Bots für den Brexit:

Wie Mächtige mit Maschinen Wahlen manipulieren

Web
22.06.2016 12:49

Soziale Medien spielen heute für viele Menschen bei ihrer Wahlentscheidung eine wichtige Rolle. Sie beurteilen die öffentliche Stimmungslage auf Basis ihrer Twitter-Feeds, das Stimmungsbild nimmt wiederum gerade bei knappen Abstimmungen Einfluss auf das Wahlverhalten. Was aber, wenn dieses Stimmungsbild im Auftrag von Lobbyisten und Mächtigen von Maschinen erzeugt wird?

Diese Frage stellen sich britische Wissenschaftler vor der Abstimmung über einen EU-Austritt Großbritanniens, der sogenannten "Brexit". Wie das Wissenschaftsmagazin "New Scientist" herausgefunden hat, tobt vor der in Umfragen als äußerst knapp prognostizierten Abstimmung auf Twitter ein Kampf der Meinungsmacher. Und ihre wichtigste Waffe sind Bots, also Programme, die automatische Stimmungsmache betreiben.

Jeder dritte Brexit-Tweet kommt von einem Bot
Zwei Forscher - Philip Howard von der Oxford University und Bence Kollanyi von der Corvinus University - haben anderthalb Millionen Tweets zur Brexit-Abstimmung analysiert, die zwischen 5. und 12. Juni auf Twitter online gegangen sind. Ihre Erkenntnis: 54 Prozent der Tweets sprachen sich für, 20 Prozent gegen einen EU-Austritt Großbritanniens aus.

Die wirkliche Überraschung war aber, wer eigentlich diese politischen Tweets absetzt: Rund ein Drittel der Nachrichten - eine halbe Million Tweets - stammte von nur einem Prozent der analysierten Konten, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von im Auftrag gewisser Interessensvertreter agierenden Bots.

Forscher warnen vor massiver Gefahr für Demokratie
Howard und Kollanyi orten darin eine massive Gefährdung der Demokratie. "Wir haben Botnets gesehen, die sich in den letzten drei Tagen vor einer Wahl erheben und massive Mengen von Desinformation verbreiten", sagt Howard.

Seine Untersuchung wird auch von der unabhängigen Initiative "Sadbottrue" untermauert. Sie untersuchte die 200 aktivsten Retweeter beim Thema Brexit und stellte fest, dass nur ungefähr 20 von ihnen Menschen sind. Der Rest sind Bots.

Die Sozialwissenschaftlerin Susan Banducci von der Universität Exeter relativiert ein wenig. Twitter sei in Großbritannien - ebenso wie in Österreich - eher ein Nischenprodukt, das die breite Öffentlichkeit nicht erreiche. Indirekte Gefahr gehe durch Bots trotzdem aus.

(Bild: Timur Emek/dapd)

Bots manipulieren via Twitter Medien, Medien die Wähler
Twitter wird nämlich von vielen Journalisten als Informationsquelle verwendet, die von den Bots beeinflusst werden und die Beeinflussung dann an ihre Leser oder Zuseher weitergeben könnten. Wenn ein Journalist eine von Bots verursachte Flut von Tweets als Schwenk in der öffentlichen Meinung interpretiert oder von Bots verbreitete substanzlose Gerüchte in die öffentliche Debatte einbringt, erreichen die Hintermänner der Bots ihre Ziele.

Diese Erkenntnisse müssen Wähler künftig im Hinterkopf behalten, zumal Manipulation per Bot kein neues Phänomen ist. In Mexiko wurde bereits 2012 beobachtet, wie Parteien im Vorfeld einer Wahl Social-Media-Stimmungsmache mit Bots betrieben und die öffentliche Meinung manipuliert haben. Bots wurden genutzt, um Zustimmung für bestimmte Themen zu generieren, Abweichler zu sabotieren, Aktivisten zu bedrohen und Daten zu sammeln.

Howard mahnt deshalb umso eindringlicher: "Um eine gesunde Demokratie sicherzustellen, muss der moderne Mensch sich bewusst sein, dass sein Nachrichten-Feed von Bots generiert wird."

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