Wie süchtig macht Zucker? Nach Steuer- und Warnsystemen im Ausland fragten wir bei heimischen Experten nach.
Zucker ist nicht gesund, wir wissen es, trotzdem können wir der süßen Versuchung kaum widerstehen. War es früher das Fett, das als Dickmacher schlechthin galt, warnt die Wissenschaft heute vor der Überzuckerung. Der Konsument fühlt sich im Stich gelassen, denn die Kristalle scheinen unter zig anderen Bezeichnungen bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln auf. Die Industrie wird nicht freiwillig darauf verzichten. Zucker gilt als Geschmacksträger, als billiger obendrein.
„Zucker macht süchtig. Dabei heißt weniger Zucker nicht weniger Geschmack“, so der Wiener Stoffwechselexperte Markus Metka, Autor mehrerer Kochbücher für gesundes Essen. Man könne auch mit Gewürzen für mehr Geschmack sorgen. Von einer Steuer auf Zucker wie seit heute in England - die Initiative ging auf Starkoch Jamie Oliver zurück - hält Metka wenig. „Wir werden von Verboten bereits jetzt überschwemmt.“ Alexandra Kautzky-Willer von der Österreichischen Diabetes Gesellschaft meint hingegen: „Wenn eine Steuer so rasch, nämlich bereits durch die Ankündigung, den Zuckergehalt real senkt, kann auch dieses gesundheitspolitische Steuerungselement gerne angewendet werden.“
Spätestens seitdem in Deutschland über eine „Ampel-Kennzeichnung“ für zu Süßes diskutiert wird, ist auch bei uns das Thema in aller Munde. Limo und Co. können beim Blick auf die Waage jedenfalls eine gewichtige Rolle spielen. Denn ein Hauptgrund für Übergewicht ist neben Bewegungsmangel falsche Ernährung. Ein hoher Konsum zuckerhaltiger Flüssigkeiten wird mit Typ-II-Diabetes und Karies in Verbindung gebracht. Übergewicht wiederum kann chronische Krankheiten begünstigen. Den Negativ-Rekord bei einer Analyse des Vereins Foodwatch hielt 2016 übrigens eine 500-Milliliter-Dose eines Energydrinks: Sie enthielt 16 Prozent Zucker - umgerechnet 78 Gramm. Die WHO empfiehlt pro Tag und Kopf gerade einmal 25 Gramm ...
„Es ist bald fünf nach zwölf!“
Am diesjährigen Weltgesundheitstag am 7. April will die Weltgesundheitsorganisation WHO auf die Bedeutung von flächendeckender Gesundheitsversorgung für alle Menschen aufmerksam machen. Eine große Rolle spielt dabei die Vorsorge. „Die leider in den Bereichen Ernährung und Bewegung bei uns einen viel zu geringen Stellenwert einnimmt“, weiß Ernährungsmediziner Kurt Widhalm, der vor der dramatisch ansteigenden Zahl von übergewichtigen und adipösen Kindern in Österreich warnt.
„Das Problem ist riesengroß. Es ist bald fünf nach zwölf. Immer mehr junge Menschen leiden an Altersdiabetes, Herz-Kreislauf- und Gelenkserkrankungen.“ Milliardenkosten für das Gesundheitssystem, die vermeidbar wären. „Kinder brauchen gesunde Ernährung und viel Bewegung“, so der Mediziner. Neben Schulen sind auch Eltern gefordert: „Ohne die geht nichts. Rausgehen, Rad fahren oder Ball spielen, anstatt dauernd aufs Handy zu schauen!“
Interview mit Fritz Hoppichler, Internist am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Salzburg:
“Krone“: Ist eine Strafsteuer auf Zucker sinnvoll?
Fritz Hoppichler: Ich bin da wirklich skeptisch. Denn in Großbritannien hat sich die Zuckersteuer nicht bewährt.
Was sind dort die Folgen?
Jetzt werden statt Zucker eben vermehrt künstliche Süßstoffe eingesetzt. Eine generelle Reduktion der Süße ist nicht erkennbar.
Was ist denn so schlimm an den diversen Süßstoffen? Auch, wenn durch Süßstoffe keine zusätzlichen Kalorien zugeführt werden - der süße Geschmack bleibt! Dadurch wird die Lust nach Süßem weiter angekurbelt.
Alternativen zur Steuer?
Wir haben mit unserem SIPCAN-Institut durch Aufklärung an Schulen vieles bewirkt. Und zwar durch leicht verständliche Orientierungshilfen sowie volle Transparenz des Zuckergehaltes bei angebotenen Getränken im Schulbuffet. Erzeuger ziehen mit, der Zuckerkonsum ist gesunken.
Geschmack und Geschichte
Zucker besteht aus winzigen Kristallen. Er wird aus Pflanzen gewonnen und besteht hauptsächlich aus Saccharose. Bereits 8000 vor Chr. wurde Zuckerrohr in Polynesien angebaut. Brasilien ist der größte Produzent der Welt. Hier werden pro Jahr 37 Millionen Tonnen hergestellt. In Österreich wird der Süßstoff meist aus Rüben produziert. Der Mensch besitzt auf der Zunge Geschmacksrezeptoren, die nur auf Süßes reagieren. Damit ein Molekül süß schmeckt, muss es eine bestimmte chemische Struktur aufweisen, im konkreten Fall zumindest eine dreieckige.
Martina Münzer, Anja Richter, Mark Perry, Gregor Brandl, Kronen Zeitung
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