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Woran erinnert der “Nationalfeiertag” eigentlich?

Wissenschaft
26.10.2016 06:00

Ausrufung der Republik? Österreichischer Staatsvertrag? Abzug des letzten Besatzungssoldaten? Anno 1965 berieten Regierung und Parlament, woran der "Nationalfeiertag" künftig erinnern soll. Man entschied sich schließlich für die immerwährende Neutralität. Zwei Jahre später wurde er den übrigen gesetzlichen Feiertagen gleichgestellt und ist seither arbeitsfrei.

Den "Nationalfeiertag" gibt es noch nicht lang, erst seit dem Jahr 1965. Von 1955 bis 1964 hieß der 26. Oktober "Tag der Fahne". Am 15. Mai 1955 war der Staatsvertrag, der die Souveränität Österreich wiederherstellte, unterzeichnet worden. Nachdem Frankreich, Großbritannien, die Sowjetunion und die Vereinigten Staaten ihn unterzeichnet hatten, wurde das Original am 27. Juli 1955 im sowjetischen Außenministerium in Moskau hinterlegt. Damit begann jene Frist von 90 Tagen, binnen derer die Besatzungstruppen Österreich zu verlassen hatten. Am 26. Oktober 1955 beschloss der österreichische Nationalrat - rückwirkend auf Null Uhr - die immerwährende Neutralität Österreichs.

Bis 1964 "Tag der österreichischen Fahne"
Schon am 1. Oktober 1955 folgte der Erlass von Unterrichtsminister Heinrich Drimmel, der vorschrieb, dass auch den Schülern in Österreich die Bedeutung des nahenden 25. Oktobers 1955 (nicht 26. Oktober!); zu vermitteln sei - als desjenigen Tages, an dem gemäß Staatsvertrag der letzte Besatzungssoldat Österreich verlassen würde. Deshalb sollte an diesem Tag die Nationalflagge gehisst werden. Im Jahr darauf, am 11. September 1956, beschloss der Ministerrat diesen "Tag der österreichischen Fahne" einen Tag später, nämlich am 26. Oktober, zu begehen. Durch diese zeitliche Verschiebung des "Tags der österreichischen Fahne" wurde auch ein anderer Akzent gesetzt: Nicht mehr der Abzug der letzten Besatzungssoldaten am Tag zuvor, sondern die Neutralitätserklärung vom 26. Oktober sollte ab nun im Mittelpunkt dieses Gedenktages stehen.

Österreich hatte somit einen "Tag der Fahne", aber noch keinen Nationalfeiertag wie andere Länder. Im Jahr 1965 berieten deshalb Regierung und Parlament, welcher Tag als österreichischer "Nationalfeiertag" begangen werden sollte. Schließlich ist die Festlegung eines Nationalfeiertags keine kleine Sache, hier geht es um große Symbole, Identitätsstiftung und möglichst einen Mythos, der geeignet ist, das Land zu begeistern und immer wieder aufs Neue zu einen.

Vier symbolträchtige Daten standen zur Wahl 
Zur Wahl standen gleich vier geschichts- und symbolträchtige Daten der österreichischen Geschichte: der 12. November, also jener Tag, an dem im Jahr 1918 nach Jahrhunderten der Monarchie die Republik Deutschösterreich ausgerufen wurde. Der 27. April, weil an diesem Tag im Jahr 1945 die Selbständigkeit Österreichs durch die Vorstände der wiederentstandenen Parteien proklamiert wurde. Oder sollte man den 15. Mai 1955 wählen, den Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrags? Oder den 26. Oktober, jenen bereits erwähnten Tag, an dem die österreichische Neutralität beschlossen wurde?

Regierung und Parlament stimmten 1965 mehrheitlich für den 26. Oktober und damit für die Immerwährende Neutralität Österreichs als bestgeeigneten Anlass für den künftigen Nationalfeiertag. Neutralität - das war das Zukunftsthema für die kleine Alpenrepublik, die mitten im Kalten Krieg nach einem halben Jahrhundert wechselnder existentieller Bedrohungen gerade zu sich selbst fand. Das kleine Österreich sah sich in der Rolle eines blockfreien Staates, als Mittler zwischen Ost und West. Damit feiert Österreich eine Idee, die dem Land Frieden und wirtschaftlichen Wohlstand gebracht hat.

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