"Harmloser Bub"

Soldat tot: Jetzt sprechen die Eltern des Schützen

Österreich
11.10.2017 15:01

Nach dem tödlichen Zwischenfall in der Wiener Albrechtskaserne am Montagabend melden sich jetzt auch der Vater und die Stiefmutter des Todesschützen zu Wort. "Ali war schon von Kindheit an immer besonders brav und gutmütig. Niemals wäre er dazu fähig, jemanden bewusst umzubringen." Die Eltern haben ihren Sohn bereits in der Haft besucht: "Er ist völlig gebrochen. Und natürlich halten wir fest zu ihm."

Bis vor wenigen Monaten lebte Ali Ü. bei seiner Familie in Salzburg. "Nach der Matura", berichtet sein Vater, "hat er zunächst bei einem Lebensmittelkonzern und dann für ein Möbelhaus gearbeitet." Bis vergangenen Mai, als er seinen Grundwehrdienst begann. "Er ist manchmal am Wochenende nach Hause gekommen und hat sich um mich gekümmert." Osam Ü. ist seit zwei Jahren schwer krank, "mein Sohn hat mir seitdem viele Aufgaben abgenommen".

Ali Ü. bei einem Türkei-Urlaub (Bild: Klemens Groh)
Ali Ü. bei einem Türkei-Urlaub

"Ali hat in Ismail einen echten Freund gefunden"
Kannte der 51-Jährige das Opfer? "Nein, aber mein Bub hat mir oft von Ismail M. erzählt. Dass er in ihm einen echten Freund gefunden hätte. Die beiden sind - Alis Erzählungen zufolge - häufig miteinander unterwegs gewesen und sie konnten gut miteinander über ihre Probleme reden." Welche waren das? "Beide hatten Schwierigkeiten mit ihren Freundinnen. Aber niemals miteinander." Osam Ü. hofft, dass ein Schussgutachten den Mordverdacht gegen den Sohn entkräftet, "und er bald in Freiheit darf".

Seltsame Unfallversion aufgetischt
Der unter Mordverdacht stehende Schütze beteuerte im ersten Verhör, sich an die Tat nicht zu erinnern, tischte dann plötzlich eine seltsame Unfallversion auf. Demnach wollte er seinen Freund "nur aufwecken", um mit ihm eine Zigarette zu rauchen. Danach setze die Erinnerung aus. Auch die Frage, wie er das Sturmgewehr getragen hatte - in den Händen oder umgehängt -, könne er nicht beantworten.

(Bild: Andi Schiel)

Soll mit Sicherung "hantiert" haben
Die Verteidiger des Schützen, Farid Rifaat und Manfred Arbacher-Stöger, bezeichneten den Vorfall als ein Zusammenspiel mehrerer Unglücksfaktoren. So sei Ali U. das Sturmgewehr 77 untertags heruntergefallen, wodurch offenbar eine Patrone in den Lauf geriet. Auch dürfte der 22-Jährige - er galt als "mustergültig" und "als bester Soldat der letzten Jahre" - mit der Sicherung "hantiert" und dabei einen weiteren Fehler gemacht haben, da eine unbeabsichtigte Schussabgabe sonst technisch nicht möglich wäre.

Der Angeklagte Ali Ü. (Bild: APA/HANS PUNZ, "Krone", krone.at-Grafik)
Der Angeklagte Ali Ü.

Heer sieht klare Pflichtverletzung
Für das Bundesheer steht jedenfalls fest: Es handelt sich um eine klare Pflichtverletzung des Soldaten. "Es gibt keinerlei Erklärung, warum ein Soldat das Sturmgewehr entsichert und abdrückt. Das ist eindeutig verboten und widerspricht jeder Vorschrift. Jetzt geht es um die Frage des Warums", erklärt Heeressprecher Oberst Major Michael Bauer. Auch das Bundesheer sei gespannt, zu welchen Erkenntnissen die Polizei kommen wird.

(Bild: Andi Schiel)

Obduktion und ballistisches Gutachten
Unterdessen wurde eine Obduktion des Opfers angeordnet, ebenso wird ein Ballistikexperte hinzugezogen, der Licht ins Dunkel bringen könnte. So muss unter anderem geklärt werden, aus welcher Entfernung und aus welchem Winkel der 20-Jährige in den Kopf getroffen wurde. Bei dem Experten handelt es sich um Ingo Wieser, der bereits im Fall von Briefbombenbauer Franz Fuchs ein Gutachten erstellt hatte.

Martina Prewein/krone.at

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