Viele Menschen in Österreich wollen wissen, was auf ihren Tellern landet: Auch wenn sie ins Wirtshaus gehen. Um die Pflicht zum Ausweisen der Lebensmittelherkunft auch in der Gastronomie schwelt seit Längerem ein Streit in der türkis-grünen Bundesregierung. Die Grünen sind dafür, die ÖVP ist dagegen. Genau wie Mario Pulker, Spartenobmann der Gastronomie in der WKO, der in der Herkunftskennzeichnung ein „totales No-Go“ sieht. Er befürchtet zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Gastwirte und argumentiert, dass bei Schweine- und Kalbfleisch die Versorgung durch heimische Bauern gar nicht gegeben sei. Pulker setzt vielmehr auf die freiwillige Kennzeichnung und praktiziert diese auch in seinem eigenen Restaurant in der Wachau.
krone.at: Herr Pulker, warum ist die Wirtschaftskammer gegen eine verpflichtende Lebensmittelkennzeichnung in der Gastronomie?
Mario Pulker: Aus Sicht der Gastronomie ist es eigentlich ganz einfach. Wir haben einen eigenen Verein gegründet, die Kulinarik GmbH, mit 1200 Mitgliedsbetrieben. Diese loben die Herkunft freiwillig aus und lassen sich auch kontrollieren, aber alles auf freiwilliger Basis. Wenn man jetzt eine generelle Herkunftskennzeichnung machen würde, würde man diesen Mitgliedsbetrieben ihr Alleinstellungsmerkmal wegnehmen. Da sind genug Betriebe dabei, die haben einen Mehrwert davon. Das wollen wir nicht zerstören. Wir wollen auf dieser freiwilligen Basis die Betriebe unterstützen, auch die Konsumenten und Produzenten, da soll ein gutes Netzwerk entstehen.
Gerade in dieser Krise mit der Diskussion anzufangen, das ist schon ein starkes Stück, das man jetzt überlegt, uns mit zusätzlichen Maßnahmen zusätzlich zu belasten. Unsere Betriebe haben noch während sie wieder geöffnet haben, zwischen 15 und 25 Prozent Umsatzrückgang. Da ist eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung ein totales No-Go.
In der Schweiz gibt es die verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Fleisch. Da können sich die Leute aussuchen, ob sie das teure heimische Fleisch oder das billige, zum Beispiel aus den USA, essen wollen.
Das kann die Schweiz machen, weil sie nicht EU-Mitglied ist. Der Verband dort ist gegen das Gesetz Sturm gelaufen, es hat den Erzeugern letztlich nichts gebracht, weil die Leute sagen: „Okay, es muss gut schmecken und der Preis muss passen.“ Eine Pflicht zur Herkunftskennzeichnung gibt es in der gesamten EU nicht. Man hat versucht in Frankreich, das war klar EU-rechtswidrig. Man würde den eigenen freien Markt einschränken, während es klare Nachteile für die Mitgliedsbetriebe gibt, es ist ein bürokratischer Riesenaufwand. Das muss jemand kontrollieren. Die Lebensmittelinspektoren haben aber, glaube ich, genug Arbeit, in letzter Konsequenz muss man sagen, warum soll nicht gesetzlich irgendwem was verordnen, nur um ein Produkt zu präsentieren, das sowieso EU-weiten Standards genügt. Wir haben in der EU die höchsten Lebensmittelstandards weltweit. Das geht über Österreich hinaus.
Es ist ein bürokratischer Riesenaufwand. Das muss auch jemand kontrollieren. Die Lebensmittelinspektoren haben aber genug Arbeit.
Mario Pulker, Gastro-Spartenobmann in der Wirtschaftskammer Österreich
Der grüne Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein drängt auf eine verpflichtende Kennzeichnung, ein Verordnungsentwurf ist fertig, die ÖVP ist aber dagegen. Wie sehen Sie den Vorstoß?
Bei der Verordnung haben wir ganz klar unser Statement abgegeben. Es gibt mit uns keine gesetzliche Herkunftskennzeichnung, es steht auch nicht im Regierungsprogramm, das wäre eine Kriegserklärung, da kracht‘s und scheppert‘s dann aber ordentlich.
Der Entwurf sieht vor, dass etwa Kantinen vorgeschrieben wird, die Herkunft von Rindfleisch und Eiern auszuweisen.
Ja, die Großverpfleger haben sich da geeinigt, die wollen das probieren, das war auch bis voriges Jahr ein Hin und Her. Wwenn die staatlichen Institutionen eine Kennzeichnung wollen, sollen sie es einmal bei ihren Bereichen versuchen, also in Kasernen, Kantinen, Gefängnissen, überall wo es Verpflegung gibt, die dem jeweiligen Ministerium unterstellt ist. Dann können sie schauen, wie weit sie kommen, was die Verfügbarkeit hergibt und wo sie mit den Kosten stehen. Der berühmte Euro ist ein riesengroßer Blödsinn. Eine Studie in Deutschland hat ergeben, dass eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung die Lebensmittel um 35 bis 48 Prozent verteuern würde.
Es wird immer wieder der bürokratische Aufwand beklagt. Worin besteht der genau?
Man müsste andauernd Speisekarten umschreiben. Für die Edelteile gibt dir kein Fleischhauer in Österreich eine Garantie, dass er dich über sechs Monate beliefern kann. Oder er sagt von einer Woche auf die andere, dass es keine österreichische Beiried mehr gibt. Kürzlich hat mein Fleischhauer mich angerufen und gesagt, kauf dir was auf Vorrat, weil die nächsten Wochen gibt es keine österreichische Beiried mehr, der Markt ist leer, wir haben nichts. Wenn ich eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht habe, gleichzeitig aber die Produzenten gar nicht für ausreichende Ware sorgen können, heißt das, ich muss in der Sekunde meine Speisekarte umschreiben, aus Haftungsgründen.
Aber wenn man es kennzeichnen würde, ist zumindest Transparenz da, es heißt ja nicht, dass es aus Österreich kommen muss.
Wenn ich es wirklich wissen will, dann frag ich halt nach. Sie werden eine Auskunft kriegen. Aber wenn jemand essen geht und für ein Schnitzel 3,99 Euro zahlt, braucht er eh nicht nachfragen, woher das Fleisch kommt. Insgesamt ist die Pflicht zur Herkunftskennzeichnung ein Hirngespinst. Es funktioniert nur auf freiwilliger Basis, wo wir die Betriebe motivieren. Laut einer market-Umfrage haben die Mitgliedsbetriebe um 58 Prozent mehr auf heimische und regionale Lebensmittel geschaut. Das heißt, der Trend ist sowieso da. Immer mehr gute Betriebe springen auf.
Fragen in Ihrem Restaurant viele Leute nach, ob die Lebensmittel aus Österreich kommen?
Ich war heuer den ganzen Sommer in der Küche, eigentlich habe ich das nicht mitgekriegt, man erwartet das teilweise so. Also ich habe nix mitgekriegt. Ich habe die letzten Jahre immer schon österreichische Ware verwendet, habe keine Zeit dazu gefunden, es auf die Karte zu schreiben. Heuer habe ich das zum ersten Mal gemacht. Aber auch in den letzten Jahren war nie die Frage, wo kommt das eigentlich her, vielleicht ein oder zweimal in der Saison. Wenn gefragt wird, kommen die Servicemitarbeiter in die Küche, und es steht dann eh auf der Packung oben, wo es herkommt.
Es geht auch um die Versorgungssicherheit, die nicht bei allen Lebensmitteln gegeben ist. Bei Frischeiern könnte man den Bedarf aus dem Inland decken. Wäre es vorstellbar, die Herkunft von Frischeiern auf der Speisekarte auszuweisen?
Egal, was ich aufschreibe: Es ist eine Verpflichtung, das ist auch von dem Rechtsstandpunkt, den wir eingeholt haben, nicht EU-rechtskonform. Weil das Frischei aus Deutschland nicht schlechter ist als das Frischei aus Österreich. Bei Käfigeiern ist es wieder was anderes, weil das Hendl hat es nicht leiwand gehabt im Käfig. Aber es heißt nicht, dass das Ei schlecht ist.
Dass das Tier gut gehalten wurde, ist für viele sicher auch ein wichtiger Punkt.
Ich denke, das muss ein jeder mit sich selbst abklären. Darum haben wir auch die Kulinarik-Cluster mit freiwilliger Kennzeichnung, wo wir zu dem Thema sensibilisieren. Wenn man weiß, warum es mehr kostet, dann überlegt man sich, ob man ein paar Cent mehr zahlt.
Es gibt mit uns keine gesetzliche Herkunftskennzeichnung. Es steht auch nicht im Regierungsprogramm. Das wäre eine Kriegserklärung.
Glauben Sie, dass da noch viel Illusionen da sind bei den Konsumenten, die gar nicht wissen, wie Lebensmittelproduktion in Wirklichkeit abläuft?
Total, manche leben da echt in einer Scheinwelt. Wir reden ja nicht von einem Schwein, das auf Stroh liegt, das kaufe ja ich als Betrieb allein. Wir haben drei Bauern, die nur für unsere zwei Betriebe Schafkäse, Blutwurst und Geselchtes produzieren, für meinen Bruder und mich, mehr können die nicht machen, darum sind sie kleine regionale Produzenten. Deren Ware ist dann weg, die können nicht mehr liefern.
In Österreich schaut man als Landwirtschaftsvertreter zu, wie die Besatzungsdichte für Puten schlechter gestellt wird wie über der Grenze in Ungarn, dann beschwert man sich, dass man nicht mehr zum selben Preis wie die Ungarn produzieren kann. Das ist aber nicht das Problem der Gastronomie. Wenn ich im Käfig nur noch sechs statt acht Puten sitzen habe, ist das zwar schön für das Tier, aber der Bauer kann nicht mehr mithalten mit der Konkurrenz über der Grenze. Da muss man schon auch sagen, wo ist die Realität?
Kaufen Sie selbst österreichische Lebensmittel?
Ich bin ein großer Befürworter österreichischer Lebensmittel, auch wenn ich privat einkaufe, auch aus Nationalstolz heraus. Mir ist ja auch bewusst, dass wir die Bauern haben, die wichtig sind, die sind auch Landschaftsgärtner. Deswegen ist mir wichtig, dass ich deren Produkte kaufe. Man kann nur auf diesem Weg selbst entscheiden. In Wirklichkeit geht ja viel über den Handel, mir gefällt das irgendwie, dass das Ministerium sagt: „Das ist ein Wahnsinn, wie böse der Lebensmittelhandel ist, der drückt ja so stark die Preise.“ Man wehrt sich dagegen und sagt, das ist eine Frechheit. Auf der anderen Seite will man aber uns was diktieren. Das geht sich nicht aus. Auf der einen Seite will man es nicht, aber den anderen will man es draufdrücken. Das ist eine Ungleichbehandlung, die so nicht geht.
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