"Krone": Michael Patrick – Aus "Paddy" Kelly wurde nun Michael Patrick Kelly. War es nun Zeit, auch in diesem Sinne erwachsen zu werden? Willst du deine Zeit als "Paddy" ad acta legen und fortan als eine Art andere, gereifte Person wahrgenommen werden?
Michael Patrick Kelly: Das "Erwachsenwerden" ist von alleine geschehen, es ist eine natürliche Metamorphose, die mit der Zeit gekommen ist und die musste nicht erzwungen werden. So schien es mir der richtige Schritt zu sein, zu meinem eigentlichen Namen zurückzukehren. Mich also mit dem Namen zu präsentieren, den meine Eltern mir als Baby gegeben haben und der eines Tages auch auf meinem Grabstein stehen wird. Freunde und Familie nennen mich nach wie vor beim Spitznamen, also ganz "ad acta" lässt sich Paddy nicht legen. (lacht)
"Krone": Dieser Tage veröffentlichst du dein zweites Soloalbum "Human" – nach zwölfjähriger Album-Abstinenz. Kaum jemand hätte wohl noch auf ein neues Album von dir gesetzt. Was hat dich schlussendlich dazu bewogen, doch wieder ins Rampenlicht zurückzukehren?
Kelly: Es ging in erster Linie um das Bedürfnis wieder Musik zu machen. Musik machen ist wie meine zweite Natur. Songs zu schreiben, sie aufzunehmen und live zu spielen... dafür brenne ich. Das mit dem Rampenlicht gehört dazu, aber ich steige nicht wieder ins Musikbusiness ein, um auf roten Teppichen abgelichtet zu werden. Sondern ich mache diesen Teil des Zirkus nur bedingt mit, solange die Musik das Ziel hinter all dem ist.
"Krone": Du warst sechs Jahre lang in einem katholischen Kloster. Stecken Erfahrungen der Zeit im Kloster in "Human"? Wann hat bei der Prozess des Songschreibens wieder angefangen und von welcher Grundidee, welchem Grundgedanken aus hast du dich dann weiter nach vor gearbeitet?
Kelly: Man könnte in gewisser Weise mein Leben in drei Hauptkapitel aufteilen. Das erste wäre die Zeit mit meiner Family. Da habe ich gelernt zu singen, zu musizieren, Songs zu schreiben, aufzutreten und habe im Doppeldeckerbus oder auf dem Schiff die Welt bereist, bin diversen Kulturen begegnet und habe Sprachen gelernt. Wir haben unsere Träume gelebt. Wir haben auf der Straße angefangen und spielten irgendwann in Fußballstadien. Ich wurde in einem Campingwagen geboren und mit Anfang Zwanzig lebte ich in einem riesigen Schloss. Kurz gesagt: The American Dream made in Europe. (lacht) Das zweite Kapitel ist die "Auszeit" im Kloster. Ich hab eine Zeit gebraucht, um zu mir zu kommen, mich mit den existenziellen Fragen des Lebens ernsthaft auseinander zu setzen. Fragen nach dem wahren Sinn des Lebens, Fragen nach meiner Identität und natürlich die Frage wer hinter diesem unglaublichen Kosmos steckt, mit allem, was darin zu finden ist, inklusive ich selbst. Und nun, einerseits privat durch die Ehe, und beruflich mit diesem Album, sind die Grundsteine für das dritte Kapitel gelegt worden. Und ja, meine gesamte Vergangenheit hat mich zu dem gemacht, der ich heute bin, und dies ist in "Human" zu hören.
"Krone": Hatte die Religion schon vor dieser Zeit einen so großen Stellenwert für dich und könntest du kurz beschreiben, wie es war, nicht mehr permanent im Rampenlicht, sondern im Dienste von Jesus zu stehen?
Kelly: Mir war es wichtig den Computer ganz auf Null zu fahren, um dann ohne Viren und Bugs einen Neustart erfahren zu können. Ich habe in der Stille durch tiefes Hineinhorchen meine Antworten gefunden. Es ging nicht in erster Linie um "im Dienste sein", sondern darum, meinen eigenen Interessen nachzugehen. Der Glaube an Gott, an einen Mensch gewordenen Gott in der Person von Jesus Christus, ist etwas, was mehrere Jahre zuvor in mir schon zu wachsen begonnen hat, und ich habe diese Zeit als Mönch gebraucht, um mein Leben auf einen soliden Felsen bauen zu können.
"Krone": Schon im Video zu deiner Single "Shake Away" sieht man dich – nur mit dem Minimum ausgestattet – aufbrechen in eine ferne Welt. Du stehst dann am Gipfelkreuz und der Inhalt des Songs ist nicht frei von religiösen Querverbindungen. Wolltest du bewusst eine christliche Pop-Platte machen und spiegelt das Video dich wieder, wie du damals auf der Suche nach dir selbst warst?
Kelly: "Human" ist kein religiöses Album. Natürlich ist der Glaube für mich keine Sonntagsschublade, sodass manche Texte zweideutig verstanden werden könnten, aber ich wollte ein handgemachtes Pop-Album machen, das alle Menschen anspricht, ob gläubig oder nicht. "Shake Away" ist ein Song über Aufbruch, Freiheit und Rettung durch die Liebe. Das Video sollte diese menschlichen Zustände und Gefühlslagen irgendwie bildlich darstellen. Die Idee mit dem Gipfelkreuz kam vom Regisseur Kim Frank. Ich fand die Idee cool.
"Krone": Folgen die Songs auf deinem Album einem bestimmten Konzept? Hast du eine Art roten Faden oder thematischen Überbau, der sich durch die einzelnen Kompositionen zieht?
Kelly: Ja. Ich wollte die verschiedenen Facetten der Menschlichkeit in den Songtexten wiedergespiegelt sehen. Ich finde, dass der Mensch ein Geheimnis ist, und dass sein Verhalten sich zwischen zwei extremen Polen befindet. Zum einen steckt in uns die Fähigkeit ein Held zu sein und darum geht es im Song "Little Giants". Der Text basiert auf wahren Geschichten von Kindern und Jugendlichen, die teilweise ihr eigenes Leben geopfert haben, um das Leben anderer zu retten. Und zum anderen aber auch die Fähigkeit, ein Abtrünniger oder Mörder zu werden. Davon handelt "Renegade". Zwischen diesen zwei Polen befinden sich die Themen der anderen Songs.
"Krone": Wie ist es deiner Meinung nach heute um die Menschlichkeit bestellt? Konflikte und Kriege nehmen weltweit wieder zu, zudem fußen diese meist auf religiösen Motiven. Wie fühlt sich das für dich als tiefreligiösen Menschen an und wie kann dieser negativen Entwicklung Einhalt geboten werden?
Kelly: Das ist eine gute Frage. Zur Zeit der Römer und Barbaren gab es ja auch schreckliche Ereignisse. Haben wir es trotz unserer Fortschritte in der Wissenschaft und Technologie, oder durch die Aufklärung, irgendwie geschafft, uns menschlicher zu verhalten? Nicht wirklich. Ich glaube, dass es schon immer sowohl die "Little Giants" wie auch die "Renegades" gab. Ob die kleinen Giganten quantitativ gestiegen sind, weiß ich nicht. Aber was sie zu Giganten macht, ist ja eigentlich nicht, dass sie eine Massenbewegung auslösen, sondern dass ein Mensch mit einer großen Tat einen wertvollen Stein ins Rollen bringt. Dass gewisse Leute und Bewegungen Religion als Rechtfertigung für ihre eigenen Interessen missbrauchen, ist leider auch nichts Neues. Religion als solches deshalb als etwas Schlechtes abzuschreiben, ist aber auch Quatsch. Für mich zeichnet sich wahrhaftig interpretierte Religion dadurch aus, dass sie den Menschen zum besseren erhebt, menschlicher macht.
"Krone": Auf dem Song "Beautiful Soul" hast du den Verlust eines guten Freundes von dir verarbeitet. Wie schwer war es für dich, dieses tragische Ereignis schlussendlich für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen?
Kelly: Ich finde es als Künstler eine gesunde Sache, schwere Erfahrungen durch das Ventil der Musik zu verarbeiten. Ich hatte mich dazu entschlossen, diesen Song zu veröffentlichen, weil es um einen Menschen geht, der vorbildhaft mit Leid umzugehen wusste und den Tod nicht als ein Ende verstand, sondern als eine Geburt in das endgültige Leben.
"Krone": Es gibt aber auch viele positive Songtitel auf deinem Album. "Happiness" oder "Here To Stay" beispielsweise. Ist "Human" im Prinzip ein hoffnungsvolles Album, dass die positiven Komponenten herausstreichen soll?
Kelly: Ja, es ist von der Tendenz her ein hoffnungsvolles Album. Ich empfinde mein aktuelles Leben voller Hoffnung und Freude, wahrscheinlich zeichnet sich das deshalb auf dem Album so ab.
"Krone": Am 26. Juni wirst du nach sehr langer Zeit auch wieder einmal live in Österreich zu sehen sein. Worauf dürfen wir uns gefasst machen? Was kannst du zur Show verraten?
Kelly: Ich erhoffe mir ein Fest voller Menschlichkeit zu ermöglichen. Ich werde zum einen die neuen Songs mit meiner Live-Band spielen, aber auch alte Kelly-Klassiker, die ich früher geschrieben und gesungen habe. Und dann singe ich auch ein paar meiner persönlichen Lieblings-Coversongs z.B. von Bob Dylan oder U2. Das österreichische Publikum war schon immer ein sehr mitgehendes Publikum. Ob bei den stillen Liedern oder den Party-Songs, man hat das Gefühl, dass sie alle Emotionen miterleben, die man in der Musik durchmacht. Das ist toll, deshalb freue ich mich besonders auf das Konzert in Wien.
"Krone": Gibt es eigentlich noch Momente, in denen du nervös bist? Nach mehr als 5.000 Auftritten von der Straße über Clubs bis hin zu den riesigen Stadien kann es doch nur mehr wenig geben, das dich aus dem Konzept bringt.
Kelly: Ein gewisses Kribbeln im Bauch ist heute noch vor jedem Konzert da. Wenn das weg wäre, dann würde glaube ich etwas nicht stimmen.
Michael Patrick Kelly tritt am Freitag, 26. Juni, in der Simm City in Wien auf. Karten für das Konzert erhalten Sie unter 01/960 96 999 oder im "Krone"-Ticketshop.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.