100 Tage Türkis-Blau

Strache: „Kern hat mich um Koalition angefleht“

Österreich
22.03.2018 17:30

100 Tage regiert die türkis-blaue Regierung. Im großen „Krone“-Interview (Video oben) mit Claus Pándi geben sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) vergnügt und zufrieden mit ihren Leistungen. Jeder Versuch einer Kritik perlt an ihnen ab.

Es gibt solche und solche Interviews mit Spitzenpolitikern. Einmal geben sich die Gesprächspartner distanziert, von oben herab. Andere wieder sind mühsam und unverständlich. Und dann gibt es Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache. Der Bundeskanzler ebenso wie der Vizekanzler parieren jede Frage mit vergnügter Freundlichkeit, auf jeden Zweifel reagieren sie mit fix-fertig formulierten Frohbotschaften. Das Höchstmaß an Selbstkritik nach 100 Tagen in der Regierung lautet: „Wir stehen jetzt erst am Anfang der Veränderung.“

Die Teams von Kurz und Strache überlassen nichts dem Zufall. Für das große Interview im Kongresssaal des Bundeskanzleramts ist der Teppich gesaugt, die Stühle gebürstet, der Tisch exakt vermessen in der Mitte des Raums unter den hell erleuchteten Kristalllüstern. Kanzler und Vizekanzler wirken frisch, Kurz eine Spur frischer. Beide Herren verstehen sich blendend auf Lockerungsübungen. Sie scherzen und lachen. Kurz über seine bevorstehenden Reisen nach Brüssel, China (dienstlich) und ins Kühtai zur Erholung (privat). Strache über seine sich dadurch als Vertretung ergebende Rolle als Regierungschef und seinen noch nicht auskurierten grippalen Infekt. Aber vielleicht sollte der FPÖ-Chef auch einfach weniger rauchen.

Wenn die Scheinwerfer leuchten, die Mikrofone eingeschaltet sind, die Kameras laufen, ist Schluss mit dem Geplänkel. Jede Frage wird von Kanzler und Vizekanzler entweder mit übereinstimmenden oder ergänzenden Erklärungen quittiert.

Nach 100 Regierungstagen erst am Anfang: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP, Mi.) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ, re.) im „Krone“-Interview mit Claus Pándi (li.) (Bild: Klemens Groh)
Nach 100 Regierungstagen erst am Anfang: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP, Mi.) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ, re.) im „Krone“-Interview mit Claus Pándi (li.)
(Bild: Klemens Groh)
(Bild: Klemens Groh)

„Message Control“ ist Erfindung der Medien
 Von „Message Control“, also einer gleichgeschalteten Steuerung ihrer Botschaften, wollen die beiden aber nicht reden. „Das Wort ist ja von manchen Medienvertretern erfunden worden. Dabei geht den Journalisten nur das Hickhack, der Streit in der Regierung ab. Wir haben nicht vor, uns in den Medien ständig zu widersprechen“, erklärt das Kanzler Kurz. Dass beim FPÖ-Regierungsteam kommunikativ dennoch einiges schiefläuft, wie in der Liederbuch-Affäre oder dem BVT-Wirbel, sieht Vizekanzler Strache nicht: „Da lassen wir uns nicht beirren. Da geht man konsequent seinen Weg, den sollen die Österreicherinnen und Österreicher bewerten. Und da sehen wir in den Umfragen, dass die ersten 100 Tage dieser Regierung gut angenommen werden.“ Überhaupt wirkt Strache glücklich, mit der türkisen ÖVP von Sebastian Kurz eine Regierungspartnerschaft eingegangen zu sein.

„Kern ist mir flehentlich die Türen eingelaufen“
 Und der FPÖ-Chef erzählt, wie gerne der SPÖ-Chef eine Koalition mit ihm gebildet hätte. „Ich kann mich noch erinnern, als mir der Herr Kern nach der Wahl flehentlich die Türen eingelaufen ist, ob das nicht eine Variante ist“, so Strache im „Krone“-Interview. Und der heutige Vizekanzler erinnert sich, Kern gesagt zu haben, dass „das nicht der Wahlauftrag war“. Man müsse als Demokrat respektieren, wer die stärkste Kraft geworden ist. Und das sei nun einmal die ÖVP von Sebastian Kurz. Wenn Kern nun behauptet, er habe niemals die Nähe zu Strache gesucht, „dann kann man nur sagen, da flunkert er offensichtlich, weil es ihm im Nachhinein unangenehm ist“, sagt Strache. Er habe Kern gesagt, dass die SPÖ „nicht ehrlich agiert“ – und deshalb sei er auf das „unsittliche Angebot“ einer Regierungsbildung mit der SPÖ nicht eingestiegen.

(Bild: Klemens Groh, krone.at-Grafik)
(Bild: Klemens Groh, krone.at-Grafik)
(Bild: Klemens Groh, krone.at-Grafik)

Bei Kern setzt Kurz das Pokerface auf
 Während dieser Interview-Passage verzieht Kurz nicht eine Miene. Pokerface pur. Als ginge Kurz das alles nichts an. Überhaupt erwähnt der Kanzler im gesamten Gespräch kein einziges Mal Christian Kern oder die SPÖ. Kurz sagt nie SPÖ oder NEOS oder Liste Pilz. Er sagt nur vage „die Opposition“. Etwa wenn das Gespräch auf die soziale Kälte kommt, die einige der Regierung unterstellen. „Wenn der Eindruck entsteht, dann nur, weil es manche Vertreter von der Opposition ständig behaupten. Das ist einfach das Ziel der Opposition, etwas Negatives umzuhängen, was in der Realität so nicht stattfindet.“

„Kürzere Schlangen vor den Sozialmärkten“
 Die vom Caritas-Präsidenten Michael Landau aufgeworfene kritische Frage, ob die Schlangen vor den Sozialmärkten am Ende seiner Regierungszeit länger oder kürzer sein werden, beantwortet der Bundeskanzler so: „Sie werden hoffentlich kürzer sein, denn das ist das klare Ziel, das wir haben: dass Menschen von ihrem eigenen Einkommen ordentlich leben können.“ Und es wäre nicht Sebastian Kurz, würde er an dieser Stelle nicht prompt die Kurve zum Ausländer-Thema kratzen. Ausländer, die Türkis-Blau neuerdings nicht „Ausländer“ nennt, sondern „Nicht-Österreicher“. Obwohl Kurz „persönlich das Wort Zuwanderer bevorzugt“. Um dann seine Botschaft zu setzen: „Wir wissen ja, dass über die Flüchtlingsströme sehr viele Menschen nach Österreich gekommen sind, die eigentlich kein Recht auf Asyl haben.“

Der Kanzler stellt dann ohne Luft zu holen selbst die Frage „Wo sparen wir?“, um sie auch gleich selbst zu beantworten: „Wir sparen im ganzen Bereich des Asylwesens, aber wir sparen nicht bei der Integration.“

(Bild: Klemens Groh)
(Bild: Klemens Groh)
(Bild: Klemens Groh)

Das ist das Stichwort für Vizekanzler Strache, der direkt an Kurz anschließt: „Das alles wäre mit der SPÖ nicht möglich gewesen. Die SPÖ hat in den letzten Jahren als Kanzlerpartei eine Entwicklung zu verantworten, in der nicht die soziale Gerechtigkeit gelebt worden ist, sondern wo man die Arbeiter im Stich gelassen hat.“ Sein Modell, so der FPÖ-Chef, sei es „nicht, noch mehr Zuwanderung zuzulassen, sondern zu sagen: Das stellen wir ab.“

Bruno Kreisky – Vorbild für Kurz und Strache
 
Doch bei aller Abneigung gegen die SPÖ antworten der ÖVP-Chef und der FPÖ-Chef auf die Frage nach ihren Vorbildern: Bruno Kreisky. Kurz erwähnt Kreisky sogar noch vor Wolfgang Schüssel. Und Strache bleibt dabei, dass „Bruno Kreisky heute die soziale Heimatpartei, die FPÖ, wählen würde“.

(Bild: Klemens Groh)
Bundeskanzler Sebastian Kurz (Bild: Klemens Groh)
Bundeskanzler Sebastian Kurz
(Bild: Klemens Groh)

Kronen Zeitung

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