Ein Jahr nach Abtritt

Mitterlehner: „Politik ist mir heute teils fern“

Österreich
10.05.2018 06:57

Mit seinem Rücktritt als Vizekanzler ließ Reinhold Mitterlehner (62) genau vor einem Jahr eine politische „Bombe“ platzen. Zum Jahrestag spricht er über sein Leben nach der Politik.

„Krone“: Mit 62 Jahren sind Sie heute mit einer Firma für Projektentwicklung und Strategieberatung „Jungunternehmer“ - genießen Sie Ihr neues Leben?
Reinhold Mitterlehner: Ja, ich nehme interessante Aufgaben wahr und kann und darf ein selbstbestimmtes Leben führen - das ist Lebensqualität.

Die Politik geht Ihnen nicht ab - keinerlei Entzugserscheinungen?
Die Politik ist mir heute teilweise sehr fern. Die Arbeit und Entscheidungen der Bundesregierung verfolge ich natürlich mit Interesse, denn als ehemaliger Politiker bleibst du ja dein Leben lang ein politischer Mensch.

Also ein Jahr danach kein Blick zurück im Zorn?
Nein, auch wenn die Zeit nicht alle Wunden heilt, aber das ist Schnee von gestern. Ich habe aus der Politik, von den vielen Begegnungen mit Menschen, auch viel Gutes und Positives mitgenommen. Intrigen, Illoyalität und Machtkämpfe gehen mir allerdings nicht ab.

Die „Django“-Zeiten sind längst vorbei. (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Die „Django“-Zeiten sind längst vorbei.

Hand aufs Herz: Wie schwer ist Ihnen der Umstieg von der Politik ins Privatleben gefallen?
Eine sehr große Umstellung, die erste Zeit war nicht einfach: Du hast kein Backoffice mehr, keinen Dienstwagen und vieles andere nicht mehr. Im Prinzip musst du dich resozialiseren - fast so wie ein Mensch nach einem Gefängnisaufenthalt. Als Vizekanzler und Minister war mein Leben ja minutiös wochenlang durchgeplant - ich habe aber rasch gelernt, mich selbst zu organisieren. Behördengänge zu absolvieren und zu Terminen nicht mehr kutschiert zu werden, sondern selbst zu fahren oder die Öffis zu benutzen - was ich bei meinen Terminen in Wien sehr gerne mache.

Also auch eine neue Lebensqualität, die Sie sicherlich genießen werden?
Ja, es ist herrlich und tut mir gut, ein selbstbestimmtes Leben führen und mehr Freizeit genießen zu dürfen. Mich daheim im oberösterreichischen Mühlviertel auf das Rad schwingen zu können oder eine Wanderung mit meiner Frau durch unsere schöne Natur - wunderbar!

Ihr heutiges Verhältnis zu Bundeskanzler Sebastian Kurz?
Korrekt! Wir haben uns ausgesprochen und uns kürzlich zu einem Mittagessen getroffen.

Verhältnis nicht immer friktionsfrei: Mitterlehner und sein Nachfolger an der ÖVP-Spitze, Sebastian Kurz (Bild: APA/ERWIN SCHERIAU)
Verhältnis nicht immer friktionsfrei: Mitterlehner und sein Nachfolger an der ÖVP-Spitze, Sebastian Kurz

Was sagen Sie zum Rücktritt von NEOS-Chef Matthias Strolz?
Das ist auch für mich überraschend gekommen. Er hat sicher Gründe, wie auch ich vor einem Jahr - Strolz allerdings wohl von anderer Art.

Ihr Ratschlag aus eigener Erfahrung an ihn?
Das Leben nach seiner persönlichen Fasson gestalten, Freiheit und Lebensqualität genießen. Das Paradies fällt einem nicht in den Schoß, das muss man sich erarbeiten.

Max Stöger, Kronen Zeitung

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