Lob aus Österreich
EU forciert Beitritt von Albanien und Mazedonien
Die EU soll nach Jahren der Krise wieder wachsen: Die EU-Kommission sprach sich am Dienstag für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien aus. Österreichs Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) beglückwünschte die beiden Länder und sprach in einer ersten Reaktion von einem „positiven Schwung für ganz Südosteuropa“. Eine glaubwürdige Beitrittsperspektive sei eine Motivation zur Umsetzung „wichtiger und auch mühevoller Reformen“. Auch EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn fand lobende Worte: „Beide Länder haben viel in den letzten Monaten getan. Und das sollte anerkannt werden.“ Von den sechs Westbalkan-Staaten gibt es bisher nur Beitrittsverhandlungen mit Serbien und Montenegro.
Die Kommission sieht Serbien und Montenegro bisher als Favoriten für einen Beitritt bis zum Jahr 2025. Voraussetzung dafür ist jedoch auch, dass die Länder bis dahin alle ihre Grenzkonflikte aus der Zeit des ehemaligen Jugoslawiens lösen. Albanien und Mazedonien sind bisher nur Kandidaten ohne Verhandlungen. Bei Albanien sieht Brüssel noch Defizite im Justizsystem. Korruption bleibe zudem „ein ernsthaftes Problem“. Bei Mazedonien muss vor Beitrittsverhandlungen auch noch der Namensstreit mit Griechenland gelöst werden. Athen fürchtet wegen seiner Region Mazedonien Gebietsansprüche des nördlichen Nachbarn. Unter UN-Vermittlung wird hier intensiv nach einer Lösung gesucht.
Kneissl: „Glaubwürdige EU-Beitrittsperspektive“
„Mazedonien hat in den letzten Monaten Beeindruckendes geleistet und viele Initiativen zur Aussöhnung mit den Nachbarn gesetzt“, hieß es in einer Aussendung von Österreichs Außenministerin Karin Kneissl. „In Albanien wird gerade eine groß angelegte Justizreform umgesetzt, um das Land Europa-fit zu machen.“ Für Kneissl zeigt das Erweiterungspaket samt Länderberichten somit deutlich, dass eine glaubwürdige EU-Beitrittsperspektive die Kraft besitze, Beitrittskandidaten zur Umsetzung wichtiger und auch mühevoller Reformen zu motivieren.
EU-Erweiterung auch Schwerpunkt der österreichischen Ratspräsidentschaft
„Auch Montenegro und Serbien, welche die Vorreiterrolle im Beitrittsprozess einnehmen, attestieren die Länderberichte Fortschritte in wesentlichen Bereichen“, konstatierte Kneissl. „Das Ziel der nächsten Jahre ist es, die rechtsstaatlichen Strukturen und die Wirtschaft in diesen beiden Ländern weiter zu stärken, damit beide gut auf einen EU-Beitritt vorbereitet sein werden.“ Auch die Länderberichte für Bosnien und Herzegowina sowie für den Kosovo bestätigten klar deren EU-Perspektive. Der fortgesetzte europäische Integrationsprozess der Staaten Südosteuropas bilde auch einen Schwerpunkt der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2018.
Hahn: „Beitrittsgespräche keine Garantie, EU-Mitglied zu werden“
Nun liege es an den Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten, ob sie der Empfehlung zu Albanien und Mazedonien folgen wollten, sagte Hahn. Er räumte ein, dass es Widerstände gebe. Auch in seiner Heimat Österreich sei die Mehrheit der Bevölkerung gegen neue Erweiterungen, und Beschlüsse zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen müssen einstimmig fallen. Hahn betonte aber auch, bei der Erweiterung gehe es nicht darum, „unseren Partnern einen Gefallen zu erweisen“. Die Stabilisierung und Zusammenarbeit mit den Westbalkan-Staaten liege auch „im ureigenen Interesse“ der EU. Die Europäer hatten sich zuletzt immer wieder besorgt über Versuche der Einflussnahme durch Russland gezeigt. Tatsächlich ziehen sich Beitrittsgespräche über viele Jahre und bieten auch keine Garantie, EU-Mitglied zu werden.
Miserables Zeugnis für die Türkei
Bei der Veröffentlichung ihrer Bewertung von Beitrittskandidaten stellte die EU-Kommission gleichzeitig der Türkei ein miserables Zeugnis aus. Das Verhältnis zur EU habe sich seit dem gescheiterten Militärputsch von Mitte 2016 und dem massiven Vorgehen der Regierung gegen Kritiker von Präsident Recep Tayyip Erdogan massiv verschlechtert. Die Beitrittsgespräche liegen de facto seit Ende 2016 auf Eis. Die Türkei bewege sich „in großen Schritten weg von der Europäischen Union“, sagte Hahn. Dies gelte insbesondere „für den Bereich der Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte“. Die EU verwies in ihrem Bericht auf die Festnahme von 150.000 Menschen seit Verhängung des Ausnahmezustandes und stellte fest, dass die Zivilgesellschaft „unter wachsenden Druck“ geraten sei. Mehr als 150 Journalisten seien in Haft.
Trotz dieser Entwicklung bleibe die Türkei „ein strategischer Schlüssel-Nachbar“, sagte Hahn. Die EU werde deshalb ihre Zusammenarbeit in den Bereichen fortsetzen, „die im beiderseitigen Interesse sind“. Hahn nannte dabei die Versorgung von 3,5 Millionen Bürgerkriegsflüchtlingen aus Syrien, die von der EU mit Milliardensummen gefördert wird.
EU-Erweiterung: Österreichische Bevölkerung skeptisch
Die Österreicher stehen den Plänen der EU-Kommission, die Union um die Westbalkan-Staaten zu erweitern, weiter skeptisch gegenüber, wie aus einer am Montag veröffentlichten Umfrage der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik hervorgeht. Am ehesten noch wird ein Beitritt von Bosnien-Herzegowina begrüßt: 31 Prozent sind dafür, 35 Prozent dagegen, 24 Prozent zeigen sich indifferent, der Rest machte keine Angaben.
Bei den anderen Kandidaten ist die Zustimmung noch geringer. Serbien möchten etwa nur 29 Prozent der Befragten in der EU sehen, 45 Prozent lehnen den Beitritt hingegen ab. Gegen einen Beitritt Albaniens sprachen sich 2012 noch 68 Prozent der Befragten aus, 2018 waren es „nur“ noch 45 Prozent. Eine deutliche Mehrheit der Österreicher (58 Prozent) ist gegen eine aktive Rolle Österreichs im Erweiterungsprozess, wie sie auch die türkis-blaue Bundesregierung propagiert. Weiterhin hoch bleibt die Ablehnung eines Beitritts der Türkei (neun Prozent dafür, 76 Prozent dagegen).
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