Sie kam einst als Flüchtling aus Kroatien, hat ohne Kurse Deutsch gelernt, drei Kinder allein großgezogen. Nach einem Vierteljahrhundert Arbeit als Krankenpflegerin ist Frau Miriam selbst schwer krank - und lebt heute von der Notstandshilfe. "Es bleibt mir nichts im Monat, das kann es nicht sein", sagt sie. Sogar Katze "Pipi" musste sie in Pflege geben. krone.at hat die 59-Jährige besucht.
Koronare Herzkrankheit, erhöhter Blutdruck und Rückenweh, immer kurz vorm Bandscheibenvorfall - die schmerzliche Bilanz von Frau Miriam nach 24 Jahren Arbeit. Nun bezieht die gebürtige Kroatin (sie selbst bezeichnet sich als Neu-Wienerin) Notstandshilfe.
Die 59-Jährige findet, dass Flüchtlinge den Kampf ums Überleben verlernt haben: "Ich kam 1992 ohne Sprachkenntnisse, ohne Arbeit und ohne Flüchtlingsstatus, und ich habe es geschafft." Ein Vierteljahrhundert hat Frau Miriam in das Sozialsystem einbezahlt. Sie will keinen Neid schüren, aber der Vergleich mit den heutigen Flüchtlingen liege auf der Hand. "Ich lebe auch von 845 Euro!", sagt sie. "Ich und meine Kinder, wir hätten uns keine neuen Handys und Markenkleidung leisten können. Nie!"
"Ich war in einem ziemlich schlechten psychischen Zustand."
Frau Miriam kam 1992 während des Kroatienkrieges nach Wien. Sie arbeitete in verschiedenen Jobs, war unter anderem bei einer Putzerei, im Verkauf und letztendlich als Krankenpflegerin tätig. Als alleinerziehende Mutter von drei Kindern (heute 23, 36 und 38 Jahre alt, alle haben maturiert und sind nie kriminell geworden) schaffte sie es über die Jahre, Fuß zu fassen.
Doch als ihr langjähriger Arbeitgeber - die Wiener Hauskrankenpflege - im Juli 2011 insolvent ist, wird alles schwierig. Eine Magenbruch-OP macht sie fünf Monate arbeitsunfähig - dadurch kann sie nicht weitervermittelt werden. Sie findet keine Arbeit, kann ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen. Ihr drohen nun die Delogierung und Pfändungen. Aber sie gibt nicht auf. Zur Arbeitslosigkeit kamen auch noch Depressionen: "Ich war in einem ziemlich schlechten psychischen Zustand."
Schmuck im Dorotheum
Dank der Notstandshilfe bekommt sie monatlich 845 Euro (Tagessatz von 28,18 Euro). Die Miete beträgt 527,67 Euro, für Strom und Gas kommen noch 48 Euro hinzu. Fehlen noch Fernwärmekosten von 86 Euro, 25 Euro für Versicherungen, 25 Euro fürs Handy, 32 Euro für Internet und 31,80 Euro für die Öffi-Jahreskarte. Da bleiben im Monat nicht einmal 70 Euro über. "Würden Freunde mir kein Geld leihen, wäre alles schon längst verloren."
Kurz vor der Pension muss sie nun alles zu Geld machen. "Ich dachte, ich bin mit 60 fertig. Nun verkaufe ich alles, was ich über die Jahre gekauft habe." So auch den Familienfernseher, durch den alle Deutsch lernten. Sogar Katze "Pipi" musste sie abgeben: "Mein Baby hat immer gutes Futter bekommen, jetzt kann ich es mir nicht mehr leisten, leider." Ihren Schmuck hat sie im Dorotheum veräußert.
Zum Überbrücken bügelt sie für ihre Kinder hie und da Wäsche oder sie putzt. Dafür bekommt sie ein bisschen Geld.
Wohnbeihilfe bekommt sie nicht mehr. Daran ist die 59-Jährige selbst schuld. Das Problem: Als Frau Miriam noch berufstätig war, meldete sie die Wohnbeihilfe nicht ab, bezog sie aber weiterhin. "Da war ich naiv", sagt sie. Sie dachte, die Abmeldung erfolge automatisch. Dies führte zu einem Rückstand von 1400 Euro, welchen sie jetzt noch monatlich in 20-Euro-Raten abbezahlt.
Nach 24 Jahren Arbeit nur 845 Euro
Das AMS schickte Frau M. zur PVA, um dort einen Pensionsantrag zu stellen, dieser wurde aber schon zweimal abgelehnt. Sie könnte doch putzen, wurde ihr gesagt. "Wahrscheinlich bin ich für die Frühpension zu wenig kaputt." Zur gesetzmäßigen Pension fehlt ihr noch ein Jahr - dann bekommt sie noch weniger, nämlich 780 Euro. "Da geht's mir mit der Notstandshilfe noch besser ..."
Wie sieht sie ihre Zukunft? "Ich weiß nicht, was ich tun soll", sagt Frau Miriam verbittert. Seit einem Jahr war sie nicht mehr in der Sauna, ein Urlaub liegt noch länger zurück. Den Tränen nahe fügt sie hinzu: "Ich kann mir nichts mehr Gutes tun."
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