Am fünften Tag des großen Schlepperprozesses im ungarischen Kecskemet ist eine Agenten-Story im Mittelpunkt gestanden. Eine solche tischte der Fünftangeklagte, der als Fuhrpark-Chef agierende bulgarisch-libanesische Doppelstaatsbürger Kassim H., dem Gericht auf. Der 52-jährige Autohändler weist jegliche Schuld am Tod jener 71 Flüchtlinge von sich, die im August 2015 in einem Kühllastwagen erstickt sind. Vielmehr habe er der Bande gemeinsam mit dem bulgarischen Geheimdienst das Handwerk legen wollen, geht aus den Polizeiverhörprotokollen hervor, die vorgetragen wurden, nachdem H. sich geweigert hatte, vor Gericht auszusagen.
Es seien "politisierte, fiktive Anschuldigungen", die gegen ihn vorgebracht würden, hatte der 52-Jährige im Zuge seiner Vernehmungen in den Jahren 2015 und 2016 gesagt. Andererseits behauptet der Autohändler, er habe im Zusammenhang mit dem A4-Flüchtlingsdrama anfänglich erworbene Informationen über die Bande in Bulgarien an die dortigen Sicherheitsorgane weitergegeben. Laut der ungarischen Nachrichtenagentur MTI behauptet H., er habe seit 1996 den bulgarischen Inlandsgeheimdienst mit Informationen versorgt.
Als H. von Schleppungen erfuhr, will er Polizei verständigt haben
Die Kooperation mit dem afghanische Haupt- und dem bulgarischen Zweitangeklagten habe begonnen, als diese ihn gebeten hätten, beim Erwerb von Bussen und Lastwagen zu helfen, die zum Schein im Namen bulgarischer Staatsbürger gekauft wurden. Erst nach einem Zwischenfall, als von der Polizei in einem solchen Fahrzeug geschleppte Menschen entdeckt wurden, habe er verstanden, womit sich der Haupt- und der Zweitangeklagte überhaupt beschäftigen. Darauf habe er sich zum ersten Mal in Bulgarien an die Sicherheitsorgane gewandt.
Unbekannter afghanischer Helfer in Serbien
Laut seinen Angaben will der Fünftangeklagte darauf gedrängt haben, dass die ungarische und bulgarische Polizei gemeinsam der Schlepperbande das Handwerk legen. Der hauptangeklagte Afghane habe einen ebenfalls afghanischen Helfer in Serbien, verriet der 52-Jährige der Polizei. Auf diesem Weg seien täglich mehrere Hundert Migranten über die Grenze nach Ungarn geholt worden. Der Zweitangeklagte habe vom Hauptangeklagten 5000 Euro für jede Schlepperfahrt nach Österreich und 8000 Euro für Fahrten nach Deutschland erhalten, wovon 500 Euro an die Chauffeure gegangen seien.
Mit der Erörterung der Aussagen des Fünftangeklagten wird der Prozess des Jahres am 5. Juli fortgesetzt. Möglicherweise wird dann auch die Öffentlichkeit erfahren, was es mit der angeblichen Tätigkeit für den bulgarischen Geheimdienst im Detail auf sich hat. Dem 52-Jährigen drohen bei einem Schuldspruch wegen organisierter Schlepperei bis zu 20 Jahre Haft.
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