Der ORF befindet sich weiterhin im Visier der FPÖ: Der freiheitliche Stiftungsrat Norbert Steger erklärte jetzt, dass die zur Bestellung anstehenden neuen Senderchefs, die sogenannten Channel Manager, und Chefredakteure von ORF eins und ORF 2 unter anderem „Schritte in eine objektivere Berichterstattung“ setzen müssten. Seine Ausführungen sowie die umgehende Kritik darauf seitens des ORF führten zu einem heftigen Schlagabtausch.
„Auch von den Auslandskorrespondenten werden wir ein Drittel streichen, wenn diese sich nicht korrekt verhalten“, ergänzte Steger, der als künftiger Stiftungsratsvorsitzender des ORF im Gespräch ist. Als Beispiel nannte der Freiheitliche die Berichterstattung zur Ungarn-Wahl - diese sei laut Steger nämlich „einseitig“ abgelaufen.
Korrespondent sieht „Hetze“
Peter Fritz, Leiter des ORF-Büros in Brüssel, nannte diese Aussage Stegers in einer ersten Reaktion eine „Hetze“. „Ein ORF-Stiftungsrat, der gegen sein eigenes Unternehmen hetzt und einen untadeligen Kollegen erkennbar bedroht, wird uns als Redakteurssprecher der ORF-KorrespondentInnen selbstverständlich beschäftigen“, schrieb Fritz auf Twitter. Mit dem „untadeligen Kollegen“ ist Ungarn-Korrespondent Ernst Gelegs gemeint.
FPÖ über Vorwurf empört
Nachdem FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky am Samstag diesen Vorwurf als „inakzeptabel und infam“, bezeichnet und eine Entschuldigung von Fritz gefordert hatte, zeigte sich dieser - erneut auf Twitter - reumütig. „Ich hatte nicht vor, Herrn Dr. Steger einen strafbaren Vorwurf zu machen, und bitte um Entschuldigung, falls dies so verstanden wurde. Kollegen gegen Angriffe in Schutz zu nehmen, halte ich aber für wichtiger denn je“, so der ORF-Korrespondent.
Zuvor hatte Vilimsky erklärt, es sei „geradezu eine Verpflichtung“, dass ein Stiftungsrat objektive Berichterstattung und korrektes Verhalten einfordere. Auch sei es höchst an der Zeit, den Verhaltenskodex für ORF-Redakteure in Social Media „nachzujustieren“. Außerdem sei eine Bewertung, wonach ein Korrespondent „anhaltend unausgewogen“ berichtet habe, „im Rahmen des Meinungsspektrums“ zulässig, betonte der FPÖ-Generalsekretär.
NEOS und SPÖ kritisieren FPÖ
Die NEOS zeigten sich hingegen entsetzt über den „Angriff auf die Pressefreiheit“ der FPÖ. „Bei unabhängigen Journalistinnen und Journalisten den Maßstab von ,korrekten‘ oder ,unkorrekten‘ Verhalten nach FPÖ-Gusto anlegen zu wollen, ist unfassbar“, meinte Mediensprecherin Claudia Gamon.
Auch SPÖ-Mediensprecher Thomas Drozda kritisierte die „Attacken“ von Steger auf den ORF und seine Auslandskorrespondenten heftig. In einer Aussendung forderte er eine Entschuldigung sowie Klarstellung von Steger. Es sei befremdlich, dass ein Stiftungsrat, „der sich anschickt, den Vorsitz des höchsten ORF-Gremiums zu übernehmen“, die Unabhängigkeit des Senders infrage stellt, meinte Drozda. Der frühere Medienminister ortet außerdem einen schweren Interessenskonflikt - Steger soll daher entscheiden, ob er dem Stiftungsrat weiter angehören möchte. Die von Steger angedachte Kürzung des ORF-Korrespondentennetzes um ein Drittel wiederum sei unsinnig und kontraproduktiv, so Drozda.
Wrabetz: „Korrespondentenbüros sind unverzichtbar“
Auch ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz reagierte via Twitter auf Stegers Aussagen. „16 Korrespondentenbüros des ORF sind unverzichtbare, vom Publikum höchst geschätzte Säulen der internationalen Berichterstattung in TV, Radio und Online. Bis 2020 kommen noch 2 weitere Standorte dazu“, so Wrabetz.
Der ORF-Chef stellte sich auch vor den von Steger direkt angegriffenen Ungarn-Korrespondenten: „Freue mich mitzuteilen, dass ich den Entsendungsvertrag von Ernst Gelegs als Korrespondent in Budapest nach der ausgezeichneten Berichterstattung zur ungarischen Wahl bis 2021 verlängert habe.“
Auch Redakteursratsvorsitzender Dieter Bornemann meldete sich zu Stegers Aussagen zu Wort: „Dieser direkte Angriff auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von einem Aufsichtsorgan ist ein neuerlicher Tiefpunkt der Medienpolitik“, kritisierte Bornemann auf Twitter.
Anders als Medienminister Gernot Blümel vom Koalitionspartner ÖVP, der gerade für Anfang Juni zu einer Medienenquete eingeladen hat, bei welcher der ORF zentrales Thema sein und welche die Grundlage für ein bis Anfang 2019 fertiges ORF-Gesetz sein soll, will FPÖ-Stiftungsrat Steger ein neues ORF-Gesetz bereits bis Juni.
Steger mit mehreren Forderungen
Steger nennt dazu einige zentrale Punkte: Der öffentlich-rechtliche Auftrag soll „zeitgemäß definiert werden“. Die ORF-Spitze soll von einer Allein- auf eine Gesamtgeschäftsführung umgestellt werden. Der Betriebsrat soll bei der Wahl der ORF-Führung außen vor gelassen werden. Wichtig ist dem FPÖ-Stiftungsrat auch eine neue Social-Media-Richtlinie für Redakteure. „Wer dagegen verstößt, wird zunächst verwarnt - und dann entlassen“, so Steger.
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