Zwölf Jahre lang den Staat abgezockt, und keiner hat etwas bemerkt! Der schier unfassbare Fall von Sozialbetrug, im Zuge dessen eine Austro-Türkin in Tirol zu Unrecht Sozialhilfe in Höhe von über 100.000 Euro kassiert haben soll, löste einen Sturm der Entrüstung aus. Dabei ist das alles andere als ein Einzelfall ...
Es war ein Hinweis aus dem „näheren Umkreis der Familie“, der die Polizei auf die Fährte der mutmaßlichen Betrügereien führte. Details dazu ließen sich die Ermittler nicht entlocken. So viel steht aber fest: Die 39-jährige Austro-Türkin, die den österreichischen Behörden vorgegaukelt hatte, in Jenbach zu wohnen, in Wahrheit aber seit 2006 ihren Lebensmittelpunkt in der Türkei hat, soll über all die Jahre fleißig Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Unterhaltsvorschusszahlungen, Notstandshilfe und Co. bezogen haben. Alles in allem kamen dabei über 100.000 Euro zusammen!
Als sich die Verdächtige in die Türkei abgesetzt hatte, waren ihre zwei Kinder zwei bzw. drei Jahre alt. Die Miete für ihre Gemeindewohnung in Jenbach zahlte sie offenbar brav weiter. Behördengänge erledigte sie laut Polizei bei „Kurzbesuchen in Tirol“. 2016 brachte die geschiedene Frau hier ihr drittes Kind zur Welt - um folglich auch für dieses Sozialhilfe zu beantragen. Danach ging es dann wieder in die Türkei zurück.
Zwei Kinder sind im schulpflichtigen Alter
Der Fall schlägt hohe Wellen. Viele Fragen brennen unter den Fingernägeln: Wie konnte so etwas passieren? Warum hat keiner etwas bemerkt? Ein Beispiel: Zwei der Kinder sind mittlerweile im schulpflichtigen Alter. Schon allein diese Tatsache hätte doch in den heimischen Amtsstuben jemandem auffallen sollen, ja müssen! Oder die Gemeindewohnung, die ja quasi verwaist gewesen sein muss. Ist da den Nachbarn nie etwas komisch vorgekommen?
Die Polizei hat nach dem Hinweis im Jänner Ermittlungen aufgenommen. Als die Frau davon Wind bekam, kehrte sie nach Jenbach zurück. Wollte sie da vielleicht noch etwas retten, was längst nicht mehr zu retten war?
Polizei: 39-Jährige zeigt sich geständig
Zu spät! Die Verdächtige wurde entlarvt - und ist geständig. Sie wurde angezeigt. Die betroffenen Behörden fordern nun laut Polizei das gesamte Geld zurück. Ob es Konsequenzen gibt, ist unklar. Als sicher gilt jedoch, dass jetzt bei einigen Beamten gehörig die Köpfe rauchen werden.
150 Gerichtsdelikte seit Sommer 2017
Dass der Fall um die Austro-Türkin keine Ausnahme ist, zeigt die Bilanz der polizeilichen Ermittlungsgruppe Sozialbetrug in Tirol, die im Sommer 2017 gegründet wurde. Die Beamten brachten seitdem schon rund 150 Gerichtsdelikte zur Anzeige. In den meisten Fällen handle es sich um Sozialbetrügereien, man habe es aber auch immer wieder mit diversen Begleitdelikten wie Urkundenfälschungen zu tun. „Die gesamte Schadensumme beläuft sich bisher auf rund 700.000 Euro“, so Herbert Kindlhofer von der Fremdenpolizei im „Krone“-Gespräch. Allein in vier Fällen habe es eine Schadenswiedergutmachung von insgesamt 110.000 Euro gegeben. Weiters wurden noch über 140 Verwaltungsübertretungen (etwa nach dem Meldegesetz) verzeichnet.
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