298 Schicksale

MH17: Das waren die letzten Stunden der Todesopfer

Ausland
23.07.2014 16:06
Sie alle hatten unterschiedliche Ziele und Gründe, um am vergangenen Donnerstag an Bord von Todesflug MH17 zu gehen. Doch mit einem Schlag wurden die 298 Passagiere aus aller Welt Teil eines schrecklichen Ereignisses, das auch ihr letztes gemeinsames wurde. Angehörige und Freunde fragen sich, wie all das geschehen konnte - und klammern sich an die letzten gemeinsamen Stunden, Telefonate und E-Mails.

"Mama, darf ich dich umarmen?", fragte Miguel Panduwinata seine Mutter Calehr am Abend vor seinem großen Tag. Die Boeing der Malaysia Airlines hätte den Elfjährigen und seinen älteren Bruder nach Bali fliegen sollen, wo die beiden ihre Großmutter besucht und einige Zeit geurlaubt hätten. Miguel sei in den letzten Tagen vor seiner Urlaubsreise ungewohnt unruhig gewesen und habe immer wieder Fragen rund um den Tod gestellt, erinnert sich Calehr Panduwinata. In der Nacht vor dem Abflug habe ihr jüngster Sohn gar nicht mehr loslassen wollen, deshalb haben sie die ganze Nacht eng aneinandergekuschelt verbracht.

"Keine Sorge, ich werde mich um ihn kümmern"
Auch der Abschied am nächsten Tag sei Miguel sehr schwer gefallen. Als die beiden Brüder auf dem Weg zum richtigen Gate auf dem Flughafen Schiphol in Amsterdam waren, habe sich der Elfjährige wieder umgedreht und sich noch einmal an die Mutter geschmiegt. "Mama, ich werde dich vermissen", seien die letzten Worte von Miguel gewesen. "Mach dir keine Sorgen, ich werde mich um ihn kümmern", lauteten die Beruhigungsversuche des 19-jährigen Bruders. Dann verabschiedeten sich die beiden von ihrer Mutter und verschwanden für immer.

Sue und Ross Campbell (Paar links) leben noch, Albert und Maree Rizk nahmen den falschen Flieger. (Bild: AP)
Sue und Ross Campbell (Paar links) leben noch, Albert und Maree Rizk nahmen den falschen Flieger.
Miguel Panduwinata (li.) mit seiner Mutter Samira (2. re.) und seinem Bruder Shaka (re.) (Bild: AP)
Miguel Panduwinata (li.) mit seiner Mutter Samira (2. re.) und seinem Bruder Shaka (re.)
Der Neuseeländer Rob Ayley wollte seine Karriere als Hundezüchter starten. (Bild: AP)
Der Neuseeländer Rob Ayley wollte seine Karriere als Hundezüchter starten.
Jijar Singh Sandhu und seine Frau Jagjit Kaur Sandhu trauern um ihren geliebten Sohn. (Bild: AP)
Jijar Singh Sandhu und seine Frau Jagjit Kaur Sandhu trauern um ihren geliebten Sohn.

"Wir sehen uns am Samstag. Alles Liebe! Rob"
Für den 29-jährigen Neuseeländer Rob Ayley hätte mit Flug MH17 ein neuer Lebensabschnitt beginnen sollen. Nach jahrelanger Suche und Misserfolgen beruflicher sowie privater Natur, hatte er endlich seine große Liebe gefunden. Gemeinsam mit seiner Frau wollte er nach einer großen Europa-Rundreise ihren Traum von einer Hundezuchtstation verwirklichen. Ayleys Familie in Neuseeland freute sich bereits unheimlich auf das Wiedersehen. Auch das Paar wollte schon ihre Liebsten wieder in die Arme schließen. "Ich hoffe, es ist alles in Ordnung. Falls wir uns nicht mehr hören, wir sehen uns am Samstag. Alles Liebe, Rob!" So lautete die letzte E-Mail, die Ayleys Familie vom geliebten Sohn erhielt.

Flugbegleiter tauschte Dienst, jetzt ist er tot
Sanjid Singh war Flugbegleiter und befand sich ebenfalls auf der Heimreise. Um seine Familie in Malaysia noch früher zu sehen, tauschte er sogar seinen Dienst mit einem Kollegen. Vor fünf Monaten hatte ein ähnlicher Diensttausch noch seine Familie gerettet. Seine Frau, die ebenfalls als Flugbegleiterin arbeitet, wäre um ein Haar auch an Bord der Malaysia-Airlines-Maschine mit der Flugnummer MH370 gewesen, die seit 8. März verschollen ist.

Die Eltern verstehen nicht, warum das Schicksal ihre Schwiegertochter rettete und in einem ähnlichen Fall ihren Sohn sterben ließ. "Es hat ihr Leben gerettet. Nun hat mein Sohn das Leben eines anderen Menschen gerettet", meint Singhs Vater.

Ein letztes Mal gemeinsam auf Urlaub
Sue und Ross Campbell und Albert und Maree Rizk waren befreundete Ehepaare aus Australien, die seit Jahren gemeinsam auf Urlaub fuhren. Dieses Jahr wäre es beinahe nicht gelungen, da die Rizks einen vollen Terminkalender hatten. Doch irgendwie schafften sie es doch noch, sich Zeit für ihre besten Freunde zu nehmen und mit ihnen gemeinsam durch Italien, die Schweiz, Deutschland und die Niederlande zu reisen.

Im Zuge ihres Trips erfüllte sich das befreundete Paar auch einen Lebenstraum: die Besteigung des Kleinen Matterhorn in den Walliser Alpen. Nach diesem Abenteuer fuhren sie nach Amsterdam, wo sie ein letztes Mal zusammen aßen, tranken und feierten. Während die Rizks Tickets für Flug MH17 hatten, flogen die Campbells mit einer anderen Passagiermaschine wieder nach Australien. Als sie wieder in ihrer Heimat eintrafen, erfuhren sie vom Absturz der Malaysia-Airlines-Maschine in der Ostukraine. Daraufhin fuhren sie zum Haus der Rizks, wo Marees Stiefmutter erfahren musste, dass sie bereits zum zweiten Mal Mitglieder ihrer Familie in einem Malaysia-Flieger verloren hatte.

"Ein Blitz schlägt nie zweimal ein"
Freunde des verunglückten Paares hatten sich bereits vor dem Absturz überrascht gezeigt, dass Albert und Maree mit Malaysia Airlines flogen, obwohl bereits Flug MH370 die Familie ins Unglück gestürzt hatte: An Bord jener Maschine, die seit 8. März verschwunden ist, waren der Bruder und die Schwägerin von Marees Stiefmutter. Warum bloß Malaysia Airlines? Auf diese Frage eines Freundes hatte Albert vor dem Abflug entgegnet: "Ein Blitz schlägt nie zweimal ein." Damit spielte er auch auf den Blitzeinschlag in seinem Haus im Vorjahr an.

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