Freisprüche in Tulln

Opferanwalt: „Objektive Beweise wurden ignoriert!“

Österreich
29.03.2018 15:58

Tag zwei nach dem von vielen als „Skandalurteil“ bezeichneten Freispruch im Zweifel für zwei Asylwerber, die wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung der 15 Jahre alten Sandra (Name geändert) am Dienstag in St. Pölten vor Gericht standen: Die beiden 19-Jährigen wurden noch am Dienstagabend auf freien Fuß gesetzt. Ewald Stadler, Rechtsbeistand der 15-Jährigen, äußerte nun gegenüber krone.at Bedenken, ob sich die beiden jungen Asylwerber im Fall einer möglichen Neuverhandlung des Prozesses - die nicht rechtskräftige Entscheidung könnte seitens des Obersten Gerichtshofes theoretisch noch gekippt werden - überhaupt noch im Lande befinden würden und greifbar wären.

Wie ausführlich berichtet, hatten am Dienstag zwei von vier Schöffen unter anderem die dargelegten Beweise - etwa Sperma- sowie Kratzspuren - als nicht ausreichend empfunden, um den 19 Jahre alten Afghanen sowie den gleichaltrigen Somalier der Vergewaltigung schuldig zu sprechen. Ausschlaggebend für den Freispruch seien jedoch in erster Linie die widersprüchlichen Aussagen der 15-Jährigen bei den kontradiktorischen Einvernahmen gewesen, hieß es in der Urteilsbegründung. Der Vorfall habe sich „sicher nicht wie in der Anklageschrift“ zugetragen, hatte der Richter erklärt. Demnach habe die 15-Jährige nicht klar sagen können, ob es sich bei den Angreifern um zwei oder doch drei Männer gehandelt habe. Auch habe sich das Mädchen bereits im Vorfeld mit den Männern getroffen, zudem sei Marihuana im Spiel gewesen.

Ewald Stadler, Rechtsbeistand der 15-Jährigen (Bild: krone.at)
Ewald Stadler, Rechtsbeistand der 15-Jährigen

„Objektive Beweise ignoriert“
Die Freisprüche im Zweifel seien „völlig unverständlich“, erklärte Stadler gegenüber krone.at. „Es ist eigentlich erschütternd, wie man objektive Beweise in diesem Ausmaß ignoriert“, sagte er. Noch am Dienstagabend hatte er Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet, das Urteil wird nun vom Obersten Gerichtshof noch einmal geprüft. Im Bedarfsfall heißt es dann bezüglich des Prozesses: „Zurück an den Start.“

„Ich hoffe, dass der Oberste Gerichtshof erkennt, dass vier objektiv erhobene Beweise, insbesondere gestützt auf die Sachverständigengutachten, eigentlich für die Tatvariante sprechen und das Urteil des Landesgerichts St. Pölten aufgehoben und das Ganze neu verhandelt wird“, so Stadler.

„Glaube nicht, dass die zwei abwarten werden“
Zudem äußerte er große Bedenken, ob die beiden Asylwerber für Polizei und Justiz überhaupt greifbar bleiben: „Wenn ich mich in die Lage der beiden Angeklagten versetze, glaube ich nicht, dass die zwei abwarten werden, bis sie wieder in Haft genommen werden“, so Stadler. Und weiter: „Die werden wahrscheinlich die Gelegenheit nutzen und sich in das nächste Gastland begeben“, mutmaßte er.

Die beiden Angeklagten vor dem Prozessauftakt in Tulln (Bild: schreinerfoto)
Die beiden Angeklagten vor dem Prozessauftakt in Tulln

„Mädchen in Verdrängungssituation“
Gefragt nach dem Zustand der 15-Jährigen nach dem umstrittenen Freispruch berichtete Stadler: „Das betroffene Mädchen ist derzeit in einer solchen Verdrängungssituation drin, dass sie eigentlich mit der ganzen Geschichte nicht mehr konfrontiert werden möchte.“ Das sei typisch für die Opfer von schweren Straftaten, was auch durch die Aussage des Sachverständigen untermauert werde. Letztlich sei es jedoch nötig, dass die 15-Jährige ihre bereits begonnene Therapie weiter fortsetze, so der Rechtsbeistand.

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