Grünen-Chaos perfekt

Glawischnig geht unter Tränen: “Wegen Gesundheit”

Österreich
18.05.2017 10:14

Grünen-Chefin Eva Glawischnig ist am Donnerstag offiziell zurückgetreten. Sie wolle als Mutter ihre Gesundheit nicht gefährden, wie sie am Vormittag teils unter Tränen öffentlich erklärte. Ihre Nachfolgerin als Bundessprecherin soll dem Vernehmen nach die Tiroler Grünen-Chefin Ingrid Felipe werden. Wer als Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat in die kommende Nationalratswahl geht, werden erst die Parteigremien beschließen.

"Die Zeit" hatte am Mittwochabend die nächste politische Bombe über Österreich platzen lassen - nach Reinhold Mitterlehner (ÖVP) stehe auch Eva Glawischnig als Parteichefin der Grünen vor dem Rücktritt. Die Zeitung sollte Recht behalten, wie gegenüber krone.at wenig später bestätigt wurde.

Am Donnerstag trat Glawischnig schließlich vor die Presse, um ihren Rücktritt bekannt zu geben: "Als ich die Partei übernommen habe, gab es viele kritische Stimmen. Aber wir haben als Team die erfolgreichste Phase der Grünen geschafft." Neben den Wahlerfolgen betonte Glawischnig besonders ihr Engagement für Bundespräsident Alexander Van der Bellen: "der erste grüne Präsident Europas - ein Projekt, das ich betrieben und unterstützt habe".

(Bild: APA/Robert Jäger)

"Lege sämtliche Ämter zurück"
Es sei stets ihr Bestreben gewesen, mutig zu sein und sich für Nachhaltigkeit, Umweltschutz und die Gleichstellung von Mann und Frau einzusetzen. Die Entscheidung sei ihr nicht leicht gefallen. "Ich werde nicht mehr als Spitzenkandidatin für die Grünen zur Verfügung stehen. Außerdem lege ich sämtliche Ämter sowie mein Nationalratsmandat zurück", sagte sie.

Zu den Gründen ihres Rückzugs sagte Glawischnig, dass sie als Mutter eine besondere Verantwortung gegenüber ihrer Familie habe: "Es gab körperliche Warnsignale. Der Job eines Parteivorstandes bedeutet 24 Stunden Erreichbarkeit, und das sieben Tage pro Woche. Das zerreibt einen irgendwann, besonders in Zeiten dieser medialen Zuspitzung." Mit einem Schmunzeln meinte die Obfrau der Grünen: "Nur Heinz-Christian Strache (FPÖ) teilt mein Dienstalter, und ich glaube, ich sehe noch nicht so alt aus wie er."

(Bild: APA/Robert Jäger)

"Persönlichkeiten in Medienbranche, die sexistische Machos sind"
Glawischnig appellierte angesichts der turbulenten Zeiten an Politiker und Medien, sich zurückzubesinnen auf relevanten Themen, "und nicht nur auf das, was Klicks und Quote bringt". Ohne Namen zu nennen fuhr sie fort: "Es gibt leider in der Medienbranche gewisse Personen, die diese Republik vergiften wollen - Chauvinisten, Anzugträger und sexistische Machos!" Sie selbst werde sich in Zukunft verstärkt gegen Hass im Netz einsetzen und appellierte an im Internet aktive Menschen, gegen diesen Hass aufzustehen.

Die Grünen-Politikerin erinnerte außerdem an die verstorbenen SPÖ-Politikerinnen Barbara Prammer und Sabine Oberhauser, denn beide seien für Lösungen und Sachlichkeit gestanden, nicht für ein "Duell der Eitelkeiten". "Ich war sehr oft die einzige Frau in politischen Runden", stellte sie fest und meinte, wenn es mehr Frauen in Führungspositionen gäbe, würde die politische Kultur anders aussehen.

(Bild: APA/ROBERT JAEGER)

"Ganz besonderer Dank an meine Söhne"
Zum Abschluss bedankte sich Glawischnig bei ihrem Team, zahlreichen Polit-Kollegen wie Van der Bellen und dessen Wahlkampfleiter Lothar Lockl, den Mitgliedern und Aktivisten der Grünen sowie den Wählerinnen und Wählern. "Aber ein ganz besonderer Dank geht an meine Söhne und an Volker (Anm. Piesczek, Glawischnigs Ehemann)", so die Grünen-Chefin, der nun die Tränen kamen.

Eva Glawischnig und Volker Piescek (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Eva Glawischnig und Volker Piescek

Nachfolge Glawischnigs weiterhin offen
Wer ihre Nachfolge antritt, dazu wollte sich Glawischnig nicht äußern. "Der Bundesparteivorstand tagt am Freitag in Salzburg. Es gibt viele fähige Persönlichkeiten, ich werde mich da nicht mehr einmischen. Ich vertraue auf die Gremien, was die Nachfolge betrifft." Zuletzt waren mehrere Namen genannt worden, es gilt als sicher, dass die Tiroler Grünen-Chefin Ingrid Felipe das Amt der Bundessprecherin übernehmen wird. Dass sie auch als Spitzenkandidaten antreten wird, wird allerdings von Parteikennern bezweifelt.

Grünen-Vizeklubchef Werner Kogler, Eva Glawischnig und Ingrid Felipe (v.l.n.r.) (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Grünen-Vizeklubchef Werner Kogler, Eva Glawischnig und Ingrid Felipe (v.l.n.r.)

Grüne loben "große Verdienste" Glawischnigs
In der Partei bekundeten zahlreiche Funktionäre der Führungsebene ihren Dank. "In einer Zeit der öffentlichen und halböffentlichen Anfeindungen gebührt Eva der höchste Respekt für ihre Standhaftigkeit und den Willen, diese Widerwärtigkeiten zum Thema zu machen und zu verfolgen", lobte die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou die "großen Verdienste" der Bundessprecherin. Salzburg-Vorsitzende Astrid Rössler, die auch als potenzielle Nachfolgerin gehandelt wird, bedauerte den Rücktritt Glawischnigs: "Ich habe sie stets als engagierte Sachpolitikerin mit hohem Verantwortungsbewusstsein erlebt." Auch aus den anderen Landesorganisationen kamen lobende Worte für die Chefin.

Turbulenzen just vor den bevorstehenden Neuwahlen
Glawischnig war über die Umweltschutzorganisation Global 2000 zu den Grünen gekommen, sitzt seit 1999 im Parlament und ist seit 2008 Bundessprecherin. Ihre bisherige politische Bilanz ist mäßig - bei der letzten Nationalratswahl kamen die Grünen gerade einmal auf 12,4 Prozent. Von einer Regierungsbeteiligung, die sich Glawischnig so sehr wünschte, war mit dem Ergebnis keine Rede. Aufgrund der innerparteilichen Turbulenzen sieht es für die Öko-Partei bei den vorgezogenen Neuwahlen im Herbst wohl nicht viel besser aus.

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