Nagelbombe in D
Kind als Terrorist: “Das ist ganz neu in Europa”
Ein erst zwölfjähriger Deutsch-Iraker soll im deutschen Ludwigshafen versucht haben, mit einer Nagelbombe Anschläge zu verüben. Der erste am gut besuchten Adventmarkt sei gescheitert, weil die Bombe nicht gezündet habe, der zweite in der Nähe des Rathauses, weil es einen Hinweis an die Behörden gegeben habe, berichteten deutsche Medien. Andernfalls hätte es durchaus Tote geben können. Dass diese Attentatsversuche die Idee eines Zwölfjährigen gewesen sind, bezweifeln Terrorismusexperten: "Ein Kind hatten wir in Europa noch nicht. Das ist ganz neu."
Wie Guido Steinberg, Terrorismusexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik, sagte gegenüber der "Mitteldeutschen Zeitung", er habe "Schwierigkeiten damit, einen Zwölfjährigen als Terroristen anzusehen. Das macht Sinn, wenn Leute anfangen, sich für Politik zu interessieren, mit 15 oder 16. Aber wie politisch kann jemand sein mit zwölf Jahren? Da stellt sich eher die Frage: Was ist im Umfeld los? Denn das kann ja nicht seine Idee gewesen sein."
Zwar sehe er, dass das Problem mit minderjährigen Terrorverdächtigen europaweit zunehme - "Seit 2014 haben wir europaweit relativ viele junge Leute, die nach Syrien ausreisen. Die Ausreisenden werden jünger und weiblicher. Das ist auffällig und nicht nur ein Trend in Deutschland" -, doch ein Kind "hatten wir in Europa noch nicht. Das ist ganz neu."
"Über Messengerdienste in Echtzeit ferngesteuert"
Dass der Deutsch-Iraker, der in Ludwigshafen geboren wurde und dort auch aufgewachsen ist, nicht auf eigene Faust gehandelt haben dürfte, sieht auch Peter Neumann vom King's College in London so. Der Zwölfjährige dürfte seine laut "Focus" "starke religiöse Radikalisierung" im Internet erlangt haben. "Dort könnte der Junge mit einem Rekruteur in Syrien in Kontakt gekommen sein, der ihn gewissermaßen über Messengerdienste in Echtzeit ferngesteuert hat", so Neumann.
"Das hatten wir ja auch schon in Hannover gesehen Anfang des Jahres, auch in Ansbach und Würzburg. Das ist ein neuer Modus Operandi: Dass man Leute quasi über Messengerdienste in Echtzeit steuert", sagte der deutsche Radikalisierungsforscher. Der Bub soll den beim Islamischen Staat sehr beliebten Messengerdienst Telegram verwendet haben und darüber angeleitet worden sein, einen Anschlag zu verüben.
Erster Versuch am 26. November am Weihnachtsmarkt
Lauf "Focus" habe der Zwölfjährige den Sprengsatz - ein mit Sprengpulver gefülltes Konservenglas - am 26. November auf dem Ludwigshafener Adventmarkt abgelegt, doch die Bombe habe nicht gezündet. Von außen sei der Behälter mit Klebeband umwickelt und mit Nägeln präpariert gewesen.
Also habe er es am 5. Dezember ein weiteres Mal versucht, diesmal in der Nähe des Rathauses. Zu diesem geplanten Attentat habe es aber einen "Hinweisgeber" gegeben, sodass der Rucksack entdeckt wurde, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft Frankenthal, Hubert Ströber.
Wie gefährlich die Bombe - ein Feuerwerk-Wunderkerzen-Gemisch - gewesen wäre, wenn sie hochgegangen wäre, ist nicht bekannt. "Brennfähig" sei die Substanz jedenfalls gewesen. "Die Polizei hat aus diesem Glas Substanz entnommen und entzündet", sagte Ströber. Es gehe aber nicht aus den Akten hervor, wie sich das Pulvergemisch verhalten hätte, wenn es im Glas entzündet worden wäre. Laut Polizeiangaben vom 5. Dezember hätte das Gemisch nicht explodieren können, der "Focus" schrieb allerdings von einem Rucksack mit einer selbst gebauten Zündvorrichtung.
"Es bedeutet noch lange nicht, dass keine Strafbarkeit vorliegt"
Der Zwölfjährige, der sowohl die deutsche als auch die irakische Staatsbürgerschaft hat, befindet sich nach Angaben der Stadt Ludwigshafen in einer geschützten Einrichtung. Die Staatsanwaltschaft kann gegen den Buben nicht ermitteln, weil es sich um ein strafunmündiges Kind handelt. Ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat nun der Generalbundesanwalt. Ein Sprecher des Justizministeriums sagte, nur weil jemand nicht strafmündig sei, bedeute dies noch lange nicht, "dass keine Strafbarkeit vorliegt".
Weihnachtsmärkte waren schon zuvor potenzielle Anschlagsziele: Im Dezember 2000 fasste die Frankfurter Polizei mehrere Islamisten, die mit einer Kochtopf-Bombe möglichst viele "Ungläubige" auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt töten wollten. Die Mitglieder der in zwei Frankfurter Wohnungen ausgehobenen Terrorzelle wurden in Frankfurt und in Paris zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt. Für den Anschlag sollte ein mit Sprengstoff gefüllter Dampfkochtopf eingesetzt werden. Eine Katastrophe sei "in letzter Minute" abgewendet worden", hieß es damals aus Kreisen der Ermittler.
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