Es gilt als das „böse Buch“ schlechthin: Hitlers „Mein Kampf“ ist neben der Bibel das wohl meist verbreitete deutsche Buch - das bis heute immer wieder für heftige Diskussionen sorgt. Einen durchaus provokanten Zugang, sich mit dem Propagandawerk des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen, hat jetzt der Wiener Andreas Joska gewählt. Unter dem Titel „Kein Mampf“ lässt der Künstler und Grafiker aus der Hetzschrift nämlich ein Kochbuch entstehen, ausgewählte Rezepte sind ab sofort im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes ausgestellt. Eine gute Idee zur Geschichtsaufarbeitung? Oder geht das zu weit?
Jeder glaubt, „Mein Kampf“ zu kennen. Kaum einer hat das dunkle Symbol des Nationalsozialismus gelesen. Die Urheberrechte sind mit dem 70. Todestages von Adolf Hitler ausgelaufen, seit 1. Jänner 2016 darf theoretisch jeder „Mein Kampf“ drucken. Mittlerweile gibt es eine überaus erfolgreiche kommentierte Ausgabe - damit wollen die Historiker das Nazi-Pamphlet mit Fakten bekämpfen.
Einen ebenfalls legalen, wenn auch etwas provokanteren - für manche möglicherweise verstörenden - Zugang der Auseinandersetzung mit Hitlers „bösem Buch“ hat der Wiener Künstler Andreas Joska für sein Projekt gewählt. Er zerschneidet seit 2016 „Mein Kampf“ in seine einzelnen - 1,57 Millionen um genau zu sein - Buchstaben und setzt diese in mühevoller Kleinstarbeit wieder zu einem Kochbuch zusammen.
Der Wunsch, das Buch zu zerstückeln
„Als vor zwei Jahren das Copyright für ,Mein Kampf‘ auslief, kam in mir der Wunsch auf, das Buch zu zerstückeln. Dass ich ein Kochbuch daraus machen würde, wurde mir erst klar, als ich schon einige Seiten zerschnitten hatte. Ich spielte mit den Buchstaben des Titels und daraus entstand ,Kein Mampf‘“. Die Kategorie des Kochbuchs sei auch deshalb für ein Hitler-Projekt interessant, weil es „extrem unpolitisch“, „nicht wertend“ und „eigentlich was Freundliches“ ist, so der Künstler.
„Die meisten Menschen essen gerne und genießen das auch. Beim Kochen nimmst du Sachen, schnippelst sie in kleine Stücke, haust sie in einen Topf, mischt ein paar Mal durch und das was herauskommt ist im Normalfall was Gutes“, vergleicht Andreas Joska die Arbeit an seinem Projekt mit dem Kochen. „Und genau das mach‘ ich mit dem Buch: Ich nehme das Buch, schnippsle es in kleine Stücke, ordne die, sortiere sie und würfle sie zu was Neuem zusammen.“
„Nichts macht Hitler kleiner als ein guter Witz über ihn“
Dass aber der Humor gerade in Verbindung mit Adolf Hitler ein durchaus „heikles Thema“ ist, ist dem Künstler bewusst. Er versteht es deshalb auch, wenn Leute sagen: „Wie kannst du das jetzt nur so durch den Kakao ziehen?“ Doch einfach nur „ein lustiges Licht“ will der Wiener nicht auf Hitlers Hetzschrift werfen - er ist aber der Ansicht, dass sich mehr Menschen mit dem Projekt auseinandersetzen, wenn es einen „leichten humoristischen Touch“ hat. Außerdem gilt für den Künstler: „Nichts macht Hitler kleiner als ein guter Witz über ihn.“
Er will mit „Kein Mampf“ aber auf jeden Fall mehr als nur provozieren, vielmehr die Betrachter dazu bringen, „sich wieder mit dem schwierigen Thema des Dritten Reichs und dem damit verbundenen Elend zu beschäftigen“. Der humorige Titel sei dabei nur „Mittel zum Zweck“, erklärt Andreas Joska die Hintergründe des vor Kurzem mit dem Franzl-Design-Award prämierten Projekts.
Rezepte teils aus Großmutters Sammlung
Die ersten Rezepte für das Kochbuch stammen von Freunden, die unter anderem ihre Großeltern darum gebeten haben - und bei dieser Gelegenheit vielleicht auch die Vergangenheit der eigenen Familie aufgearbeitet haben. Denn oftmals gibt es zu den Rezepten der Großmutter auch eine Geschichte, die der jüngeren Generation vielleicht noch nie erzählt worden ist. Grob gerechnet können aus dem zerstückelten Hitler-Werk bis zu 2000 Rezepte entstehen - was allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. „Das Schöne daran ist, dass alle mitmachen können, die ein Zeichen gegen den Nationalsozialismus setzen wollen.“
Der außergewöhnliche Ansatz werfe jedenfalls ein neues Licht auf ein Thema, mit dem sich viele nach Ihrer Schulzeit nicht mehr beschäftigen wollten, ist der Künstler von seinem Projekt überzeugt. Gerade im Gedenkjahr 2018 steche diese Ausstellung durch ihre Originalität und Brisanz hervor, sagt Andreas Joska. Von 8. Mai bis 29. Juni werden knapp 20 Rezepte im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes in Wien im Alten Rathaus in der Wipplingerstraße 6-8 gezeigt. Der Eintritt ist frei.
Geht der Künstler mit dem Kochbuch zu weit?
Wir wollen nun wissen, was unsere Leser von dem Hitler-Kochbuch halten: Ist „Kein Mampf“ eine gute Idee, um sich mit Hitlers Propagandawerk auseinanderzusetzen? Soll man tatsächlich aus dieser Hetzschrift des Nationalsozialismus etwas Neues entstehen lassen? Oder geht der Künstler mit seinem Kochbuch zu weit?
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