Orban-Clan casht ab
Ungarn: „Organisierter Betrug“ mit EU-Millionen
Viktor Orban ist ein passionierter Fußballspieler. Er spielt beidbeinig, auch in der Politik. Während der ungarische Regierungschef öffentlich die EU in Grund und Boden verteufelt, gewinnen seine Familie und sein Polit-Clan auf wundersame Weise öffentliche Ausschreibungen - besonders jene fetten, die von der Europäischen Union mit Millionen gefördert werden.
Die Anhäufung solcher Affären, in denen sich auch die EU-Betrugsbehörde OLAF eingeschaltet hat, könnte Orban bei den Wahlen am 8. April die Zweidrittelmehrheit kosten. Die „normale“ Mehrheit ist dem „Retter Ungarns“ ohnehin sicher.
Die besonders spektakuläre Affäre: Orbans Schwiegersohn Istvan Tiborcz, verheiratet mit Orbans Tochter Rahel, soll bei der Ausstattung von Städten und Gemeinden mit neuer öffentlicher Beleuchtung illegal Millionen Euro EU-Fördergelder kassiert haben. Dem OLAF-Bericht zufolge erhielt die Firma Elios, an der Tiborcz bis 2015 beteiligt war, in den Jahren 2009 bis 2014 von 35 ungarischen Städten und Gemeinden Aufträge zur Erneuerung der öffentlichen Beleuchtung. Die wurden von der EU mit insgesamt 43,7 Millionen Euro gefördert.
„Organisierter Betrugsmechanismus“
OLAF spricht bei der Hälfte der Aufträge von einem „organisierten Betrugsmechanismus“. Die Ausschreibungsbedingungen seien so gestaltet gewesen, dass nur Elios den Auftrag erhalten konnte, gleichzeitig hätten die Elios-Angebote gefälschte Angaben zur Rentabilität der Projekte enthalten.
Der Fall Tiborcz ist nur ein besonders eklatanter, aber längst nicht der einzige aus Orbans Umfeld. Firmen seines Vaters und von einem seiner Brüder erhielten ebenfalls direkt oder indirekt EU-Fördergelder in Millionenhöhe.
Gasinstallateur jetzt Multimillionär
Einer der größten Nutznießer der EU-Zahlungen ist Orbans „Leib-Oligarch“ Lörinc Meszaros, ein Kindheitsfreund und derzeit Bürgermeister in Orbans inzwischen berühmt gewordenem Heimatort Felcsut. Meszaros stieg in den vergangenen Jahren vom einfachen Gasinstallateur zu einem der reichsten Ungarn auf. Geschätztes Vermögen: rund 350 Millionen Euro.
Der ehemalige liberale Politiker Balint Magyar, Herausgeber und Co-Autor des Buches „Ungarischer Polyp. Der postkommunistische Mafiastaat“, sagte dazu gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin „Spiegel“: „Der Fall Tiborcz ist kein Ausnahmefall, sondern gehört zur Norm und zur tiefen Struktur von Orbans mafiösem Staat.“
Orban setzt auf Verschwörungstheorien
Zur Ablenkung hat Orban einen spektakulären Sudel-Wahlkampf inszeniert. Zielscheibe ist der US-Milliardär George Soros. Dieser unterstützt weltweit Zivilorganisationen und Initiativen, die sich für Menschenrechte und demokratische Verhältnisse einsetzen. Darunter sind auch Vereinigungen in Ungarn, die Flüchtlingen und Asylwerbern helfen. Sie tun das zum Beispiel mit juristischem Beistand in Asylverfahren oder nach Diskriminierungen oder Misshandlungen durch die Behörden.
Soros wird von der Regierungspropaganda richtiggehend dämonisiert. Dem aus Ungarn stammenden Holocaust-Überlebenden wird unterstellt, Millionen von muslimischen Migranten bewusst nach Europa zu lenken, um die europäischen Völker ihrer christlichen und nationalen Identität zu berauben. Soros würde Politiker, Amtsträger und Parteien in den westlichen Ländern und in der EU-Zentrale in Brüssel bezahlen und beeinflussen, damit sie eine zuwanderungsfreundliche Politik machen. Die Kampagne arbeitet zuweilen auch mit antisemitischen Untertönen.
„Ungarn hat eine europäische Mission“
In seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation malte Orban den Teufel an die Wand. Bald würden die europäischen Großstädte mehrheitlich muslimisch sein, prophezeite er. Aber Ungarn werde sich dieser Entwicklung widersetzen. So habe das Land gar eine „europäische Mission“.
Die EU hat gegen den fortgesetzten Demokratieabbau in Ungarn bislang kein Rezept gefunden. Die zahlreichen Vertragsverletzungsverfahren steckte Orban weg, indem er ein paar kosmetische Anpassungen an den beanstandeten Gesetzen vornahm oder seine Absichten auf andere Weise weiterverfolgte.
Ein neuerlicher Wahlsieg für den seit 2010 regierenden Rechtskonservativen steht so gut wie fest. Er geht auf Nummer sicher - und seine Kampagne baut auf Verschwörungstheorien über Migranten und George Soros auf.
Kurt Seinitz, Kronen Zeitung
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