Mitterlehner im Talk

“‘Django’ hat mir besser gefallen als ‘Zwirn'”

Österreich
06.09.2014 16:30
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (58) spricht mit Conny Bischofberger über das Haifischbecken ÖVP, den Menschen hinter "Django" und seinen behinderten Bruder.

Das Wirtschaftsministerium am Wiener Stubenring: Der schwarze Spannteppich auf dem Weg in sein Büro hat ein Muster aus roten Rosen, im Vorzimmer liegt die "Financial Times". Reinhold Mitterlehner trägt eine grüne Krawatte ("Ist kein politisches Signal") und lässt sich Cola light servieren. Fragen beantwortet er in Topmanager-Manier ohne Punkt und Komma, dazu bewegen sich die Falten auf seiner Stirn in alle Richtungen. Nur manchmal gelingt es, den technokratischen Mühlviertler für kurze Momente aus der Reserve zu locken.

Hier können Sie Audio-Ausschnitte vom Interview mit Reinhold Mitterlehner hören: Clip 1Clip 2Clip 3.

"Krone": Herr Vizekanzler, wie klingt die neue Anrede?
Reinhold Mitterlehner: Gewöhnungsbedürftig! Aber ich werde schon lernen, damit umzugehen.

"Krone": Ihr Finanzminister hat ja in der "ZiB 2" gemeint, er würde auch über einen Kanzler nachdenken. Ist Hans Jörg Schelling selbstbewusster als Sie?
Mitterlehner: Ich seh' mich da nicht im Wettbewerb mit jemandem. Ich denke, Hans Jörg Schelling hat damit nur unter Beweis gestellt, dass er ein großes Selbstvertrauen hat. Das braucht man, wie die Fragen, die Sie gerade stellen, beweisen... (lacht)

"Krone": Unser "Herr Nimmerwurscht" hat geschrieben: "Als neuer Bürosessel empfiehlt sich für Reinhold Mitterlehner ein massiver Marmorblock, weil da dauert es ein wenig, bis die Parteifreunde den durchgesägt haben." Können Sie über so was lachen?
Mitterlehner: Ja, ich kann schon darüber lachen. Weil ich als erfahrener Parteifunktionär die Gefahren kenne. Sonst würde ich mich dem Amt auch nicht stellen. Also: Ich kann mit den Gefahrenmomenten umgehen.

"Krone": Wenn die erste Rücktrittsempfehlung kommt, wie werden Sie dann reagieren?
Mitterlehner: Dem werde ich mich stellen, wenn es soweit ist. Mein Motto wird sein: "Aus Betroffenen Beteiligte machen." Also: verstärkte Kommunikation im Sinne einer einheitlichen Partei. Jeder Einzelne bestimmt das Image und die Positionierung. Also binde ich auch Kritiker ein.

"Krone": Sie haben bereits Disziplin von allen Bünden in der ÖVP gefordert. Wie wollen Sie die einfordern?
Mitterlehner: Die Grundregel muss lauten: Bevor jemand in die Medien geht, muss er es intern diskutieren. Er soll mir sein Problem schildern und dann werden wir versuchen, es zu lösen. Ich verfüge dabei nicht apodiktisch über die richtige Meinung. Deshalb sehe ich mich in dem Prozess eher als Moderator.

"Krone": Und wenn Sie es trotzdem in der Zeitung lesen?
Mitterlehner: Dann werden wir halt manchmal auch unerfreuliche Momente haben. Aber die plane ich nicht, sondern die möchte ich ausschließen.

"Krone": Wie schaut so ein unerfreulicher Moment bei Ihnen aus?
Mitterlehner: Na unerfreulich ist, wenn ich überraschend eine Position kennenlerne, die mir jemand vorher nicht zur Kenntnis gebracht hat. Ich glaube, ich kann das argumentativ und logisch abhandeln, ohne beleidigt zu sein. Da sind wir bei Konfliktlösungsstrategien. Mir war immer Paul Watzlawick ein gutes Beispiel, leider ist er schon tot. Ich mag seine Methodik: Da muss einer in die Position des anderen schlüpfen. Was empfindet wohl der andere, was hat der andere für ein Problem? Da erreicht man immer eine Art Synthese auf einer höheren Ebene.

"Krone": Sie reden wie ein gelernter Mediator. Aber so zivilisiert wie bei einer Mediation läuft es in der ÖVP nicht ab.
Mitterlehner: Ich glaube, mit den Persönlichkeiten, die ich jetzt im Team habe - Hans Jörg Schelling und auch Harald Mahrer - sind wir sehr gut aufgestellt. Aber Sie können es auch etwas einfacher haben: Als Parteiobmann muss ich jedem Mitglied das Gefühl geben, eingebunden zu sein. Oft ergibt sich nur mangels Kommunikation die Notwendigkeit, etwas äußern zu müssen in der Öffentlichkeit. Wobei die Medien ja die Politiker verlocken, Position zu beziehen. Sind Sie für oder gegen die Vermögenssteuer? Sind Sie für oder gegen die Gesamtschule? Da geht es aber nicht um "Ja" oder "Nein", sondern um Prozesse...

"Krone": Welcher Ausdruck für das Amt des ÖVP-Obmanns gefällt Ihnen besser? Himmelfahrtskommando oder Haifischbecken?
Mitterlehner: Also ein Haifischbecken ist sicher nicht mein Aufenthaltsort, da steige ich erst gar nicht hinein. Sicher, es gibt einfachere Positionen. Wenn man ein ruhiges Leben möchte, strebt man dieses Amt nicht unbedingt an. Aber auf der anderen Seite ist es auch faszinierend, Probleme zu lösen. Dem will ich mich mit Dynamik stellen, das ist für mich kein "Erleiden".

"Krone": Ärgert es Sie, wenn man Sie als Übergangslösung bezeichnet und hinzufügt, Sebastian Kurz wäre eigentlich der bessere Kandidat gewesen?
Mitterlehner: Das ärgert mich absolut nicht, weil Kurz ein kompetenter Außenminister mit hohen Imagewerten ist. Das hilft uns insgesamt.

"Krone": Sie haben jetzt in der ÖVP-Regierungsmannschaft ein starkes Team. Wie wird es Ihnen gelingen, diese Stärke gegenüber dem Regierungspartner auszuspielen?
Mitterlehner: "Ausspielen" wäre jetzt nicht das Richtige. Wir müssen gemeinsam gewinnen. Der Bürger muss erkennen können, was diese Regierung für ihn tut. Hat er einen Arbeitsplatz? Hat er eine sichere, nachhaltige Umwelt? Alle reden über die Steuerreform. Wenn ich mir die Krise in der Ukraine anschaue, mit den Auswirkungen auf unsere Wirtschaft, auf den Tourismus, dann sollte der Bürger den Eindruck haben: "Die Regierung managt diese Krisensituation."

"Krone": Woran wird man Reinhold Mitterlehner messen?
Mitterlehner: An der Krisen- und Problemlösungskompetenz und an den langfristigen Weichenstellungen.

"Krone": Für Kanzler Werner Faymann ist es bereits der vierte Partner in dieser "Ehe". Wie würden Sie das Verhältnis bezeichnen?
Mitterlehner: Er ist auf jeden Fall ein Partner für die nächste Zeit.

"Krone": Also eine Art politischer Lebensabschnittspartner?
Mitterlehner: (Denkt nach und lacht dann.) - Ein Partner, mit dem wir etwas erreichen und nicht irgendetwas erdulden wollen.

"Krone": Sie sind Mühlviertler und lassen immer wieder den oberösterreichischen Dialekt durchklingen. Hat Ihnen noch kein Coach geraten, ein bisschen mehr Hochdeutsch zu reden?
Mitterlehner: Hat mir eigentlich noch niemand geraten, und ich finde das auch sehr authentisch. Ich kann meine Sprache aber schon anpassen... Auf EU-Ebene lasse ich den Dialekt nicht durchkommen. Bis jetzt hat man mich dort sehr gut verstanden.

"Krone": Noch nie einen Coach in Anspruch genommen?
Mitterlehner: Ich bin keiner, der Beratung ablehnt. Ich frage sehr viele Leute und ziehe sehr viele Rückschlüsse. Aber ohne mich zu verbiegen.

"Krone": Ihr Spitzname "Django" - wird Ihnen der eher nützen oder schaden?
Mitterlehner: Der ist einfach witzig und hat mir besser gefallen als "Zwirn" oder "Burli"... Er stammt aus meiner Stundentenzeit. Damals habe ich auch ein bisschen so wie "Django" ausgeschaut, mit längeren Haaren, wie das in den Siebzigern en vogue war.

"Krone": Wie tickt dieser "Django"?
Mitterlehner: Nicht so, dass er nicht fragt, sondern gleich schießt. Sondern ich diskutiere gern und führe eincht man so lange. Aber nur so kriege ich die gesamte Vielfalt bei uns unter einen Deckel und dem muss man sich stellen.

"Krone": Was wollten Sie eigentlich als Kind werden?
Mitterlehner: Der erste Wunsch war Baggerfahrer, weil mir das imponiert hat, wie die da agieren in ihren Maschinen. Dann hat sich sehr bald Rechtsanwalt herauskristallisiert. Ich hatte schon einen Konzipientenposten, da bin ich in die Wirtschaftskammer gekommen. Ich habe das aber nicht angestrebt, es hat sich einfach eins nach dem anderen ergeben. So wie jetzt der ÖVP-Obmann. Ehrlich gesagt war schon vor drei Jahren die Konstellation da, dass viele gesagt haben: Willst du das nicht anstreben? Aber wenn man gar nichts anstrebt, dann geht alles viel lockerer. Und schneller.

"Krone": Sie haben fünf Geschwister, man liest aber immer nur von drei Brüdern...
Mitterlehner: Meine Schwester ist Biotechnologin, mein vierter Bruder Christian hat das Down Syndrom...

"Krone": Was haben Sie von ihm gelernt?
Mitterlehner: Der Christian hat einfach einen wahnsinnig offenen und positiven Zugang zu allen Dingen. Er ist immer gut aufgelegt. Das hilft mir, der ich oft aufbrausend bin, mich zurückzunehmen...

"Krone": Wie hält Ihre Frau das eigentlich aus, mit einem Politiker verheiratet zu sein?
Mitterlehner: Wir haben uns mit der Situation arrangiert. Das ist für sie jetzt nicht das große Drama: Man muss einfach mit den zeitlichen Ressoucen organisatorisch gut umgehen können.

"Krone": Und was bedeutet das genau?
Mitterlehner: Zum Beispiel dass wir jeden Morgen ein gemeinsames Frühstück haben. Ich nehme auch auf dem Weg ins Büro immer meine Tochter mit in die Schule. Ich glaube, wir haben kein schlechteres Familienleben als viele andere Familien, die aber mehr Zeit haben.

"Krone": Hätte Ihre Frau überhaupt eine andere Wahl gehabt?
Mitterlehner: Sie hat mir da immer vollkommene Freiheit gelassen, aber diesmal hab' ich sie gewarnt: "Die ganze Angelegenheit ist mit einem Risiko behaftet." Das Risiko, das Sie vorhin angesprochen haben...

"Krone": Nehmen wir an, dieses Risiko träte ein... Was würden Sie machen?
Mitterlehner: Wenn ich eines Tages ohne alles dastehen sollte, dann kann ich damit umgehen. Ich bin schuldenfrei, habe die Ausbildung meiner Töchter in die Wege geleitet, ich habe keine Drucksituation - gar nichts! Also kann ich mich dem Risiko stellen, in Stärke und nicht in Schwäche.

"Krone": Welchen Beruf würden Sie dann wählen?
Mitterlehner: Da habe ich mir schon meine Gedanken gemacht... Ich würde vielleicht Unternehmen beraten oder ein Aufsichtsratsmandat annehmen. Ich würde mich mehr im Lions Club engagieren und mich stärker in unserem Kulturverein auf Burg Piberstein einbringen. Mich einfach dem widmen, wofür ich jetzt weniger Zeit gehabt habe: Reisen machen, Karten spielen, Radfahren.

"Krone": Warum lieben Sie Tarock?
Mitterlehner: Weil ich mit Tarock von einer Sekunde auf die andere in einer ganz anderen Welt bin und trotzdem hoch konzentriert sein muss, weil ich sonst alles verliere. Aus dieser Herausforderung gehe ich jedes Mal total relaxed hervor.

Seine Karriere
Geboren am 10. Dezember 1955 in Helfenberg, Oberösterreich. Der Vater ist Polizeiinspektor, die Mutter Buchhalterin. Vier Brüder, eine Schwester. Nach dem Jusstudium startet er seine Karriere in der Wirtschaftskammer. 2008 wird er Wirtschafts- und Familienminister, seit Dezember 2013 ist er Wirtschafts- und Wissenschaftsminister. Ende August folgt er Michael Spindelegger als ÖVP-Obmann und Vizekanzler nach. Verheiratet seit 10. Oktober 1992 mit Anna-Maria, drei Töchter - Elisabeth ist 22, Stefanie 17, aus einer früheren Verbindung stammt Martina, heute 38.

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