Leiche im See

Mutter: „Diese Bestie darf nie wieder freikommen“

Österreich
13.05.2018 06:00

Zsuzsa wuchs in einem kleinen ungarischen Dorf auf. Dann ging sie nach Wien, um hier das große Glück zu suchen. Und fand das Böse. In der „Krone“ spricht jetzt die Mutter der „Toten vom Neusiedler See“.

Es war am 4. Mai, als zwei Polizisten in Zsuzsanna N.s Haus in Rácalmás, einem kleinen Dorf in Mittelungarn, kamen und sie um eine Speichelprobe baten. „Die Männer erklärten mir, dass in Österreich eine junge Frau ermordet worden sei und der Verdacht bestehe, die unbekannte Tote könnte meine Tochter sein. Nein, sagte ich, es muss sich um einen Irrtum handeln, mein Kind arbeitet brav in Wien und es geht ihm gut.“

„In mir kam schreckliche Angst auf“
„Und doch“, erinnert sich die 48-Jährige, „kam in mir dann eine schreckliche Angst auf, ich versuchte, Zsuzsa telefonisch und per SMS zu erreichen.“ Vergeblich. „Und meine Angst wurde noch größer, als ich sah: Sie war zum letzten Mal am 28. März online gewesen ...“

(Bild: Christian Schulter, krone.at-Grafik)

Am vergangenen Montag die grauenhafte Gewissheit: „Ein Beamter rief mich an und teilte mir das Ergebnis des DNA-Abgleichs mit: ,Bei dem Opfer handelt es sich leider tatsächlich um Ihre Tochter.‘ Damit brach meine Welt zusammen, für immer.“ Jetzt sitzt die Mutter an ihrem Küchentisch, ihre Augen sind verschwollen vom vielen Weinen, mit zittrigen Händen kramt sie aus Kisten Bilder von ihrem verstorbenen Kind hervor. „Ich will noch immer glauben, dass alles bloß eine Verwechslung ist“, schluchzt sie.

(Bild: Schulter Christian)

„Sie hatte eine ganz normale Kindheit“
Frau N., erzählen Sie bitte über Zsuzsa. „Sie hatte eine ganz normale Kindheit“, wuchs mit zwei Brüdern auf, in ärmlichen Verhältnissen, der Vater starb früh, „aber ich schuftete fleißig als Küchengehilfin, also hatten wir immer genug zu essen.“ 
Nach der Pflichtschule machte das Mädchen eine Schneiderlehre: „Sie übte den Beruf jedoch nie aus.“ Warum? „Als sie in die Pubertät kam, wurde sie schwierig und hielt sich an keine Regeln mehr.“ Mit 16 heiratete sie, „einen Mann, der - wie sie - keine wirklichen Ziele hatte“. Bald die Geburt eines Buben, „die beiden kümmerten sich nicht ausreichend um ihn, er kam zu Pflegeeltern“.

Die Ehe wurde vor sieben Jahren geschieden. Zsuzsa war da 21. Und danach? „Beschloss sie, in der Fremde völlig neu zu beginnen.“ Bloß selten besuchte sie fortan ihre Heimat, um die Mutter und ihren Sohn zu sehen. Was erzählte die Tochter bei diesen Visiten über ihr Leben? „Dass sie sich in Wien niedergelassen hat und sich dort mit Gelegenheitsjobs - als Putzfrau, als Altenpflegerin, als Tellerwäscherin - über Wasser hält.“

„Sie wirkte oft traurig“
Hatte sie eine eigene Wohnung? „Sie berichtete von Freunden, die sie bei sich schlafen ließen.“ Glaubten Sie ihr? „Schon. Obwohl ich spürte: So hervorragend, wie sie behauptete, konnte es ihr nicht gehen.“ 
Warum diese Vermutung? „Sie wirkte oft traurig - und als sie vor vier Jahren ihr zweites Kind zur Welt brachte, gab sie es sofort zur Adoption frei.“ Der Vater? „Ein Österreicher, der sie bereits während der Schwangerschaft verlassen hatte.“ 

(Bild: Schulter Christian)

Dauernd habe Zsuzsanna N. versucht, „Zsuzsa zu einer Rückkehr nach Rácalmás zu überreden. Ich versprach ihr ein eigenes Zimmer in meinem Haus, finanzielle Unterstützung und dass ich ihr bei der Arbeitssuche helfen würde. Doch meine Tochter lehnte meinen Vorschlag strikt ab.“ Waren Sie sehr um ihre Tochter besorgt? „Ja, aber in den vergangenen Monaten weniger. Ich chattete und skypte regelmäßig mit ihr - und sie schien plötzlich glücklicher. Sie redete von einer Stelle als Reinigungskraft auf einem Bahnhof - und davon, endlich eine fixe Bleibe gefunden zu haben, bei einer netten Familie.“ Für welche Gegenleistung? „Sie versorgte den Haushalt.“ Putzte, kochte, „sie fragte mich häufig nach Rezepten“.

Das letzte Videotelefonat fand am 21. März statt: „Im Hintergrund sah ich ein hübsch eingerichtetes Zimmer, mit bunten Vorhängen vor den Fenstern.“ Am 28. März, wenige Stunden bevor die 28-Jährige in die Gewalt von Alfred U. geriet, schickte Zsuzsa ihrer Mutter noch per Facebook eine Nachricht: „Ich hab dich unendlich lieb, Gott soll dich beschützen.“

„Er hat mir mein geliebtes Kind genommen“
Mitte April erfuhr Zsuzsanna N. über ungarische Medien von dem Leichenfund im Neusiedler See: „An meine Tochter dachte ich dabei nicht.“ Der Täter behauptet, Zsuzsa wäre eine Prostituierte gewesen. „Das kann, das will ich nicht glauben.“ 
Ihre Empfindungen, diesem Mann gegenüber? „Er hat mir mein geliebtes Kind genommen. Ich halte ihn für eine Bestie und hoffe, dass er bis zu seinem Lebensende im Gefängnis bleibt.“

Alfred U. ist geständig, am 28. März die Frau getötet und zerstückelt zu haben. Die Eingeweide faschierte er und legte sie ins Kühlfach. (Bild: Martina Prewein, krone.at-Grafik)
Alfred U. ist geständig, am 28. März die Frau getötet und zerstückelt zu haben. Die Eingeweide faschierte er und legte sie ins Kühlfach.

Die sterblichen Überreste des Opfers sollen in Wien verbrannt werden. Die Urne mit der Asche will die Mutter in eine Vitrine stellen, in ihrem Haus in Rácalmás. „Meine Tochter hätte nie von hier weggehen dürfen...“

Ist Alfred U. ein Serienkiller?
32 Jahre saß Alfred U. bereits im Gefängnis, wegen grauenhafter Gewalttaten an Frauen. Die meisten der Opfer waren Prostituierte. Europol untersucht nun, ob der 63-Jährige für das Verschwinden mehrerer Prostituierter aus jüngster Zeit in Ungarn und in der Slowakei verantwortlich sein könnte. Zudem ermitteln die Cold-Case-Fahnder des BKA zu dem ungeklärten Mord an einer Prostituierten - 1993, im Burgenland. U. war damals gerade kurz in Freiheit.

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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