„Nehmen Sie Ihr Schicksal selbst in die Hand?“ - So lautet eine der Fragen im psychologischen Eignungstest für einen Telefonisten-Job beim AMS Burgenland. Insgesamt 17 Bewerberinnen wurden für den offenen Posten beim AMS-Callcenter getestet und deren Ergebnisse ausgewertet. „Ganz normal“, meldet die Pressestelle des Arbeitsmarktservice. „Das AMS Burgenland führt bei allen ausgeschriebenen Stellen ein mehrstufiges Bewerbungsverfahren durch.“
Ein schwerer Autounfall, null Alimente, zu Unrecht geringfügig angemeldet und die ewige Jobsuche: Aus Frust bewirbt sich Dolmetscherin Melinda C. (50) für die offene Stelle als Telefonistin beim AMS Burgenland. „Seit 2015 muss man Arabisch dolmetschen können, meine Kenntnisse in Ungarisch, Rumänisch und Deutsch reichen nicht mehr aus.“ Prompt bekommt sie eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Das sich als dreistündiger „psychologischer Eignungstest“ entpuppt - ohne Pause.
Überrascht über die Vorgehensweise, aber dennoch motiviert, sagt Melinda zu: „Da mir die Unternehmungsberatung zur Optikerausbildung geraten hat, dachte ich, ich habe nichts zu verlieren.“ Um über die Runden zu kommen, hat die 50-Jährige sogar als Mausmaskottchen im Designer-Outlet Parndorf gejobbt: „Und das, obwohl ich 20 Jahre Erfahrung als Dolmetscherin und Deutschlehrerin habe.“
Sie erscheint pünktlich zum Termin. Im Zimmer sitzen acht Bewerberinnen. Alle bekommen eine Mappe. Diese besteht aus:
„Wer zahlt das, und vor allem wieso?“, fragt sich die zweifache Mutter im Gespräch mit krone.at. Obendrauf äußert sie den Verdacht, dass wohl eine Firma solche „Tests“ im großen Stil durchführe. Dies bestreitet die Pressestelle des AMS: „Es werden keinesfalls Tests im großen Stil durchgeführt, sondern nur geeignete BewerberInnen eingeladen.“ Dennoch gibt es Eignungstests, bei denen je nach Stelle „die benötigten Qualifikationen getestet werden“. Wie viel die Durchführung und Auswertung dieser Tests kostet, wollen weder das AMS Burgenland noch der externe Psychologe verraten. Auf Anfrage erklärt dieser aber, dass die Tests vom AMS vorgegeben seien. Jährlich sind das zirka „300 bis 400“ solcher Eignungstests - bezahlt wird pro getestete Person.
Auch nach der Absage für den Job hat Melinda C. keine Möglichkeit, ihre Mappe mit der Auswertung zu Gesicht zu bekommen. Immerhin bekommt sie eine telefonische Rückmeldung. Das AMS dazu: „Jeder Bewerber bzw. jede Bewerberin hat die Möglichkeit, ein persönliches Feedback zum gesamten Bewerbungsverfahren zu erhalten.“ Nun kehrt Melinda Österreich den Rücken und unterrichtet ab 30. April Deutsch an einer Uniklinik im deutschen Magdeburg: „Endlich kann ich etwas Sinnvolles machen“, sagt sie und lächelt erstmals.
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