In einem Monat startet die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), mit der die Daten der Bürger geschützt und Datenschutz-Sünder mit saftigen Strafen zum sorgfältigen Umgang mit selbigen angehalten werden. Doch unsere Regierung hat vier Wochen vor Inkrafttreten noch schnell die meisten Datenschutzverstöße durch Firmen und Behörden unter Straffreiheit gestellt. Bestraft werden, wenn überhaupt, nur Wiederholungstäter.
Bei Reisen in Länder mit Zensur und Überwachung betonen österreichische Politiker gerne die Bedeutung des europäischen Datenschutzes. Daheim im Parlament höhlen sie EU-weit gültige Datenschutzbestimmungen aus. So hat die ÖVP-FPÖ-Regierung jüngst eine Entschärfung des neuen Datenschutzgesetzes durch den Nationalrat gepeitscht und Datenschutzverstöße weitgehend straffrei gemacht. Datenschutz-NGOs hat man den Geldhahn zugedreht.
Werden Datenschutz „die Zähne gezogen“?
Im Ausland gibt das kein gutes Bild ab. „Österreich tanzt beim Datenschutz aus der Reihe“, heißt es im größten deutschen IT-Medium „Heise“. Die Regierung habe dem Datenschutz in letzter Sekunde „die Zähne gezogen“, wird attestiert.
Behörden und viele Firmen immer straffrei
Besonders pikant, auch angesichts des jüngst beschlossenen „Sicherheitspakets“, das verstärkte Online- und Videoüberwachung mit sich bringt: Behörden sollen bei Datenschutzverstößen immer straffrei davonkommen, viele Unternehmen auch. Im Wortlaut heißt es: „Gegen Behörden und öffentliche Stellen, wie insbesondere in Formen des öffentlichen Rechts sowie des Privatrechts eingerichtete Stellen, die im gesetzlichen Auftrag handeln, und gegen Körperschaften des öffentlichen Rechts können keine Geldbußen verhängt werden.“
Datenschutz-NGOs wird Geldhahn zugedreht
Weiters hat man Datenschutz-NGOs den Geldhahn zugedreht. Organisationen wie „noyb“ (None Of Your Business) des Facebook-Rebellen Max Schrems dürfen nach dem Willen der Regierung keinen Schadensersatz von Datenschutzsündern verlangen. Und wenn kein Schadensersatz zu erwarten ist, gibt es kein Geld von Prozessfinanzierern. Für Privatpersonen rechnet sich ein mühsames und langwieriges Verfahren wiederum meist nicht.
Sonderregelungen für Forscher, Polizei, Spione …
Neben weitgehender Straffreiheit für viele Behörden und Organisation gibt es hierzulande auch eine Menge Sonderregelungen beim Datenschutz. So sollen Medien personenbezogene Daten für journalistische Zwecke auswerten dürfen, außerdem lässt man die Datenverarbeitung für künstlerische, wissenschaftliche und literarische Zwecke zu. Für Strafverfolger und Spione gelten ebenfalls gelockerte Datenschutzregelungen.
Datenschutzgesetz wurde erst 2017 überarbeitet
Die hastigen Anpassungen des Datenschutzgesetzes kommen nicht einmal ein Jahr, nachdem das Gesetz auf die bald gültige Datenschutzgrundverordnung vorbereitet wurde. Ende Juli 2017 wurde noch unter der damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung ein Datenschutz-Anpassungsgesetz beschlossen, um der DSGVO Rechnung zu tragen.
SPÖ legte sich quer, ÖVP und FPÖ beschlossen Novelle
Nach der Wahl im Herbst arbeitete laut „Heise“ die ÖVP-FPÖ-Regierung jedoch eine Datenschutznovelle aus, in der auch einige Verfassungsänderungen vorgesehen waren. Die dafür nötige Zweidrittelmehrheit kam nicht zustande, weil die SPÖ ob der BVT-Affäre ihre Zustimmung verweigerte. Schließlich wurde am 20. April ein Abänderungsantrag zur Novelle mit den Stimmen von ÖVP und FPÖ - die anderen Parteien waren geschlossen dagegen - beschlossen, in dem die Verfassungsänderungen entfernt und die erste Novelle des erst im Vorjahr beschlossenen Gesetzes weitgehend umgeschrieben wurde.
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