einer unmittelbaren Gesundheitsgefährdung auszugehen. Es könne aber gesundheitsschädlich sein, kontaminierten Gegenständen über einen längeren Zeitraum ausgesetzt zu sein, sagte Davies. Kleider, Mobiltelefone und andere Gegenstände sollten daher gereinigt werden.
Der 66-jährige Skripal und seine 33-jährige Tochter Yulia waren am vergangenen Wochenende mit Vergiftungserscheinungen auf einer Bank vor einem Einkaufszentrum in der englischen Kleinstadt Salisbury aufgefunden worden. Sie wurden der Polizei zufolge Opfer eines Attentats mit Nervengift. Innenministerin Amber Rudd beschrieb den Zustand der beiden am Samstag als weiterhin lebensbedrohlich, aber stabil. Auch ein Polizist wird mit schweren Symptomen behandelt, er ist inzwischen ansprechbar.
Innenministerin mahnt zu Geduld
Rudd hatte am Samstag in London eine Sitzung des britischen Sicherheitskabinetts geleitet. Ob die Ermittler bereits eine heiße Spur zu den Tätern oder Hintermännern der Tat verfolgten, sagte sie aber nicht. „Wir müssen der Polizei und den ermittelnden Einheiten um sie herum den Raum geben, voranzukommen“, meinte sie und mahnte zu Geduld. Auch um was für ein Gift es sich genau handelt, wollte Rudd mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen noch nicht sagen.
Über 250 Polizisten im Einsatz
An den Ermittlungen beteiligt seien mehr als 250 Polizisten der Anti-Terror-Einheit, so Rudd. Sie hätten etwa 200 Zeugen identifiziert und 240 Beweismittel sichergestellt. Auf die Frage nach möglichen Reaktionen Londons, sollte sich herausstellen, dass Russland seine Finger im Spiel hat, wollte sich die Ministerin nicht einlassen. Es gehe jetzt darum, Beweise zu sichern, damit eine Zuordnung der Tat klar erfolgen könne. Sicherheitsstaatssekretär Ben Wallace hatte zuvor angekündigt, Großbritannien sei bereit, mit „voller Macht“ zu antworten, sobald die Verantwortlichen ausgemacht seien.
Die Polizei hatte am Freitag die Unterstützung des Militärs angefordert und die Ermittlungen ausgeweitet. Am Samstag war auf Fernsehbildern zu sehen, wie Spezialeinheiten der Streitkräfte mehrere Krankenwagen zur Dekontamination abtransportierten. Neben dem Fundort der Verletzten und dem Wohnhaus Skripals kam auch ein nahe gelegener Friedhof ins Visier der Ermittler. Dort sollen Medienberichten zufolge Skripals Ehefrau und Sohn begraben liegen. Unklar ist weiterhin, wie die Opfer mit dem Nervengift in Kontakt kamen. Medien berichteten unter Berufung auf Ermittler, die Quelle des Gifts könne sich im Haus Skripals befunden haben.
Russische Agenten an britischen Geheimdienst verraten
Skripal, ein Ex-Oberst des russischen Militärgeheimdiensts, war 2006 in Russland wegen des Vorwurfs der Spionage für Großbritannien zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Er soll russische Agenten an den britischen Geheimdienst MI6 verraten haben. Im Zuge eines Gefangenenaustauschs zwischen Russland und den USA am Flughafen Wien-Schwechat kam er 2010 nach Großbritannien.
Erinnerungen an Fall Litwinenko
Der Fall erinnert an den Mord an dem Ex-Agenten und Kreml-Kritiker Alexander Litwinenko, der 2006 in London mit radioaktivem Polonium vergiftet wurde. Die Spuren der Täter führten damals nach Moskau. Das hat zu Spekulationen geführt, der Kreml könnte erneut seine Hände im Spiel haben. Der britische Außenminister Boris Johnson kündigte eine „angemessene und robuste“ Reaktion an, sollte sich herausstellen, dass Russland hinter der Tat steckt. Moskau streitet jede Beteiligung an dem Attentat ab und klagt über antirussische Propaganda.
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