Behördenversagen
Terror-Monster Amri wurde nur werktags überwacht!
Die von Pannen begleitete Observierung des Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäters Anis Amri ist um weitere haarsträubende Details reicher geworden. Im Bericht des Sonderermittlers, der vom Berliner Senat mit der Aufarbeitung der Versäumnisse beauftragt worden war, steht unter anderem zu lesen: "Alle Observationen beschränkten sich auf die Wochentage Montag bis Freitag." An Wochenenden waren die Augen und Ohren der Ermittler nicht auf das tunesische IS-Terror-Monster gerichtet.
"Mangelhaft", "unzureichend", "verspätet", "unterblieben", fehlerhaft", "unprofessionell": Diese Bezeichnungen finden sich im Bericht des ehemaligen Bundesanwalts Bruno Jost, der dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vorliegt. Der Sonderermittler zieht den Schluss, dass der Anschlag auf den Adventmarkt am Berliner Breitscheidplatz durchaus rechtzeitig hätte verhindert werden können. Man hätte den als "Gefährder" eingestuften Amri demnach schon im Sommer oder Herbst 2016 mit "hoher Wahrscheinlichkeit" verhaften können, zitiert der "Spiegel" aus dem Bericht.
Amri hätte wegen Drogenhandels inhaftiert werden können
Jost komme zwar nicht zu dem Schluss, dass die Erkenntnisse der ermittelnden Behörden allein gereicht hätten, um Amri wegen islamistischer Aktivitäten festzunehmen. Allerdings hätte es die Chance gegeben, ihn wegen Drogenhandels aus dem Verkehr zu sehen. Doch hier habe das Durcheinander zwischen den beteiligten Behörden die Arbeit behindert.
Das Behörden-Wirrwarr kennzeichnete sich vor allem dadurch, dass man schlicht und ergreifend nicht gewusst habe, wer das Verfahren führte und an wen daher wichtige Akten zu liefern wären. "Diese Unklarheit", so schreibt der Sonderermittler, habe "zu einer regelrechten Zuständigkeitslücke" geführt. Nicht nur in Berlin, auch in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hätten die Behörden Möglichkeiten gehabt, Amri aus dem Verkehr zu ziehen. So sei der Tunesier im Sommer 2016 mit zwei gefälschten italienischen Ausweisen in Friedrichshafen festgenommen, wenige Tage jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt worden.
Mehrere Identitäten und Abschiebeversuche
Für Jost ist es unverständlich, dass an dieser Stelle keine Versuche unternommen wurden, einen Haftbefehl zu bekommen, zumal bekannt gewesen sei, dass der Asylwerber mit mehreren Identitäten seit einiger Zeit hätte abgeschoben werden sollen. Dass all diese Versäumnisse und Fehler zu keinerlei Konsequenzen bei der Polizei führen, sei schwer vorstellbar, deutet der "Spiegel" an und schreibt auch über nachträglich manipulierte Akten, die die Behördenfehler vertuschen sollten.
Der Tunesier Amri hatte am 19. Dezember den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche verübt, bei dem zwölf Menschen starben und mehr als 60 weitere verletzt wurden. Behörden in Nordrhein-Westfalen hatten Amri bereits im Februar 2016 als islamistischen Gefährder eingestuft. Dennoch konnte er vor dem Lastwagenattentat vom Berliner Breitscheidplatz untertauchen. Auf der Flucht wurde er von der Polizei in Mailand erschossen.
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