Flüchtlingsaufnahme
EU-Gericht lässt Ungarn und Slowakei abblitzen
Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orban hat am Mittwoch eine schwere Schlappe hinnehmen müssen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies die Klagen Ungarns sowie der Slowakei gegen die Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU ab. Nun müssen die beiden Totalverweigerer gegen ihren Willen Migranten aufnehmen. Die Regierung in Budapest kündigte jedoch umgehend an, sie werde mit "allen rechtlichen Mitteln" gegen die Entscheidung ankämpfen.
Der Fraktionschef der Konservativen (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber, begrüßte das EuGH-Urteil: "Ich finde es wichtig, dass Orban jetzt anerkennt, wie notwendig Solidarität zwischen den EU-Staaten ist."
Ziel: 120.000 Flüchtlinge auf EU-Staaten verteilen
Die zuständigen EU-Minister hatten im September 2015 gegen den Widerstand Ungarns, Tschechiens, Rumäniens und der Slowakei beschlossen, bis zu 120.000 Asylwerber von Italien und Griechenland auf andere Länder zu verteilen. Die Umverteilung sollte eigentlich bis zum 26. September dieses Jahres abgeschlossen sein, sie zieht sich jedoch in die Länge. Die Aufnahmekontingente richten sich dabei vor allem nach Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl. Die Entscheidung sorgt seitdem für Streit innerhalb der Staatengemeinschaft. Bereits zuvor hatten sich eine Reihe von Mitgliedsstaaten freiwillig verpflichtet, 40.000 Flüchtlinge aufzunehmen.
Grund der Klage: "Keine geeignete Reaktion auf Flüchtlingskrise"
Gegen den Ministerbeschluss reichten im Dezember 2015 zunächst die Slowakei und einige Tage später auch Ungarn Klage ein. Sie argumentieren, die Umverteilung sei keine geeignete Reaktion auf die Flüchtlingskrise. Zudem habe der Beschluss keine ausreichende Rechtsgrundlage, nötig sei ein formelles EU-Gesetz. Polen, das seit November 2015 von einer Regierung der nationalkonservativen Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) geführt wird, unterstützte die Klage.
Ungarn empört über "inakzeptables" Urteil
Der ungarische Außenminister Peter Szijjarto bezeichnete das EuGH-Urteil am Mittwoch umgehend als "inakzeptabel" und "nicht verbindlich" für Budapest. Ungarn werde "alle rechtlichen Mittel" ausschöpfen, um gegen die Entscheidung anzukämpfen. Diese sei weder ein "rechtlicher noch fachlicher", sondern ein "politischer Beschluss".
Slowakei hält Bedenken aufrecht
Die Slowakei akzeptiere nach Angaben des Außenministeriums in Bratislava das Urteil, halte seine Bedenken aber aufrecht. Nun müsse man "noch die Details abwarten", sagte Ministeriumssprecher Peter Susko. Er betonte: "Das Urteil ändert nichts an unserer Überzeugung, dass die Verteilung von Flüchtlingen nach Quoten in der Praxis nicht funktioniert."
Bei neuerlicher Verweigerung drohen hohe Geldstrafen
Sollten sich Ungarn, die Slowakei oder andere EU-Staaten nun weiterhin gegen den Beschluss und die Aufnahme von Flüchtlingen sperren, könnte die EU-Kommission auf solider rechtlicher Basis Vertragsverletzungsverfahren vorantreiben, die letzten Endes in hohen Geldstrafen münden können. Gegen Ungarn, Polen und Tschechien hatte die Brüsseler Behörde bereits im Juni erste derartige Schritte eingeleitet.
Ungarn und Polen haben noch keine Flüchtlinge aufgenommen
Bis heute haben weder Ungarn noch Polen einen einzigen Flüchtling aus dem Programm aufgenommen. Sie müssten nach den festgelegten Quoten Italien und Griechenland 1294 beziehungsweise 6182 Asylwerber abnehmen. Die Slowakei, deren Quote bei 902 Flüchtlingen liegt, hat bisher 16 Flüchtlinge aus Griechenland aufgenommen - offenbar als Zeichen guten Willens zu seiner EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2016. Aus dem Umverteilungsprogramm sind nach Angaben der EU-Kommission kurz vor dessen Ende erst rund 27.600 Flüchtlinge auf andere Mitgliedsstaaten umverteilt worden. 8402 kamen dabei aus Italien, 19.243 aus Griechenland.
Auch Österreich liegt hinter festgelegtem Ziel
Auch eine Reihe anderer EU-Staaten liegt noch weit hinter den festgelegten Aufnahmezielen zurück. Dazu gehören Österreich (15 bei einer Gesamtquote von 1953 Asylwerbern), Bulgarien (50 von 1302), Kroatien (78 von 968) und Tschechien (zwölf von 2691). Unter den großen EU-Ländern hinkt Frankreich noch weit hinterher - es hat bisher 4278 Flüchtlinge aus seiner Quote von 19.714 aufgenommen. Auch Deutschland fehlen noch 19.684 Flüchtlinge, um sein Kontingent von 27.536 Asylwerbern zu erreichen. Als einziges EU-Land hat bisher Malta seine Quote von 131 Flüchtlingen bereits erfüllt. Fast geschafft hat das auch Finnland mit 1951 von 2078 Flüchtlingen.
Speziell Orban war wegen seiner Haltung in der Flüchtlingsfrage bereits mehrmals mit anderen EU-Staaten sowie der EU-Kommission aneinandergeraten. Zuletzt präsentierte er der Brüsseler Behörde eine Rechnung von 400 Millionen Euro für den ungarischen Grenzzaun. Die EU solle damit die Hälfte der Kosten für den Bau und den bisherigen Betrieb der Sperranlagen an Ungarns Südgrenze übernehmen. Die EU-Kommission lehnte dies ab.
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