Scott sprach kürzlich bei der jährlichen Konferenz des Chaos Computer Clubs in Hamburg über die Zustände an der nordkoreanischen Kim-Il-Sung-Universität, wo er als Professor für Betriebssysteme tätig war. Zuvor hatte Scott in den USA an der University of Washington Informatik studiert und für Google gearbeitet. Als Nordkorea einen Informatikprofessor für seine Universität in der Hauptstadt Pjöngjang suchte, bot sich Scott an – und bekam den Job.
Windows XP in Nordkorea weit verbreitet
In seinem Vortrag räumte der Nordkorea-Insider einem Bericht des IT-Portals "Golem" zufolge mit einigen Vorurteilen auf, die Informatik in Nordkorea betreffen. So sei ihm während seines Aufenthalts aufgefallen, dass Nordkorea – entgegen vergangener Berichte – nicht flächendeckend auf ein selbstentwickeltes Linux-Betriebssystem namens "Red Star" setze, sondern auf den Rechnern der Uni vor allem Windows verwendet wurde. Auf den meisten Rechnern laufe Windows XP, nur vereinzelt die neuere Version 7. "Red Star" werde vermutlich eher in der Industrie eingesetzt, mutmaßt Scott.
IT-Ausstattung wird aus China importiert
Die Hardware, auf der Nordkorea seine Informatiker ausbildet, scheint einigermaßen modern zu sein. Die Computer der Kim-Il-Sung-Universität seien aus China importiert und auch die Flachbildschirme, vor denen die Studenten sitzen, sollen von Nordkoreas Schutzmacht stammen. Grundsätzlich scheint Nordkorea beim Import von Elektronik recht vorsichtig zu sein. Zwar sei sein Laptop bei der Einreise nicht durchsucht worden, als er bei einem späteren Besuch in Nordkorea Minicomputer vom Typ Raspberry Pi für seine Studenten mitbrachte, habe man sein Gepäck aber doch recht genau beäugt, so Scott.
Nordkoreas Internet hat nur 1.024 IP-Adressen
Während die Uni von Pjöngjang einigermaßen moderne Hardware besitze, sei die Infrastruktur in Nordkorea in ziemlich schlechtem Zustand. Zwar konnte Scott selbst sich ungehindert und unzensiert im Internet bewegen – dafür hat man ihm offenbar eigens einen Proxyserver an der Uni zur Verfügung gestellt - , für die meisten Nordkoreaner dürfte das Internet aber unerreichbar sein. Der staatliche Internetprovider Star Joint Ventures biete gerade einmal 1.024 IP-Adressen für ganz Nordkorea an. Zum Vergleich: In Österreich hat jeder Haushalt mit Internetanschluss seine eigene IP-Adresse. Obwohl Nordkorea arm an IP-Adressen ist, soll es laut Scott nicht arm an Websites sein. Im abgeschotteten nordkoreanischen Internet soll es Tausende von der staatlichen Zensur abgesegnete Seiten geben, die aber nur über Nordkoreas eigene Internetstruktur aufgerufen werden können.
Telekommunikation kommt äußerst teuer
Die Zugangshürden sind allerdings hoch. Wer in Nordkorea ins Internet will, muss zur Elite des Landes gehören, um es sich leisten zu können. Selbiges gilt auch bei Mobiltelefonie. Scott habe in Pjöngjang zwar einige Menschen mit Handys erblickt, als er sich selbst eine SIM-Karte kaufen wollte, staunte er aber nicht schlecht über die Preise. 80 Euro im Monat koste allein das Telefonieren mit einem Handy, wer auch das Internet nutzen möchte muss weitere 120 Euro zahlen – für 50 Megabyte Datenvolumen. Da verwundert es kaum, dass sich die Studenten außerhalb der Uni vor allem mit fast schon antiker Technik beschäftigen und in ihrer Freizeit beispielsweise auf 3,5-Zoll-Disketten gespeicherte Tetris-Games auf alten DOS-Rechnern spielen.
Kim-Schriften auf Nordkorea-Tablet vorinstalliert
Freilich: Wer es sich leisten kann, erhält in Nordkorea auch fortschrittlichere elektronische Unterhaltung, beispielsweise mit einem eigens für den nordkoreanischen Markt entwickelten Tablet. Als Betriebssystem kommt darauf ein modifiziertes Android zum Einsatz, das unter anderem mit den gesammelten literarischen Werken der Kim-Familie gefüllt ist und die Ergüsse der Despoten sogar vorlesen kann. Ein Analog-Tuner, mit dem drei vordefinierte nordkoreanische TV-Sender empfangen werden können, ist ebenfalls an Bord. Ein Regler zum Wechseln der TV-Frequenzen fehlt.
Studenten werden zu App-Programmierern ausgebildet
Ein App-Marktplatz fehlt ebenfalls. Wer neue Programme will, muss mit seinem Tablet ins Geschäft gehen und sie dort installieren lassen – wenn sie der Führung denn kein Dorn im Auge sind. Und hier schließt sich der Kreis. Die Apps, die auf nordkoreanischer Android-Hardware laufen, sollen künftig nämlich von den jungen Informatikern programmiert werden, die Scott an der Kim-Il-Sung-Universität in Pjöngjang ausgebildet hat. Einer der Schwerpunkte im Unterricht sei die Programmierung von Android-Apps gewesen, berichtet Scott.
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