Fatale Telefonate

Fall Seisenbacher: Das Protokoll der feigen Flucht

Österreich
02.08.2017 16:55

Statt sich zu stellen, ergriff Österreichs einstiger Vorzeigesportler Peter Seisenbacher die Flucht. Telefonate mit seiner Mutter und hartnäckige Ermittler wurden ihm schlussendlich zum Verhängnis. Das Protokoll der feigen Flucht.

Selbst sein Strafverteidiger (siehe Interview unten) sei am 19. Dezember des Vorjahres überrascht gewesen, als sein Mandant nicht vor Gericht erschien - Seisenbacher selbst hatte aber offenbar nie geplant, aufzutauchen. Denn bereits fünf Tage vor dem angesetzten Prozesstermin wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von drei minderjährigen Mädchen (es gilt die Unschuldsvermutung) war er nachweislich von Georgien aus ins Flugzeug in Richtung Ukraine gestiegen.

19. Dezember 2016: Das Gericht ist bereit, doch Seisenbachers Sessel bleibt leer. (Bild: APA/Helmut Fohringer)
19. Dezember 2016: Das Gericht ist bereit, doch Seisenbachers Sessel bleibt leer.

Wo er sich in der Hauptstadt Kiew prompt eine kleine, schmuddelige Wohnung mietete. Naturgemäß nicht offiziell auf seinen richtigen Namen. Unbestätigten Informationen zufolge dürfte er seine georgische Lebensgefährtin "vorgeschoben" haben. Diese ominöse Frau sei ihm über die Fluchtmonate hinweg auch meist beigestanden und an seiner Seite gewesen. Sie dürfte ihm auch finanziellen Rückhalt gegeben haben.

Monatelang in Wohnung eingebunkert
Warum sich der geflüchtete Doppelolympiasieger ausgerechnet die Ukraine als Unterschlupf aussuchte, ist noch unklar. Fest steht aber: Obwohl er sich sehr unauffällig verhalten und die kleine Wohnung kaum verlassen hatte, kamen ihm die rot-weiß-roten Zielfahnder des Bundeskriminalamtes auf die Spur.

In dieser Wohnsiedlung im Kiewer Stadtteil Podolsky war Seisenbacher monatelang untergetaucht. (Bild: Wikimedia)
In dieser Wohnsiedlung im Kiewer Stadtteil Podolsky war Seisenbacher monatelang untergetaucht.

Was zum einen der Hartnäckigkeit der in Georgien und der Ukraine stationierten Verbindungsbeamten des Innenministeriums zu verdanken ist, zum anderen Seisenbachers Sehnsucht nach seiner Familie: Zu seiner in Wien lebenden Mutter habe der ehemalige Star-Judoka regelmäßig telefonischen Kontakt gehalten. Da half es dem Ex-Spitzensportler auch nichts, laufend sein Mobiltelefon zu wechseln.

Vor Zugriff wochenlang observiert
Vor einigen Wochen wurde die Spur dann konkret - eigens aus Österreich entsandte Fahnder hefteten sich folglich an die Fersen des Gesuchten und observierten diesen. Bis Dienstagmittag, gegen 12.30 Uhr, dann im Beisein der heimischen Beamten durch die Polizei-Sondereinheit von Kiew die Handschellen klickten (siehe Video oben). Seisenbacher sei laut Beamten offensichtlich überrascht gewesen, dennoch aber sehr gefasst.

(Bild: APA/Helmut Fohringer, npu.gov.ua, Wikimedia)

Klaus Loibnegger, Kronen Zeitung

Anwalt: "Kein Interesse an Verzögerungen"
Peter Seisenbachers Verteidiger Bernhard Lehofer hat mit der "Krone" über seinen Mandanten und das nun folgende Auslieferungsverfahren gesprochen.

"Krone": Herr Mag. Lehofer, wann haben Sie zuletzt mit Ihrem Mandanten gesprochen?
Bernhard Lehofer: Am Dienstagabend, nach seiner Verhaftung. Es war ein sehr kurzes Telefonat, er wirkte ruhig, um nicht zu sagen - gestatten Sie das Wortspiel - gefasst. Und zuvor hatten wir natürlich Kontakt im Dezember 2016, vor seinem Prozess. Danach herrschte Funkstille.

Mag. Bernhard Lehofer aus Graz ist der Anwalt des Olympiasiegers. (Bild: Jürgen Radspieler)
Mag. Bernhard Lehofer aus Graz ist der Anwalt des Olympiasiegers.

Wie geht es jetzt weiter? Wann wird Seisenbacher nach Österreich ausgeliefert?
Das kann von drei, vier Wochen bis zu Monaten dauern. Die Ukraine ist den internationalen Auslieferungsabkommen beigetreten, also gibt es jetzt dort einmal ein Gerichtsverfahren. Das ist ein Formalakt. Ich sage aber gleich eines: Aus meiner Sicht - und sicher auch aus seiner - gibt es keinerlei Interesse, dieses Verfahren zu verzögern. Ist Seisenbacher mit seiner Auslieferung einverstanden, geht die Sache rasch über die Bühne.

Fanden Sie als sein Anwalt seine Flucht klug?
Er hat schon bessere Entscheidungen in seinem Leben getroffen. Aber eines möchte ich schon feststellen: Es urteilen nicht die Leute auf der Straße, sondern der ursprüngliche Richter in einem fairen Verfahren. Da vertraue ich fest unserer Justiz und dem Rechtssystem.

Interview: Gabriela Gödel, Kronen Zeitung

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