14 Tage vor der Wahl

SPÖ-General Niedermühlbichler tritt zurück

Österreich
30.09.2017 17:42

Die schmutzigen Wahlkampf-Aktivitäten des Ex-SPÖ-Beraters Tal Silberstein haben zwei Wochen vor dem Wahltag ein prominentes Bauernopfer in der Führungsriege der Partei von Kanzler Christian Kern gefordert: Georg Niedermühlbichler gab am Samstag kurz nach 17.30 Uhr bei einer Pressekonferenz seinen sofortigen Rücktritt als Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter bekannt. Zuvor war öffentlich geworden, dass Silberstein die treibende Kraft hinter zwei "Hetz-Seiten" gegen ÖVP-Chef Sebastian Kurz gewesen ist. Der SPÖ-General will von diesen Vorgängen in seinem Wahlkampfteam nichts gewusst haben

"Ich trete als Wahlkampfleiter und Bundesgeschäftsführer der SPÖ zurück": Das offensichtliche Dirty Campaigning der SPÖ im Nationalratswahlkampf fällt nun Georg Niedermühlbichler auf den Kopf. Auch wenn sich der rote General in der heiklen Sache ahnungslos zeigt, ändert das nichts. Denn ein Wahlkampf-Leiter, der sein Team nicht im Griff hat, gibt ebenfalls kein gutes Bild ab.

Georg Niedermühlbichler ist als Bundesgeschäftsführer der SPÖ zurückgetreten. (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Georg Niedermühlbichler ist als Bundesgeschäftsführer der SPÖ zurückgetreten.

"Wichtig, dass ich nicht an Sessel klebe"
Sein Abgang mitten in der heißen Wahlkampfphase stellt jedenfalls das vorläufige Ende einer langen Kette von Pannen rund um den ehemaligen SPÖ-Wahlkampfberater Silberstein dar. "Für mich ist wichtig, dass ich nicht an einem Sessel klebe", begründete Niedermühlbichler am Samstag seine Entscheidung. Wer seine Nachfolge in der Parteizentrale in der Löwelstraße antreten wird, ist vorerst noch offen.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler mit Bundeskanzler Christian Kern (Bild: APA/Hans Punz)
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler mit Bundeskanzler Christian Kern

Silberstein-Engagement ein "großer Fehler"
Niedermühlbichler bezeichnete es am Samstag als "großen Fehler", Silberstein engagiert zu haben. "Offenbar hat es dann Aktivitäten gegeben, die ich mir so, in dem Ausmaß nicht vorstellen konnte", so der Bundesgeschäftsführer. Die bekannt gewordenen teils antisemitischen Aktivitäten, die vor allem SPÖ-Spitzenkandidat Christian Kern geschadet hätten, seien abscheulich und nicht mit der Sozialdemokratie vereinbar, so der 51-Jährige bei der Pressekonferenz.

"Presse" und "profil" hatten zuvor berichtet, dass ein von Silberstein engagiertes Team für die SPÖ-Kampagne Pro- und Anti-Kurz-Facebookseiten organisiert hat. Die rassistische und teils antisemitische Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" sowie der Auftritt "Wir für Sebastian Kurz", der sich als Fanseite für den ÖVP-Chef ausgibt, wurden demnach im Auftrag Silbersteins bzw. der SPÖ produziert.

Die Facebook-Seite "Wir für Sebastian Kurz" (Bild: Facebook.com)
Die Facebook-Seite "Wir für Sebastian Kurz"

Pikantes Detail: Die Facebookseiten werden auch nach dem Rauswurf von Silberstein in Abstimmung mit der SPÖ-Wahlkampfzentrale weiter betrieben und erst mit den ersten Medienberichten über die Hintergründe vom Netz genommen.

Die Facebook-Seite "Wir für Sebastian Kurz" wurde mittlerweile vom Netz genommen. (Bild: facebook.com)
Die Facebook-Seite "Wir für Sebastian Kurz" wurde mittlerweile vom Netz genommen.

500.000 Euro Budget für Anti-Kurz-"Spezialeinheit"
Laut "profil" beträgt das Budget für die mit der Negativ-Kampagne gegen Kurz betraute Spezialeinheit rund 500.000 Euro. Zumindest ein Mitglied des SPÖ-Wahlkampfteams soll in die Aufträge involviert und eingeweiht gewesen sein, hieß es am Samstag aus der Parteizentrale in der Löwelstraße. Wahlkampfleiter Niedermühlbichler will hingegen von den Vorgängen in seinem Wahlkampfteam hingegen nichts gewusst haben.

Auch am Samstag bei der Bekanntgabe seines Rücktritts betonte er, nichts von den falschen Facebook-Gruppen Silbersteins gewusst zu haben. Zu keinem Zeitpunkt habe er von der Involvierung in diese Seite gewusst, es sei zudem keinerlei Geld der SPÖ dorthin geflossen. "Ich frage mich, welch Geistes Kinder" solche Inhalte produzieren würden, so Niedermühlbichler bei der Pressekonfernz. Dennoch sei einer seiner Mitarbeiter involviert gewesen und dafür trage er die "Gesamtverantwortung". "Man putzt sich nicht an Mitarbeitern ab und es ist meine Aufgabe, als Wahlkampfleiter dafür zu sorgen, dass solche Dinge nicht passieren dürfen."

Tal Silberstein (Bild: AFP)
Tal Silberstein

Die angebliche Unkenntnis über die Vorgänge im SPÖ-Wahlkampfteam konnte jedenfalls nicht mehr verhindern, dass die Stimmen, die den Rücktritt des Bundesgeschäftsführers forderten, immer lauter wurden - nicht nur von Seiten der anderen Parteien, auch intern dürften immer mehr rote Funktionäre auf den Abgang Niedermühlbichlers gedrängt haben. Dabei hatte sich der Tiroler um den Posten in der Löwelstraße nicht gerissen. Als Christian Kern im Vorjahr die Parteispitze enterte, war schlicht niemand da, der sich die Rolle des Bundesgeschäftsführers antun wollte.

SPÖ-Kanzler Christian Kern und Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
SPÖ-Kanzler Christian Kern und Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler

Posten war Niedermühlbichler wohl ein paar Schuhnummern zu groß
Also übernahm der im Wiener Landtagswahlkampf gestählte Niedermühlbichler zunächst interimistisch und dann mangels Alternative auch permanent. Richtig angekommen ist der 51-Jährige im Bund freilich nie. Es dauerte nicht lange, bis aus der SPÖ Klagen zu hören waren, dass der Posten Niedermühlbichler ein paar Schuhnummern zu groß sei.

Nicht gerade als strategische Meisterleistung galt ein Hintergrundgespräch des Bundesgeschäftsführers, als er offen eine Koalition der SPÖ mit Grünen und NEOS als Ziel ausgab. Dies war einerseits irritierend, da die Sozialdemokraten da noch in aufrechter Koalition mit der ÖVP waren, und andererseits, da keine Umfrage auch nur annähernd eine Mehrheit für Rot-Grün-Pink anzeigte.

SPÖ bei Neuwahl-Ansage der ÖVP mäßig vorbereitet
Als die ÖVP gar nicht so überraschend die Neuwahl ausrief, wirkte die SPÖ mäßig vorbereitet. Allzu groß scheint das Vertrauen der Parteispitze in Niedermühlbichler auch nicht gewesen zu sein, wurden doch zahlreiche Berater für den Wahlkampf hinzugezogen, darunter Tal Silberstein, dessen Dirty Campaigning-Aktivitäten die Sozialdemokraten nun endgültig in die Bredouille bringen.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl und SPÖ-General Georg Niedermühlbichler (Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)
Wiens Bürgermeister Michael Häupl und SPÖ-General Georg Niedermühlbichler

Dabei war nicht nur der angeblich fehlende Weitblick Niedermühlbichlers manchen in der Partei ein Dorn, auch mutmaßten einige, dass der frühere Wiener Landesparteisekretär noch immer mehr Diener seines alten Herren, Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), als jener seines neuen Christian Kern sei. Ob wahr oder nicht, es hält sich jedenfalls seit Monaten das Gerücht, dass die Wiener SPÖ nicht allzu viel gegen Schwarz-Blau im Bund hätte, weil es für die zerstrittenen Sozialdemokraten der Bundeshauptstadt dann wieder einen gemeinsamen Außenfeind und bessere Wahlchancen gäbe.

Opposition fordert Erklärung von SPÖ-Chef Kern
FPÖ und Grüne gaben sich am Samstag mit dem Rücktritt Niedermühlbichlers nicht zufrieden, die ÖVP wollte die Entwicklungen nicht mehr weiter kommentieren. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sprach von vielen offenen Fragen und forderte auch den Rücktritt von Kanzler und SPÖ-Chef Kern. Niedermühlbichler sei nur das "Bauernopfer der SPÖ", so Kickl.

Auch die Grünen begrüßten den Rücktritt von Niedermühlbichler und fordern eine Erklärung von Kern, der die politische Verantwortung für die Vorgänge in der SPÖ trage, erklärte Bundesgeschäftsführer Robert Luschnik. "Wie hält es die Sozialdemokratie mit dem Einsatz von Antisemitismus und Rassismus als Wahlkampfmittel?" Die Antwort darauf sei Kern schuldig.

Für die NEOS sind die Würfel in diesem Wahlkampf nun endgültig gefallen. Der Kanzler stünde mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz fest, meinte NEOS-Generalsekretär Nick Donig. "Die Frage ist, wer die Gegenbewegung zu einem erneut Schwarz-Roten oder Schwarz-Blauen System anführt." Als NEOS werde man den Wählern dafür ein "kraftvolles, konstruktives Angebot" machen.

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