„Nicht alles prüfen“

Wollte deutsche Behörde Asyl-Skandal vertuschen?

Ausland
21.05.2018 17:09

Der Skandal um illegale Asyl-Bewilligungen durch Mitarbeiter des deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) weitet sich aus! Medienberichten zufolge sei die Behörden-Chefin schon im Februar 2017 über „massive Unregelmäßigkeiten“ informiert worden. Am Wochenende tauchten zudem E-Mails auf, in denen ein Bamf-Gruppenleiter angeblich darum gebeten hätte, den Vorfällen „geräuschlos“ nachzugehen und nicht alles „bis ins Detail“ zu prüfen. Im Zentrum der Affäre steht die Bamf-Außenstelle in Bremen. Dort sollen zwischen 2013 und 2016 Mitarbeiter mindestens rund 1200 Menschen Asyl gewährt haben, ohne die Voraussetzungen ausreichend zu prüfen.  Zudem seien Schleuser, syrische Geheimdienstler und mutmaßliche IS-Sympathisanten, die sich als Asylwerber getarnt hatten, durchgewunken worden.

Der „Spiegel“ berichtete am Sonntag, Anfang 2017 habe ein Bamf-Mitarbeiter vor einer Überprüfung von Asyl-Bescheiden der Bremer Außenstelle durch niedersächsische Behörden gewarnt. Er soll demnach vorgeschlagen haben, mit einer eigenen Untersuchung den niedersächsischen Beamten zuvorzukommen, bevor es „Politgetöse“ gebe. Diese Mail soll nach Darstellung des „Spiegel“ auch Bamf-Chefin Jutta Cordt erhalten haben. Sie hatte erst vergangenen Freitag eine umfassende Aufklärung der Affäre versprochen.

(Bild: APA/AFP/Christof Stache)

Mitarbeiter warnte: „Die Sache würde ein schlechtes Bild auf das Bundesamt werfen“
An dem Mail-Verkehr über die Unregelmäßigkeiten in der Bremer Außenstelle war nach dem Bericht auch ein Bamf-Referent beteiligt, der eine Überprüfung der Bremer Asylbescheide aus den Jahren 2015 und 2016 vorschlug, aber auch warnte, sollte die Sache „an die Öffentlichkeit gelangen, würde dies ein schlechtes Bild auf das Bundesamt werfen“. Ein Gruppenleiter aus der Bamf-Zentrale habe dann entschieden, man solle „geräuschlos“ vorgehen. „Ich möchte nicht, dass alles bis ins Detail geprüft wird“, zitierte das Magazin aus dessen Mail.

Bamf-Sprecher: „Behördenleitung wusste nichts von den E-Mails“
Ein Bamf-Sprecher bestätigte die Existenz der E-Mails, bestritt aber, dass die Behördenleitung davon wusste. Ziel sei es gewesen, „die Verfahren zunächst intern zu sichten“, teilte der Sprecher mit. Eine Prüfung der Hinweise sei „unverzüglich eingeleitet“ und die Personalabteilung „unverzüglich informiert“ worden. Bamf-Chefin Jutta Cordt hat bereits angekündigt, 18.000 in Bremen erlassene Asylbescheide noch einmal unter die Lupe nehmen zu lassen. Die „Bild am Sonntag“ schrieb unterdessen, bei weiteren 13 Bamf-Außenstellen hätten sich Auffälligkeiten bei einer internen Prüfung ergeben. Im Vergleich zu anderen Dienststellen habe es dort Abweichungen „nach oben oder nach unten“ gegeben. Deswegen sollten zusätzlich zu den 18.000 in Bremen noch 8000 weitere Anträge noch einmal überprüft werden. 

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bild: AFP)
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Erste Warnungen an das Bundesamt bereits 2016
Gegenüber dem Innenausschuss des Deutschen Bundestags hatte Cordt kürzlich einen Überblick über die Abläufe der internen Untersuchungen gegeben. Den Vorgang im Februar 2017 habe sie gegenüber den Abgeordneten aber nicht erwähnt, heißt es in dem Bericht. Doch schon 2016 habe es Warnungen an das Bundesamt gegeben, dass es bei den Asylbescheiden aus Bremen möglicherweise nicht mit rechten Dingen zugehe. Der interne E-Mail-Verkehr vom Februar 2017 belege nun, wie Mitarbeiter des Bundesamts mit dem Verdacht umgegangen seien.

Das Bundesamt erklärte dazu, dass Cordt im Innenausschuss angegeben habe, im Oktober vergangenen Jahres über den Verdacht einer Urkundenfälschung in der Außenstelle informiert worden zu sein und dass bereits am folgenden Tag die Innenrevision mit der Prüfung beauftragt worden sei. Heuer im April war schließlich bekannt geworden, dass die frühere Leiterin der Bremer Bamf-Außenstelle in 1200 Fällen Asylanträge zu Unrecht bewilligt haben soll. Gegen sie und fünf weitere Beschuldigte wird deshalb ermittelt.

Ein Flüchtling in einer deutschen Erstaufnahmestelle (Bild: APA/dpa-Zentralbild/arifoto UG)
Ein Flüchtling in einer deutschen Erstaufnahmestelle

FDP und AfD fordern U-Ausschuss
Angesichts immer neuer Details in der Affäre pochen die FDP und die AfD im Bundestag auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Der FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Offenbar weiß weder im Bundesinnenministerium noch im Bamf die linke Hand, was die rechte tut.“ Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gottfried Curio, warf dem Bundesamt und dem Ministerium vor, nur zuzugeben, was schon durch die Presse gegangen sei. „Aufklärungswille sieht anders aus“, sagte er. 

Seehofer: „Vorfälle haben sich vor meiner Amtszeit ereignet“
Für einen Untersuchungsausschuss müsste ein Viertel der Abgeordneten stimmen, neben AfD und FDP bräuchte es daher eine dritte Fraktion. SPD und Linke lehnen einen Ausschuss ab, die Grünen zeigen sich skeptisch. Die Union hätte keine Einwände: „Würde es zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kommen, stehen wir dem absolut offen gegenüber“, sagte der innenpolitische Fraktionssprecher Mathias Middelberg (CDU) dem „Handelsblatt“. Eine baldige Sondersitzung des Innenausschusses zu der Affäre befürworte er „uneingeschränkt“. Das Vertrauen ins Bamf müsse wiederhergestellt werden. Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte im Bundestag gesagt, ein Untersuchungsausschuss sei für ihn „keine Bedrohung“. Die Bremer Vorfälle hätten sich vor seiner Amtszeit ereignet.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer mit Bamf-Präsidentin Jutta Cordt (Bild: APA/AFP/dpa/Daniel Karmann)
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer mit Bamf-Präsidentin Jutta Cordt

Asylskandal sorgt für massiven Vertrauensverlust in die Behörde 
Die Affäre hat jedenfalls einen massiven Vertrauensverlust der Bevölkerung in das Bamf ausgelöst. Vier von fünf Bürgern haben nach einer Civey-Umfrage für die „Welt“ ein eher geringes oder sehr geringes Vertrauen in die Vergabepraxis von Asylbescheiden beim Bamf. Nur knapp neun Prozent der Befragten haben demnach ein großes oder sehr großes Vertrauen in die Behörde.

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